Wie beim ersten Mal [2012]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. August 2013
Genre: Unterhaltung / Drama / Liebesfilm

Originaltitel: Hope Springs
Laufzeit: 100 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2012
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: David Frankel
Musik: Theodore Shapiro
Darsteller: Meryl Streep, Tommy Lee Jones, Steve Carell, Jean Smart, Elisabeth Shue, Becky Ann Baker, Damian Young, Ben Rappaport, Marin Ireland, Patch Darragh, Brett Rice, Mimi Rogers


Kurzinhalt:
Zum 31. Hochzeitstag schenken sich Kay (Meryl Streep) und Arnold (Tommy Lee Jones) ein Pay-TV-Abonnement. Die vielen neuen Sender sind in ihrem Alltag die größte Abwechslung. Doch mit der eintönigen Situation, in der Kay am meisten die Intimität mit ihrem Mann vermisst, möchte sie etwas ändern und meldet sich mit Arnold für eine Paartherapie bei Dr. Feld (Steve Carell) an. Nicht nur die hohen Kosten stören Arnold, der sich mit dem Zustand seiner Ehe arrangiert hat.
Doch die Gespräche bei Dr. Feld treffen öfter den Kern dessen, warum ihre Ehe dort angekommen ist wo sie ist, als sich beide eingestehen wollen. Als sie von ihm außerdem Aufgaben bekommen, an denen sie sich bis zum nächsten Termin versuchen sollen, erleben sie so viele Rückschläge, dass sie an ihrer Situation zu verzweifeln beginnen ...


Kritik:
Ist es möglich, nach über 30 Ehejahren noch ebenso für den Partner oder die Partnerin zu empfinden, wie zu Beginn der gemeinsamen Zukunft? Gibt es einen genauen Zeitpunkt, an dem die Vertrautheit des Gegenüber zu einer Selbstverständlichkeit wird? Das Kunststück, das Regisseur David Frankel mit Wie beim ersten Mal gelingt, ist nicht, eine Ehe zu demontieren, sondern sie zu porträtieren. Meryl Streep und Tommy Lee Jones brillieren hier nicht als historische Persönlichkeiten von Rang und Namen, sondern als normale Menschen, denen etwas daran liegt, mit dem anderen auch den Rest des gemeinsamen Lebens zu verbringen – selbst wenn insbesondere Arnold das nicht in Worte fassen kann.

Ihre Routine ist jeden Tag dieselbe: Arnold kommt an den Frühstückstisch, der mit Spiegelei und Schinken gedeckt ist. Er verabschiedet sich von seiner Frau Kay und schläft am Abend vor dem Fernseher ein, in dem der Golf-Kanal läuft. Ob er wirklich spielt, wissen wir nicht. Wir sehen ihn jedenfalls nie auf dem Platz stehen oder irgendetwas, das darauf hindeuten würde. Vielleicht verhält es sich mit dem Golfspielen wie mit den Wünschen in seiner Ehe, denen er nachhängt, die er aber nie verwirklicht hat. Dass Kay ihn liebt, steht außer Frage, auch wenn der berühmte Satz mit drei Wörtern im eigentlichen Film kein einziges Mal fällt. Nur hat sie das Gefühl, dass ihre Ehe in den letzten Jahren irgendwann zu etwas geworden ist, das sie nie sein sollte oder Kay haben wollte. Darum bucht sie eine intensive Eheberatung bei Dr. Feld. Sie stellt Arnold vor die Wahl, mitzukommen. Sie wird fahren, mit oder ohne ihn.

Die Vorstellungen, die man ohne es besser zu wissen von einer solchen Therapie hat, haben mit der Wirklichkeit vermutlich wenig gemein. Statt Kay und Arnold mit Medikamenten abzuspeisen oder aber abstruse Lebensweisheiten anzubieten, bietet Feld ihnen ein Forum, auf dem sie sich über all das unterhalten müssen, was sie im eigenen Haus vermutlich nie sagen würden. So oberflächlich diese Diskussionen zu Beginn noch sein mögen, sie erreichen schnell eine viel privatere Ebene. Was wäre man selbst bereit, einem Fremden über die eigenen sexuellen Wünsche zu offenbaren, was man nicht einmal der eigenen Frau anvertraut – und das vor ihren Augen? Statt die Rolle schmierig oder unehrlich erscheinen zu lassen, spielt Steve Carell unerwartet ernst und zurückhaltend einen Therapeuten, der sich von der Unbequemlichkeit der Situation nicht abschrecken lässt. Tommy Lee Jones ist seit jeher der Inbegriff eines gefassten, lebenserfahrenen Mannes, dem man zutrauen würde, jede Schwierigkeit zu meistern. Seine Rolle in Wie beim ersten Mal mag dabei seine schwerste gewesen sein. Wir sehen es brodeln unter seiner gefassten Mimik, sehen ihn innerlich zerrissen durch seine Unfähigkeit, auf den Punkt zu bringen, weshalb er den jetzigen Stand seiner Ehe jeder Veränderung vorzieht. Es ist eine Darbietung, die in der zweiten Hälfte, da seine wortgewaltige Ablehnung gegenüber der Therapie nachlässt, nur noch gewinnt. Dem steht Meryl Streep in nichts nach. Sie verleiht Kay eine Unsicherheit, die im letzten Drittel durch die gescheiterten Versuche, sich zu ändern, umso tragischer wird.

Auch wenn es manchmal so aussieht, als würde Regisseur David Frankel einfache Antworten auf komplexe Fragen geben wollen, es gelingt ihm jedes Mal, eine andere Richtung einzuschlagen. Wie sollte es funktionieren, mit einer Woche Eheberatung alle Vorbehalte, alle Ängste und alle verletzlichen Kommentare aufzuarbeiten, die sich in mehr als 30 Jahren Ehe angesammelt haben? Insofern ist der englische Titel Hope Springs bedeutend treffender, als der deutsche. Er deutet an, dass die Therapie vielmehr die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft in den Teilnehmern wecken kann, anstatt ihre Beziehung auf wundersame Weise zu kurieren. Der Film selbst ist weniger melodramatisch als viele anderen Dramen, legt aber dafür Wert auf eine glaubhafte Darstellung einer Beziehung, deren Ursprünge nur verschüttet, aber nicht verloren gegangen sind.


Fazit:
Wieso ist es manchmal so schwer, dem Menschen, dem wir am meisten vertrauen, zu erzählen, was uns so sehr beschäftigt? Auch wenn es in einer Beziehung keine Tabus bei den Gesprächsthemen geben sollte, sie schleichen sich doch meist ein. Statt wie bei vielen solcher Geschichten einen Seitensprung oder Ähnliches als Auslöser zu benennen, ist es in Wie beim ersten Mal wie meist in der Realität kein einzelnes Ereignis, sondern eine Vielzahl kleiner Entscheidungen, die dazu führen.
Die hervorragenden Darsteller zeichnen ein lebensnahes Porträt dieser Menschen, die uns irgendwie vertraut erscheinen. Ihre Geschichte ist manchmal amüsant, manchmal traurig, aber nie lächerlich oder dramatisch. So, wie das Leben für gewöhnlich auch. Im Vergleich zu vielen Ehedramen ist Hope Springs erstaunlich unspektakulär, dafür glaubwürdig und in gewissem Sinn ermutigend.