Whitney Houston: I Wanna Dance with Somebody [2022]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 21. Dezember 2022
Genre: Biografie / DramaOriginaltitel: Whitney Houston: I Wanna Dance with Somebody
Laufzeit: 146 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Kasi Lemmons
Musik: Chanda Dancy
Besetzung: Naomi Ackie, Stanley Tucci, Nafessa Williams, Clarke Peters, Tamara Tunie, Ashton Sanders, Bria Danielle Singleton, Ali Asghar Shah
Kurzinhalt:
Nicht einmal ihre eigene Mutter Cissy (Tamara Tunie), selbst eine erfolgreiche Sängerin, die in der Kunstszene gut vernetzt ist, ahnt im Jahr 1983, wie erfolgreich ihre Tochter Whitney Houston (Naomi Ackie) werden wird. Als Musikproduzent Clive Davis (Stanley Tucci) sie entdeckt und Whitney bei Arista Records unter Vertrag kommt, hat sie große Pläne und Vorstellungen. Aber ihr Vater John Houston (Clarke Peters), gleichzeitig ihr Manager, fordert sie auf, einen bestimmten Typ Frau in der Öffentlichkeit zu verkörpern, weshalb sich Whitney nicht nur äußerlich verändern, sondern auch von ihrer engen Freundin Robyn (Nafessa Williams) fern halten soll. Als sie auf den erfolgreichen Sänger Bobby Brown (Ashton Sanders) trifft, mit dem sie eine Familie gründet, hat sie das Gefühl, sich endlich nicht mehr verstellen zu müssen. Dabei ist sie international so erfolgreich wie kaum eine Sängerin vor ihr. So dauert es nicht lange, ehe sich Whitney in derselben Situation wiederfindet, wie ihre Eltern einst. Sie als die Besserverdienerin, die erfolgreicher ist als ihr Mann. Es sorgt zusätzlich für Spannungen in einem Umfeld, das immer neue Erfolge fordert. Bis die Kehrseite des Erfolgs die Künstlerin zu verschlingen droht …
Kritik:
Wie vielen anderen Biografien ebenfalls, merkt man Kasi Lemmons’ Whitney Houston: I Wanna Dance with Somebody den großen Respekt und die Wertschätzung an, die die Verantwortlichen der Titel gebenden Künstlerin entgegenbringen, deren Leben hier über weite Strecken nacherzählt wird. Dabei konzentriert sich das Drama in der ersten Hälfte auf den künstlerischen Werdegang und widmet sich erst im letzten Drittel der Person hinter der Sängerin Whitney Houston. Trotz der tollen Darbietungen und der unvergleichlichen Musik nimmt das dennoch nur wenig mit.
Insbesondere die Songs sind dabei das Herzstück der Biografie, die zwar von Hauptdarstellerin Naomi Ackie treffend zum Leben erweckt werden, bei denen allerdings die Stimme der wirklichen Whitney Houston zu hören ist. Das erklärt auch, weshalb man bei zahlreichen Liedeinlagen buchstäblich Gänsehaut bekommt – die Künstlerin besaß ein Gesangstalent, das wenigstens in ihrer Generation unerreicht blieb. Ihre Biografie beginnt im Jahr 1983 damit, wie die damals 20jährige Whitney Elizabeth Houston von ihrer Mutter Cissy, ebenfalls eine bekannte Sängerin, unterrichtet wurde. Whitney selbst tritt in der Show ihrer Mutter als Hintergrundsängerin auf, doch als Musikproduzent Clive Davis ihre Stimme hört, wird sie entdeckt und erhält einen eigenen Plattenvertrag. Ihr gelingt, auch dank ihres Vaters als Manager im Hintergrund, der Karrieresprung, der Cissy verwehrt blieb. Ob sich daraus Spannungen ergeben haben, beleuchtet I Wanna Dance with Somebody nicht und es dauert spürbar lange, ehe Houstons Privatleben überhaupt einen merklichen Stellenwert in der Geschichte einnimmt.
Das erste Drittel der Biografie beleuchtet stattdessen die verschiedenen frühen Auftritte und Erfolge der Sängerin, die für ihre Musik gleichermaßen gefeiert wie kritisiert wurde, weil Teile der afroamerikanischen Gesellschaft der Ansicht waren, die Musik klinge zu „weiß“. Ebenfalls im Zentrum des frühen Abschnitts steht Houstons Beziehung zu ihrer Freundin Robyn Crawford, die später ihre Assistentin wird. Aus ihr als Person und Sängerin wird ein millionenschwerer Markenname mit entsprechender Vermarktung. Um diesen Wert nicht zu gefährden, soll sie sich auf Drängen ihres Vaters in manchen Belangen anpassen, in anderen genau so bleiben, wie sie ist und keine Experimente wagen. Es sind Schattenseiten eines Lebens, das sie augenscheinlich noch nicht in dem Maße prägt, wie es später der Fall sein wird. Der Mittelteil begleitet Whitney Houstons weiteren Aufstieg und die Familie, die sie mit dem Sänger Bobby Brown gründet. Erst im letzten Akt wirft Regisseurin Lemmons einen Blick auf die ganz persönlichen Schattenseiten des großen Erfolgs und des Erwartungsdrucks, der damit einhergeht.
Sieht man Houstons Abstieg in die Drogensucht und den familiären Zerfall, in dem sie gewissermaßen dasselbe durchlebt, das sie während ihrer Jugend bei ihren Eltern beobachten musste, dann scheint dies eine Aneinanderreihung von Klischees zu sein. Die Kunst imitiert das Leben und umgekehrt. Aber eben weil I Wanna Dance with Somebody wenige Beispiele liefert, wie konfliktbehaftet Houstons Ehe mit Brown war und wie sie mit der Situation umgehen musste, dass sie ihrer eigenen Familie in Geschäftsfragen vorgesetzt war, wirkt die zweite Hälfte der Biografie spürbar leerer, als sie sein sollte. Es gibt eine so gelungene wie wichtige Aussprache zwischen Produzent Clive Davis und Whitney Houston im letzten Drittel, die treffend das Dilemma zusammenfasst, in dem beide stehen und weshalb sie letztlich vermutlich nicht anders können. Doch es bleibt einer der wenigen Momente, in denen das Drama dem Anspruch gerecht wird, sich den Figuren auf entblätternde Weise zu nähern.
Dabei sind alle Elemente für eine so packende wie erleuchtende Biografie vorhanden. Allen voran das schauspielerische Talent vor der Kamera. Naomi Ackie besitzt eine tolle Ausstrahlung und bringt die Facetten der Künstlerin greifbar zur Geltung, während Stanley Tucci als Produzent Davis eine so fürsorgliche wie zerrissene Darbietung zeigt, hat er Houston anfangs doch versprochen, sich nicht in die privaten Angelegenheiten seiner Künstlerinnen und Künstler einzumischen. Nur wie kann man unbeteiligt bleiben, wenn ein Stern, den man selbst entdeckt und zu solchem Erfolg verholfen hat, vor den eigenen Augen zugrunde geht? Auch diese Frage stellt Kasi Lemmons leider nicht. Dass beim Nachstellen der ikonischen Wegstationen der Karriere die Trickeffekte zunehmend offensichtlicher werden, gerät dabei zur Nebensache.
Fazit:
Es gibt im Leben einer solchen Ausnahmekünstlerin sicherlich viel mehr Wegstationen, als man in einer filmischen Biografie abdecken könnte. Dass kein Wort über Whitney Houstons Kindheit verloren wird, scheint dennoch wie ein Versäumnis. Die eigentliche Erzählung begleitet den Aufstieg ebenso wie den Absturz, das Comeback bei Talkshow-Legende Oprah Winfrey 2009, bis ins Jahr 2012. Dass Regisseurin Kasi Lemmons das Publikum dennoch mit dem ikonischen Auftritt von Whitney Houston bei den American Music Awards 1994 verabschiedet, der ihren Titel „The Voice“ zementierte, ist nur passend. So soll die Künstlerin auf dem Höhepunkt ihres Schaffens in Erinnerung bleiben. Nichtsdestotrotz hätte man sich auch in größerem Umfang den Dämonen widmen können, mit denen sie in ihrem Leben zu kämpfen hatte. Es nicht zu tun, über weite Strecke die Ikone ins Zentrum zu rücken, sorgt dafür, dass die Songs Emotionen auslösen, während man angesichts des Werdegangs unbeteiligt bleibt. Die vielen Auftritte, die hier lange eingespielt werden, machen das Drama dabei nur länger, aber nicht packender. Wie sehr Whitney Houston und ihr Vermächtnis den Verantwortlichen bedeuten, ist spürbar und wenn nichts anderes, unterstreicht Whitney Houston: I Wanna Dance with Somebody, was für ein Talent die Welt so früh verloren hat.