Aus Mangel an Beweisen: Staffel 1 [2024]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 20. April 2025
Genre: Krimi / Drama
Originaltitel: Presumed Innocent: Season 1
Laufzeit: 347 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Anne Sewitsky, Greg Yaitanes
Musik: Danny Bensi, Saunder Jurriaans
Besetzung: Jake Gyllenhaal, Ruth Negga, Bill Camp, Peter Sarsgaard, Renate Reinsve, O-T Fagbenle, Chase Infiniti, Nana Mensah, Kingston Rumi Southwick, Elizabeth Marvel, Lily Rabe, James Hiroyuki Liao, Virginia Kull, Matthew Alan, Tate Birchmore, Noma Dumezweni, Gabby Beans, Mark Harelik, Rosanna Arquette, Sarunas J. Jackson, Marco Rodríguez, Mary Lynn Rajskub
Kurzinhalt:
Es ist für alle Beteiligten ein Schock, als die für den Bezirksstaatsanwalt tätige Anwältin Carolyn Polhemus (Renate Reinsve) ermordet in ihrem Haus aufgefunden wird. Die Art, wie ihre Leiche drapiert wurde, ähnelt einem bekannten Fall, den Carolyn verhandelt hat und dessen Beschuldigter inzwischen verurteilt in Haft sitzt. Bezirksstaatsanwalt Raymond Horgan (Bill Camp), der kurz vor einer Wiederwahl steht, überträgt den Fall seinem Stellvertreter Rusty Sabich (Jake Gyllenhaal), nicht ahnend, dass dieser mit Carolyn eine Affäre hatte. Während Rusty mit den Ermittlungen beginnt, findet die Polizei Spuren von ihm am Tatort und als Nico Della Guardia (O-T Fagbenle) die Leitung der Bezirksstaatsanwaltschaft übernimmt, setzt er Tommy Molto (Peter Sarsgaard) auf den Fall an. Der entdeckt Rustys Verbindungen zu Carolyn und sieht in ihm den Hauptverdächtigen. Als Rusty angeklagt wird, muss er nicht nur seiner Frau Barbara (Ruth Negga) die Affäre gestehen, sondern auch seinen Kindern Jaden (Chase Infiniti) und Kyle (Kingston Rumi Southwick). Ihrer aller Leben wird durch die mediale Aufmerksamkeit auf den Kopf gestellt und je länger sich der Prozess hinzieht, umso mehr Indizienbeweise kommen ans Licht, dass Rusty von Carolyn geradezu besessen war …
Kritik:
Die Serienadaption von Scott Turows 1987 veröffentlichtem Roman Aus Mangel an Beweisen erweitert die Geschichte um einen Bezirksstaatsanwalt, der des Mordes an einer Kollegin verdächtigt wird, mit der er eine Affäre hatte, ohne das dahinterliegende Drama jedoch nennenswert zu vertiefen. Die zahlreichen Abwandlungen sorgen zwar dafür, dass die Geschichte spannend bleibt, doch fügen sie der bisherigen Verfilmung mit Harrison Ford in der Hauptrolle keine entscheidenden Aspekte hinzu.
Verantwortlich für die erste Staffel (eine zweite wurde bereits in Auftrag gegeben, doch beschreibt die erste eine in sich abgeschlossene Geschichte) zeichnet David E. Kelley, der mit Anwalts- und Gerichtsserien wie Practice: Die Anwälte [1997-2004], Boston Legal [2004-2008] oder Ally McBeal [1997-2002] das Genre nachhaltig geprägt hat. Diese Expertise findet sich auch in Aus Mangel an Beweisen wieder, das in vielen Punkten von der Romanvorlage und der bisherigen Verfilmung abweicht. Im Zentrum der Geschichte steht der stellvertretende Chicagoer Bezirksstaatsanwalt Rusty Sabich, der zum Haus seiner ambitionierten Kollegin Carolyn Polhemus gerufen wird. Sie wurde nicht nur ermordet, sondern ihre Leiche in einer Art und Weise drapiert, dass es Erinnerungen an einen bekannten Fall weckt, den Carolyn vor Gericht gewonnen hat. Bezirksstaatsanwalt Raymond Horgan übergibt Rusty den Fall, nicht ahnend, dass Rusty und Carolyn eine Affäre hatten. Nachdem Raymond seinen Posten verliert, bestimmt sein Nachfolger Nico Della Guardia den stellvertretenden Tommy Molto, Carolyns Fall zu übernehmen. Schnell kommt die Affäre ans Licht und Rustys Geheimnistuerei lässt ihn nur verdächtiger erscheinen. Als immer mehr Indizienbeweise aufkommen, wird Rusty des Mordes angeklagt und über ihn und seine Familie bricht die Hölle herein.
Dabei wusste seine Frau Barbara von einer zurückliegenden Affäre ihres Mannes mit Carolyn, dass die wiederaufgeflammt war, aber nicht. Für Tochter Jaden und Sohn Kyle ist die gesamte Situation ein Schock, während Rusty immerhin seinen ehemaligen Boss Raymond als Verteidiger gewinnen kann. Doch der hat in Anbetracht der vielen Geheimnisse, die über Rusty ans Licht kommen, selbst Zweifel, ob sein Freund wirklich unschuldig ist. Darüber, was tatsächlich geschehen ist, säht Aus Mangel an Beweisen viele Zweifel und präsentiert unterschiedliche mögliche Versionen. Angefangen davon, dass Rusty, der in der Mordnacht bei Carolyn war, sie im Streit getötet haben könnte, über Kyle als möglichen Täter, der zuvor mit seinem Fahrrad bei dem Haus gesehen worden war, oder dem dank Carolyn verurteilten Mörder, der Rache an ihr geschworen hat. Selbst Tommy Molto könnte ein Verdächtiger sein, scheint er doch in Carolyn verliebt, die aber nicht einmal mit ihm zusammenarbeiten wollte. Sogar Carolyns Sohn, den sie Rusty gegenüber nicht erwähnte und den sie aus ihrem Leben verbannte, hätte ein Motiv. Die Frage, die dabei für das Publikum im Raum stehen sollte, lautet aber nicht, wer hat Carolyn ermordet, sondern liegen genügen Beweise vor, dass Rusty der Täter ist?
Aus Mangel an Beweisen präsentiert sich als Mischung aus Krimi, Drama und Gerichtsdrama, das einige Besonderheiten des amerikanischen Rechtssystems aufgreift und das Publikum darin eintauchen lässt. Während sich die Verantwortlichen in den ersten Episoden eher dem Krimi und dem Drama widmen, nimmt der Prozess selbst die letzten drei Folgen ein. Das tatsächliche Drama ist es jedoch, das merklich kurz kommt. Während in der ersten Hälfte der achtteiligen Staffel mehrere mögliche Verdächtige vorgestellt werden und Rusty Ermittlungen anstrengt, die ihn im Zweifel in nur noch größere Bedrängnis bringen werden, unterlegt die Erzählung Rustys Wahrnehmung immer wieder mit Erinnerungen an seine Zeit mit Carolyn. Kaum eine Episode vergeht ohne eine kurze Traumsequenz und doch bleibt das Schicksal der übrigen Figuren ein Nebenaspekt. Zugegeben, Barbara sucht Trost bei einem Barkeeper, den sie kennenlernt, und Raymonds Ehefrau Lorraine, die mit Barbara befreundet ist, hält nicht damit zurück, was sie von Rusty hält, doch es hätte auch die Möglichkeit bestanden, die Geschichte in den ersten Episoden jeweils aus der Sicht eines Familienmitglieds zu erzählen, um diese Figuren weiter zu vertiefen. Doch gerade den Kindern nähert sich das Drama kaum, von Carolyn selbst ganz zu schweigen.
Viele Aspekte werden angerissen, aber nie abschließend geklärt. Beispielsweise, dass Carolyn keinen Kontakt zu ihrem Sohn wollte, aber nicht, weshalb nicht. Es ist nicht, dass die Erzählung zu lang geraten wäre, im Gegenteil, die Frage ist vielmehr, ob sie die richtigen Schwerpunkte setzt. Die ständigen Wortgefechte zwischen der Bezirksstaatsanwaltschaft und Raymond sowie Rusty lassen zwar erahnen, dass das Verhältnis seit langem zerrüttet ist, doch diese Momente wiederholen sich oft, ohne die Story voran zu bringen. Kommt es schließlich zur Auflösung, können diejenigen, die mit Alan J. Pakulas erstklassiger Verfilmung aus dem Jahr 1990 vertraut sind, kaum umhin festzustellen, dass die damals nicht nur überraschender war, sondern eine emotionale Wucht entfaltete, die der Serienadaption von Aus Mangel an Beweisen merklich fehlt. Ruth Negga, insbesondere Peter Sarsgaard und auch Jake Gyllenhaal machen ihre Sache merklich gut, wobei letzterer erst in den finalen Folgen mehr vom Charakter seiner Figur zeigen darf. Doch das ändert letztlich nichts daran, dass die Adaption der bisherigen nichts Nennenswertes hinzufügt, außer eine bekannte Geschichte länger zu erzählen.
Fazit:
Die Feindseligkeit der beiden pathologischen Narzissten Rusty und Tommy zeichnet die Erzählung letztlich mehr aus, als der Krimi oder das Gerichtsdrama. Wie gut ihre Momente zur Geltung kommen, überrascht umso mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass Jake Gyllenhaal und Peter Sarsgaard in Wirklichkeit verschwägert sind. Doch so gelungen dies ist, es tröstet nur bedingt darüber hinweg, dass die übrigen Figuren weit weniger zur Geltung kommen, als man erhoffen würde. Der Krimiaspekt präsentiert genügend falsche Fährten, um das Publikum miträtseln zu lassen und beginnt der Gerichtsprozess, spürt man merklich die Handschrift von David E. Kelley, der die Szenen mit einer authentischen Intensität zum Leben erweckt. Ein Publikum, das mit der Verfilmung um Harrison Ford in der Hauptrolle nicht vertraut ist, kann sich hiervon handwerklich tadellos und von einem starken Ensemble getragen unterhalten lassen. Umso mehr, da Rusty Sabich kein Held ist, sondern eine zutiefst fehlerbehaftete Persönlichkeit. Doch im direkten Vergleich fällt auf, dass was die Serienadaption Aus Mangel an Beweisen in Staffel 1 hinzufügt, weder die Geschichte, noch die Figuren packender werden lässt. All das vermochte die Verfilmung in einem Drittel der Zeit ebenso gut oder besser zur Geltung zu bringen. Es ist vielleicht weniger ein Kritikpunkt an dieser Produktion, als ein Auszeichnungsmerkmal der damaligen.