The Inside: "New Girl in Town" [2005]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 31. Dezember 2005
Genre: Thriller / DramaOriginaltitel: The Inside: "New Girl in Town"
Laufzeit: 41 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Tim Minear
Musik: Robert J. Kral
Darsteller: Rachel Nichols, Adam Baldwin, Katie Finneran, Nelsan Ellis, Jay Harrington, Peter Coyote, Virginia Williams, Henri Lubatti, Brett Rickaby, Darby Stanchfield, Billy Maddox, John Keefe
Kurzinhalt:
Das Sonderkommando des "Violent Crimes Unit" des FBI-Büros in Los Angeles unter der Leitung von Special Agent Virgil "Web" Webster (Peter Coyote) ist auf Gewaltverbrechen spezialisiert und jagt seit über einem Jahr einen Serienkiller, der bereits acht Frauen grausam verstümmelt und getötet hat. Da scheint es, als sei ein Mitglied des Teams dem Täter zum Opfer gefallen.
So holt sich Webster die junge, unerfahrene Special Agent Rebecca Locke (Rachel Nichols) an Bord, die eine tragische Kindheit erlebte, und von der Webster entgegen der Meinung der übrigen Teammitglieder SA Danny Love (Adam Baldwin), SA Melody Sim (Katie Finneran) und SA Paul Ryan (Jay Harrington) überzeugt ist, dass sie eine Gabe besitzt, die sie in die Haut von Opfer und Täter zugleich schlüpfen lässt.
In der Tat kann Rebecca erste Erfolge erzielen, doch da erkennt Ryan plötzlich, dass die junge Agentin nicht nur ein Talent für die Arbeit besitzt, sie passt auch in das Profil der Opfer – Webster scheint sie nicht nur für ihre Begabung an Bord geholt zu haben, sondern auch, um sie als Lockvogel für den Täter zu benutzen ...
Kritik:
Dass die amerikanischen Fernsehsender unter Zugzwang stehen, steht außer Frage; mit C.S.I. – Tatort Las Vegas [seit 2000] (durchschnittlich 27 Millionen Zuschauer), CSI: Miami [seit 2002] (ca. 19 Millionen) und C.S.I.: NY [seit 2004] (ca. 13 Millionen) beherrscht der US-Sender CBS einen Großteil der wöchentlichen Abendunterhaltung. Bislang waren nur wenige Formate, darunter zahlreiche Reality-TV-Sendungen und American Idol [seit 2002] – das US-Pendant zu Deutschland sucht den Superstar [seit 2002] – der Vorherrschaft der CSI-Serien gewachsen. Im Herbst 2004 konnte immerhin ABC mit Desperate Housewives [seit 2004] (20 Millionen) und Lost [2004-2010] (18 Millionen) an Boden Gewinnen.
Mit The Inside versuchte der Sender FOX, ein neues Format auf die Beine zu stellen, das mit seiner düsteren Erzählweise und einem ähnlichen Stil CSI Paroli bieten sollte; doch nach nur 13 Episoden wurde die Serie wieder eingestellt.
Woran es letztlich scheiterte, ist schwer einzuschätzen, denn ganz ohne Zweifel versucht The Inside, sich etwas anders zu platzieren als die Konkurrenz; mit einer sehr düsteren Atmosphäre, die stark an Sieben [1995] und Das Schweigen der Lämmer [1991] erinnert, einer sehr jungen (und noch jünger aussehenden) Hauptdarstellerin und einem Team, das mehr Ecken und Kanten besitzt, als irgendein anderes Ermittlerteam. Doch der Genremix mit Elementen aus CSI, der Betonung von Tatorten und Beweisen, gemischt mit leicht übersinnlichen Vorahnungen der Protagonistin, die wiederum an Profiler [1996-2000] erinnern, wirkt nicht wirklich stimmig, und wäre es nicht um die soliden – aber wenig geforderten – Darsteller und die durchweg gute Inszenierung, würde The Inside sichtlich schlechter abschneiden.
Würde inhaltlich nur die Mischung der verschiedenen Genres stören, könnte man darüber noch hinweg sehen, es ist jedoch die Art und Weise, wie die Mitglieder der Spezialeinheit vorgestellt werden, die einen eher von den Figuren entfernt, als ihnen näher bringt.
Während sowohl Rebecca Locke, als auch Paul Ryan durchweg sympathisch erscheinen, da sie sich angesichts der grausigen Szenerie ihre Menschlichkeit bewahrt haben, wirkt Virgil Webster eher abschreckend, als vertrauenerweckend. Als Charakter ist er sicherlich ausbaufähig, doch fragt man sich einfach, wie er ein Team zusammenhalten kann. Auch die beiden anderen Teammitglieder bieten bislang keine neuen Aspekte, vor allem scheinen sich überhaupt keine Freundschaften während der langjährigen Zusammenarbeit entwickelt zu haben, was es einem als Zuseher sichtlich schwierig macht, Zugang zu den Figuren zu finden.
Auch inhaltlich bietet "New Girl in Town" wenig neue Ansätze, die Motivation des Killers ist ebenso altbekannt, wie die Vorgehensweise des Teamleiters – umso ärgerlicher ist, dass nach dem vermeintlichen Finale ein weiteres aufgesetzt wird, das ebenso klischeehaft, wie vorhersehbar ist.
Die Dialoge sind dabei zwar nicht schlecht, lassen jedoch Feinschliff vermissen und erinnern gerade in Bezug auf Rebecca Locke und Virgil Webster zu stark an Clarice Starling aus Schweigen der Lämmer, beziehungsweise Gil Grissom aus C.S.I., um dem Genre neues Leben einzuhauchen. Die Story bleibt dennoch unheimlich und bedrückend, aber wenig innovativ und vor allem für einen Pilotfilm (gerade mit den neuen Figuren) schlicht zu kurz; hieraus hätte man ohne weiteres einen Zweiteiler stricken können.
Die Besetzung setzt sich aus teils bekannten, teils unverbrauchten Gesichtern zusammen, allen voran das ehemalige Model Rachel Nichols, die erst seit wenigen Jahren im Filmgeschäft vertreten ist, und bis auf The Amityville Horror [2005] keine nennenswerten Auftritte verzeichnen kann – dafür war sie aber ab der fünften Staffel in Alias – Die Agentin [2001-2006] mit dabei. Sie macht ihre Sache gut, auch wenn ihr sichtlich eine natürliche Ausstrahlung fehlt und ihre Rolle damit etwas eindimensional bleibt. Dass sie jedoch darin hineinwachsen könnte, ist unbestritten.
Zusammen mit Jay Harrington stellt sie eine der wenigen Sympathieträger der Serie dar, und auch Harrington scheint in seinem Auftreten unterkühlt, doch immerhin agiert der Darsteller überzeugend.
Auch Adam Baldwin und Katie Finneran mimen ihre Rollen gut, lassen aber sowohl Charisma, als auch bemerkenswerte Szenen vermissen.
Was sich hinter Peter Coyotes Serienfigur verbirgt, soll man als Zuschauer wohl noch herausfinden, doch im Gegensatz zu vielen Serienkollegen merkt man ihm seine Präsenz und Autorität als Anführer der Truppe nicht an. Denkt man hier beispielsweise an Eric Roberts Auftreten in der kurzlebigen Serie C-16: Spezialeinheit FBI [1997-1998], kann man ohne weiteres verstehen, weswegen sein Team ihm bedingungslos folgte, wohingegen man bei Coyote nicht nachvollziehen kann, was seine Teammitglieder eigentlich bei ihm hält.
Von Nelsan Ellis ist wenig zu sehen, auch wenn er in den kommenden Episoden wohl stärker zum Einsatz kommen soll. Eine gute, wenn auch nicht sehr vielschichtige Darbietung gibt auch Brett Rickaby, der aber ebenfalls nur kurz zu sehen ist.
Hinter den Kulissen konnte man dabei auf eine bekannte und auch renommierte Riege zurückgreifen: das Hollywood-Produzentenduo Ron Howard und Brian Grazer waren ebenso als Produzenten zur Stelle, wie Howard Gordon (Akte X - Die unheimlichen Fälle des FBI [1993-2002], 24 [2001-2010]) und Tim Minear, der den Pilotfilm gar selbst inszenierte.
Minear ist im Fernsehgeschäft kein Unbekannter, inszenierte bereits Episoden von Angel - Jäger der Finsternis [1999-2004] und der kurzlebigen Science Fiction-Serie Firefly [2002-2003], für die er auch als Autor verantwortlich zeichnete. An seiner handwerklichen Umsetzung gibt es kaum etwas zu bemängeln, auch wenn die Optik mit dem leicht körnigen Filter und den starken Kontrasten (auch beim Makeup) gewöhnungsbedürftig ist. Dass man auch in der Gewaltdarstellung keine Kompromisse einging, konnte dadurch gelöst werden, dass die Serie erst spät abends gezeigt wurde, und auch wenn man bei der realistischen Darstellung der Gewalttaten nicht sehr viel zu sehen bekommt, allein bei der Vorstellung der Verstümmelungen sollte man etwas stärkere Nerven mitbringen.
Sicherlich ungewöhnlich und in gewissem Sinne auch störend sind manche Szenenübergänge, die mit grellen Farben und leicht unterlegten Bildern der Opfer (oder des Täters) versehen sind. Das besitzt zwar im ersten Moment einen gewissen Schockmoment, scheint aber letztlich reißerisch und unnötig.
Kamera und Schnitt sind indes solide und überzeugen gerade in der zweiten Hälfte der Episode mit ein paar interessanten Einstellungen, in denen sich der Hintergrund schneller bewegt, als die im Fokus befindliche Hauptfigur. So innovativ wie C.S.I. ist das zwar nicht, aber aus der Stilrichtung kann man, mit ein paar kleinen Änderungen, eine wirklich interessante Umsetzung realisieren.
Musikalisch gibt sich der australische Komponist Robert J. Kral routiniert, war bisher überwiegend bei TV-Serien (darunter auch Angel) beschäftigt und sucht mit einer Stilmischung aus atmosphärischen, basslastigen Klängen und einigen choralen Einschüben einen anderen Ansatz.
Versierte Zuschauer wird das an Howard Gordons kurzlebige Serie Geheimprojekt X - Dem Bösen auf der Spur [1999] erinnern, und auch zum Teil an Mark Snows Kompositionen zu Millennium [1996-1999], wenn auch bei weitem nicht so disharmonisch. Auch hier sind die Parallelen zu den drei CSI-Serien unverkennbar, auch wenn sich die jeweils untereinander durch andere Instrumentierungen und Tempi unterscheiden.
The Inside sucht da den goldenen Mittelweg und scheint doch keinen zu finden. Statt eine rein orchestrale Musik einzusetzen, wie sie beispielsweise bei Sieben für Gänsehautstimmung sorgte, gibt es hier einen bekannten Mix zu hören, der zwar durchaus zu den Szenen passt, aber (wie schon beim Vorspann) zu sehr an die großen Vorbilder erinnert, um neue Akzente setzen zu können. Stimmungsvoll ist das jedoch allemal.
Gedreht in den Studiohallen, die zuvor Buffy - Im Bann der Dämonen [1997-2003] beherbergten, war der Beginn für The Inside alles andere als einfach; zwei zusätzliche Pilotfilme wurden gedreht, Produzenten ausgetauscht, das gesamte Konzept umgekrempelt und auch alle Darsteller bis auf Rachel Nichols ausgewechselt.
"Eigentlich sollte das ursprüngliche Konzept von The Inside ähnlich dem von 21 Jump Street - Tatort Klassenzimmer [1987-1991] sein. Aber es wurde dann so etwas wie Schweigen der Lämmer für's Fernsehen", gestand Tim Minear in einem Interview – er wurde angeblich zum Projekt hinzugenommen, um das Konzept grundlegend zu überarbeiten, auch war er es, der etwas trockenen Humor in die Serie mit einbrachte.
Geholfen hat es im Endeffekt nicht wirklich, die Quoten in den USA waren katastrophal, und der Sender FOX entschied, die Serie nach den georderten 13 Episoden nicht zu verlängern. Ob auf dem geplanten (aber auch nach Jahren noch nicht angekündigten) DVD-Box-Set auch die zwei nicht ausgestrahlten Pilotfilme enthalten sein werden, ist unbekannt. Interessenten können sich also ohne weiteres die Zeit nehmen, in The Inside reinzuschauen, denn auch wenn es bessere Serien im Fernsehen gibt, bei der düsteren Thrillerserie ist immerhin ein Ende absehbar.
Fazit:
Jemand sagte einmal, dass auf jedes verfilmte Skript in Hollywood knapp 1000 kommen, die nicht umgesetzt werden. The Inside wurde gleich drei Mal verfilmt, jeweils mit einem anderen Ansatz, ehe die Serie vom Sender aufgenommen und weitere Episoden geordert wurden.
Vielleicht liegt es ja an diesem Entwicklungsprozess, weswegen die grimmige Thrillerserie einen etwas unbeholfenen Genremix darstellt. Ein Team vorzustellen, das nicht wie üblich eingeschworen ist und sich bestens verträgt, mag ein guter Ansatz sein, der aber dann an Glaubwürdigkeit verliert, wenn man bedenkt, dass sie schon seit Jahren zusammen arbeiten sollen.
Die darstellerischen Leistungen sind großteils solide und auch handwerklich gibt es nicht viel auszusetzen; einzig inhaltlich lässt der Pilofilm "New Girl in Town" zu wünschen übrig, denn während das Finale aufgesetzt erscheint und auch vorhersehbar, machen die Charaktere einen zu steifen, zu gekünstelten Eindruck. Und bei einem Team mit nur zwei Sympathieträgern schaltet man – schon angesichts der Konkurrenz im TV – eben höchstwahrscheinlich nicht wieder ein.