Tintenherz [2008]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. November 2010
Genre: Fantasy / Action

Originaltitel: Inkheart
Laufzeit: 106 min.
Produktionsland: Deutschland / Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2008
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Iain Softley
Musik: Javier Navarrete
Darsteller: Brendan Fraser, Sienna Guillory, Eliza Bennett, Richard Strange, Paul Bettany, Helen Mirren, Matt King, Steve Speirs, Jamie Foreman, Stephen Graham, Andy Serkis, John Thomson, Rafi Gavron, Jennifer Connelly, Jim Broadbent


Kurzinhalt:
Vor einer Buchhandlung in der Schweiz steht der Restaurator Mo (Brendan Fraser) urplötzlich Staubfinger (Paul Bettany) gegenüber. Dieser bittet Mo eindringlich darum, ihn dorthin zurück zu bringen, wo er vor über zehn Jahren hergekommen war. Mo flieht mit seiner Tochter Meggie (Eliza Bennett) zu deren Großmutter Elinor (Helen Mirren). Dort erfährt das Mädchen, dass ihr Vater die Gabe besitzt, Bücher durch Vorlesen zum Leben zu erwecken. Als Staubfinger und einige Schergen seiner Geschichte vor 12 Jahren aus dem Buch kamen, verschwand Meggies Mutter Resa (Sienna Guillory) in das Buch hinein. Seither ist Mo auf der Suche nach einer Ausgabe des Romans.
Aber auch die Schurken von damals, angeführt von Capricorn (Andy Serkis) sind auf der Suche nach Mo. Dieser soll den Bösewicht 'Schatten' aus dem Roman herauslesen. Als Mo, Meggie und Elinor von Capricorns Leuten gekidnappt werden, und dieser die letzte Ausgabe des Buches, in dem Resa gefangen ist, vernichtet, scheint alles verloren. Die letzte Hoffnung ist der Romanautor Fenoglio (Jim Broadbent) ...


Kritik:
Wenn man eine gute Geschichte liest, erweckt man sie vor dem geistigen Auge zum Leben. Es ist etwas anderes als ein Film und viel mehr als bloße Worte auf dem Papier. Man kann ein Teil davon sein, oder nur ein Beobachter, man entdeckt Details, die nicht geschrieben stehen und sieht die Gesichter der Figuren mit allen Einzelheiten, auch wenn man sie meist nicht beschreiben könnte. Aber wie wäre es, wenn jemand das Gelesene tatsächlich zum Leben erwecken könnte? Wenn diejenige Person die Zeilen liest und diese im selben Moment Realität werden? Es ist eine faszinierende Ausgangsidee, die Autorin Cornelia Funke in ihrer Tintenwelt-Trilogie erkundet. Der Roman Tintenherz erschien 2003, gefolgt von Tintenblut [2005] und Tintentod [2007]. Man ließ sich trotz des Erfolges von Fantasy-Autorin J. K. Rowling mit ihrer Harry Potter-Saga sehr lange Zeit, ehe Tintenherz filmisch umgesetzt wurde. Der Erfolg der zwar nicht ganz so aufwändigen, aber nichtsdestoweniger kostspieligen Produktion hielt sich in Grenzen und es darf bezweifelt werden, ob ein weiterer Roman der Reihe verfilmt werden wird. Sieht man sich Iain Softleys Fantasy-Mär an, kann man auch schnell erkennen wieso, denn trotz der interessanten und einfallsreichen Ausgangslage, bleibt der Film überraschend magielos.

Ein jeder Zuschauer weiß, wie Harry Potter beginnt und hoffentlich ebenso viele, wie Die unendliche Geschichte [1979] von Michael Ende seinen Anfang nimmt. Beiden ist gemein, dass sie in einer normalen Welt anfangen und man als Leser/Zuseher mit den Protagonisten eine zauberhafte Welt entdeckt, die neben unserer eigenen existiert. Die Titenherz-Verfilmung setzt 12 Jahre an, nachdem Zauberzunge Mo seine Gabe, das gelesene Wort zum Leben zu erwecken, entdeckt hat. Man wird wie seine Tochter Meggie vor vollendete Tatsachen gestellt und somit jeder wundersamen Überraschung beraubt. Es gibt den Figuren gleichzeitig eine andere Motivation, immerhin weiß man zu Beginn gar nicht, weswegen der Buchrestaurator Mo von einer entlegenen Buchhandlung in Europa zur nächsten fährt, auf der Suche, nach einem bestimmten Werk. Man kann sich seine Verzweiflung, seine Hoffnungslosigkeit nach all den Jahren nicht vorstellen, weil man erst viel später gezeigt bekommt, was ihm genommen wurde. Insofern ist der Start in die Tinten-Welt eine sehr holprige und wird auch dadurch nicht einfacher gemacht, dass man die Gesetzmäßigkeiten von Mos Gabe häppchenweise erfährt, anstatt in einem klärenden Gespräch alles gesagt zu bekommen. Nicht, dass die Ausführungen zu akzeptieren dabei einfach wäre, ganz im Gegenteil – immerhin ist es laut Mo so, dass für jede Figur, die er aus einem Buch heraus liest, also lebendig werden lässt, eine andere Person in das Buch hinein gelesen wird. Wie das überhaupt funktioniert, wenn er verschiedene Ausgaben ein und desselben Werkes verwendet, ob die Figuren also nicht an die Ausgabe, sondern an die Geschichte gebunden sind, bleibt unbeantwortet. Irgendwann ist es so weit, dass Mo der Romanfigur Staubfinger gegenüber steht, die er vor zwölf Jahren, zusammen mit anderen Charakteren aus einem Buch gelesen hat. Damals verschwand seine Frau Resa, die wohl in die Geschichte hinein gelesen wurde und Mo samt der kleinen Meggie zurückließ. Staubfinger möchte wieder in seine Geschichte zurück, Mo seine Frau wieder haben, doch die Schurken jener Geschichte, die Mo damals mit zum Leben erweckte, sind samt dem Buch geflohen und suchen ihrerseits Mo, der ihnen Schätze und andere Dinge aus den Werken in die richtige Welt holen soll.

Die Situation wäre durchaus verzwickt und ebenso bedrohlich, immerhin könnte Mo genauso gut gezwungen werden, die Sintflut aus der Bibel herauszulesen, oder sonst eine Katastrophe. Aber stattdessen gibt sich der Bösewicht Capricorn mit Schatzkisten, Flößen oder anderem zufrieden. Auf die Idee, den gefürchteten 'Schatten' aus seinem Buch "Tintenherz" zu holen, kommt ihm wohl recht spät und erst wenn diese am Computer animierte Figur im Film auftaucht hat man wirklich das Gefühl, die Figuren könnten in Schwierigkeiten stecken. Bis dahin kann sich Tintenherz nicht entscheiden, was es sein will, verzichtet auf Furcht einflößende Bösewichte, oder eben Mos Verzweiflung ob der Suche nach seiner Frau. Werden alle "guten" Figuren auf einmal entführt, gibt es auch keinen Wettlauf des Helden, der die Bösewichte einholen und seine Tochter befreien muss und wenn die schrullige Großmutter auf dem Mofa zur Rettung eilt (lockere Sprüche vor sich hinbrabbelnd), dann kann man nur unverständig den Kopf schütteln.
Regisseur Iain Softley entwickelt leider keine Spannung in seinem Werk, der Szenenaufbau wirkt unstrukturiert, die Abfolge der Dramaturgie wenig hilfreich. Während die Masken überzeugen und auch die Bauten Stand halten, sieht man die Spezialeffekte recht offensichtlich. Der Unterhaltung abträglich ist auch die oberflächliche, unpassend eingespielte Musik von Javier Navarrete, der sich mehr um die humorvollen Aspekte bemüht, wie um die Tragischen. Das wirkt am Ende zu uneinheitlich, zu wenig packend und angesichts des Ausgangsmaterials schlicht enttäuschend.


Fazit:
Nicht nur, dass Brendan Fraser Cornelia Funkes Traumbesetzung für die Rolle des Mo war, sie selbst fungierte sogar als Produzentin und wollte absichtlich keine deutsche Adaption ihres Buches. Mit ihren Büchern begeistert sie Millionen Leser, von denen sich viele von der Verfilmung enttäuscht zeigten. Man muss die Vorlage nicht gelesen haben, um die Enttäuschung zu verstehen.
Unstrukturiert erzählt, behäbig und uncharmant zeigt sich Tintenherz von einer wenig vorteilhaften Seite. Das Gezeigte ist nicht spannend, lässt in der Konsequenz all jene Magie vermissen, die man mit der Ausgangsidee verbinden würde und wirkt gleichzeitig zu oberflächlich und verkrampft lustig, anstatt spürbar werden zu lassen, was für die Figuren auf dem Spiel steht.
Die Darsteller sind dabei für sich genommen zwar nicht uncharismatisch, bilden jedoch keine Einheit und wirken nie natürlich. Das ist mehr als nur bedauerlich, es wirkt, unter Berücksichtigung der Vorlage, beinahe schon fahrlässig.