A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando [2019]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 13. Juni 2019
Genre: Animation / KomödieOriginaltitel: Toy Story 4
Laufzeit: 100 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt
Regie: Josh Cooley
Musik: Randy Newman
Stimmen: Tom Hanks (Michael „Bully“ Herbig), Tony Hale, Annie Potts (Alexandra Ludwig), Christina Hendricks, Jordan Peele (Karim El Kammouchi), Keegan-Michael Key (Julian Manuel), Tim Allen (Walter von Hauff), Joan Cusack (Carin C. Tietze), Keanu Reeves (Michi Beck), Ally Maki (Sonja Gerhardt), Madeleine McGraw, Carl Weathers
Kurzinhalt:
Auch wenn Bonnie (Madeleine McGraw) immer öfter zu anderen Spielsachen greift, Cowboy-Sheriff Woody (Tom Hanks / Michael „Bully“ Herbig) ist nichts wichtiger, als dass sie glücklich ist. Darum schmuggelt er sich in ihre Tasche, als sie zum Begegnungstag der Vorschule gebracht wird, vor dem sie solche Angst hat. Weil niemand anderes mit ihr spielt, bastelt sie sich ihr eigenes Spielzeug aus einer Plastikgabel, die Woody im Müll findet – Forky (Tony Hale) wird geboren! Doch der will lieber zurück in den Müll. Weil Woody weiß, wie viel das Spielzeug Bonnie bedeutet, macht er sich auf die Suche nach Forky, als dieser bei einem Familienausflug verlorengeht. Dabei begegnet er unerwartet Porzellinchen (Annie Potts / Alexandra Ludwig), die er vor vielen Jahren für immer verloren glaubte. Während Buzz (Tim Allen / Walter von Hauff) und die übrigen Spielsachen verhindern müssen, dass Bonnie und ihre Eltern weiterfahren, machen sich Porzellinchen und Woody an eine Rettungsaktion, denn Forky wird von der Puppe Gabby Gabby (Christina Hendricks) in einem Antiquitätenladen festgehalten. Sie will etwas von Woody und ist bereit, alles zu tun, um es zu erhalten …
Kritik:
Zu sagen, dass A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando nicht der beste oder der zweitbeste Teil ist, klingt, als wäre die inzwischen dritte Fortsetzung der Animationsreihe, die vor beinahe 25 Jahren begann, ein schlechter Film. Das Gegenteil ist der Fall – mit Toy Story 4 hauchen die Macher den Figuren auf unerwartete Weise neues Leben ein, schreiben ihre Reise fort, ohne ein Ziel vorzugeben. Gleichzeitig behalten sie sich die Leichtigkeit und den Humor, bringen jedoch die existenziellen Ängste des älteren Publikums zum Ausdruck. So gelungen das ist, das Ende wird Fans der ersten Stunde eher traurig denn hoffnungsvoll stimmen.
Die Geschichte beginnt neun Jahre zuvor mit einer nächtlichen Rettungsaktion, die so packend in Szene gesetzt ist, dass sie mühelos als Finale eines anderen Animationsfilms dienen könnte. Am Ende des waghalsigen Manövers muss Woody von Porzellinchen Abschied nehmen, die ihm viel bedeutet. In einer kurzen Collage beim Vorspann zeigt Filmemacher Josh Cooley nochmals den Werdegang von Woody und der Gang, die von Andy zu Bonnie gekommen sind. Dort sind sie zu Beginn der eigentlichen Handlung immer noch, obwohl Woody erkennen muss, dass er nicht das wichtigste Spielzeug für Bonnie ist und immer öfter im Schrank zurückbleibt. Doch das hindert ihn nicht daran, sich mit ganzem Herzblut für Bonnie einzusetzen. Auch wenn sie keine Spielzeuge zum Orientierungstag der Vorschule mitnehmen soll, Woody schmuggelt sich selbst in ihre Tasche und hilft ihr, sich in der ungewohnten Umgebung zurechtzufinden. Dort erschafft sich Bonnie ein eigenes Spielzeug aus ein paar Dingen, die Woody im Müll findet: Forky. Und weil er genau weiß, wie wichtig Forky für Bonnie ist, setzt Woody alles daran, die suizidgefährdete Plastikgabel mit Augen vor dem Müll zu bewahren, in den er sich bereitwillig wirft, wann immer er die Gelegenheit erhält.
Das klingt inhaltlich alles recht oberflächlich und weit von dem düsteren Touch des vergangenen Abenteuers um das zum Leben erweckte Spielzeug entfernt. Aber Pixar wäre nicht Pixar, würde nicht mehr dahinterstecken. So offenbaren sich in den Gesprächen zwischen Woody und Forky die Ängste, die Hauptfigur Woody zusehends belasten. Forky, der sich als Müll und zum Spielzeug umfunktioniert zweckentfremdet sieht, muss seine eigentliche Aufgabe erst noch lernen. Woody hingegen war Andys Lieblingsspielzeug und fühlt sich bei Bonnie inzwischen ohne eine Aufgabe. Aber wenn er eigene Interessen verfolgt, wäre er dann nicht verantwortlich dafür, dass Bonnie unglücklich würde?
In gewisser Hinsicht sind die Spielzeuge in den Toy Story-Filmen ein Spiegelbild für die Eltern, die ihre Kinder großziehen. Wann sorgen sie sich zu sehr, wann zu wenig und irgendwann müssen sie von ihren Kindern loslassen. Das allein wäre schwer genug, doch sein eigenes Leben wieder in die Hand zu nehmen, eine andere, erfüllende Aufgabe zu finden, ist eine wahre Herausforderung, die hier auf Woody zukommt.
Dieser Kontext allein verleiht A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando eine zusätzliche Erzählebene, die jedoch dem älteren Publikum vorbehalten ist. Die Jüngeren können sich davon mitreißen lassen, wie Woody alles daran setzt, den bei einem Familienausflug verloren gegangenen Forky für Bonnie zu finden. Dabei trifft er unverhofft auf Porzellinchen, die in der langen Zeit viel erlebt und ihr Leben selbst in die Hand genommen hat. Gemeinsam müssen sie Forky aus der Hand der Puppe Gabby Gabby befreien, die mit ihren Helfern (Bauchrednerpuppen, die auf eine lustige Weise einem Horrorfilm entsprungen sein könnten) über einen Antiquitätenladen herrscht und es auf Woody abgesehen hat. Buzz Lightyear startet unterdessen einen eigenen Rettungsversuch und trifft auch auf neue Spielzeuge, während Jessie und Bonnies übrige Spielsachen dafür sorgen müssen, dass das Wohnmobil der Familie nicht weiterfährt.
Man kann hier bereits herauslesen, dass Toy Story 4 Woodys Geschichte ist. War er von Beginn der Reihe an die Hauptfigur, waren er und Buzz aber doch gleichberechtigt und die übrigen Spielzeuge wie Rex, Slinky & Co. mit eingebunden. Sie werden hier zu Randfiguren, was überaus schade ist.
Handwerklich gelingt den Machern erneut ein Sprung nach vorn, was sich aber nicht nur auf die zur Schau gestellte Technik bezieht. Sicher, die Tiefenschärfe, Oberflächen oder der Regen zu Beginn besitzen einen nie gesehenen Realismus, so dass man oft das Gefühl hat, ein Foto denn ein Animationsfilm zu sehen. Auch der Jahrmarkt am Ende oder der staubige Antiquitätenladen sind schlicht atemberaubend. Trotzdem behalten die bekannten Figuren ihr Aussehen und ihren Charme bei. Sie sind vielleicht detailreicher, aber immer noch sie selbst. Gleichzeitig offenbaren sich viele subtile Feinheiten: Bonnies angsterfüllter Blick auf dem Weg zur Vorschule, Woodys Traurigkeit, wenn er Porzellinchen gehen lassen muss – es verschlägt einem beinahe die Sprache, wie die Figuren ohne Worte ihre Emotionen treffend zum Ausdruck bringen.
Aber das ändert nicht die Frage, ob A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando eine notwendige Fortsetzung ist. Am Ende des dritten Films war die ursprüngliche Truppe zusammen bei Bonnie und die Möglichkeiten waren unendlich, wie ihre künftigen Abenteuer aussehen könnten. Am Ende von Toy Story 4 sind zumindest die Möglichkeiten ebenso endlos, aber den ersten Punkt nehmen die Macher wieder weg. Die Geschichte damit enden zu lassen, würde sich nicht richtig anfühlen und würde den Charakteren auch nicht gerecht.
Fazit:
Mit Duke Caboom, der sogar einen erstklassigen Gag nach dem Abspann erhält, aber auch mit den zusammengenähten Bunny und Ducky sowie Giggle McDimples stellen die Macher tolle neue Figuren vor, die für viele Lacher sorgen. So bleibt auch A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando ein amüsanter und hervorragender Unterhaltungsfilm für die ganze Familie. Woodys Reise, bei der er erkennen muss, dass um selbst glücklich zu werden, er in Kauf zu nehmen hat, dass andere es womöglich nicht sind, ist eine lehrreiche Lektion, das persönliche Glück nicht zu vernachlässigen. Sie verleiht der Geschichte eine melancholische und hoffnungsvolle Note, die in einem sehr emotionalen Finale mündet, das die Karten unter den Figuren neu mischt. Die Frage wird sein, was die Pixar-Künstler daraus machen werden. Toy Story 4 bietet einen gelungenen Schwanengesang für die meisten Figuren und ein zu Tränen rührendes Ende für die unwahrscheinliche Freundschaft, mit der alles begann. Nur sollte das nicht der Abschluss sein. Für Fans der Figuren gibt es hier viel zu entdecken, wenn auch nicht so viel mitzufiebern wie im vorigen Teil. Es mag nicht der beste Toy Story-Film sein, aber deshalb ist er trotzdem eine so starke und sehenswerte Fortsetzung in einer bahnbrechenden Filmreihe, wie nur Pixar sie machen kann. Schon deshalb ist sie sehens- und uneingeschränkt empfehlenswert. Und darüber hinaus ein beeindruckendes Spielfilm-Regiedebüt von Josh Cooley.