The Dive [2023]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 7. April 2024
Genre: Thriller

Originaltitel: The Dive
Laufzeit: 91 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Maximilian Erlenwein
Musik: Volker Bertelmann, Raffael Seyfried
Besetzung: Louisa Krause, Sophie Lowe, Shire Richardson, Stella Uhrig, David Scicluna


Kurzinhalt:

Der gemeinsame Tauchausflug von May (Louisa Krause) und ihrer Schwester Drew (Sophie Lowe) ist an sich die beste Möglichkeit, dass sich die Geschwister wieder näherkommen können. Selbst wenn der Schatten der Vergangenheit immer noch auf ihnen lastet. Zwar ist auch Drew erfahren, May allerdings eine professionelle Taucherin und mit Kenntnis der abgelegenen Örtlichkeit. Ziel ist eine verborgene, kleine Unterwasserhöhle, die sie auch finden. Doch als sie sich an den Aufstieg machen und kurz davor sind, sich auszusprechen, wird May von in das Meer fallendem Geröll erfasst und in die Tiefe gezogen. Drew kann ihre Schwester zwar am Grund, 30 Meter unter der Wasseroberfläche ausfindig machen, aber nicht nur, dass May eingeklemmt ist, der Sauerstoffvorrat hält nur noch für 20 Minuten. So muss Drew versuchen, in Windeseile an Land zu kommen, um eine weitere Pressluftflasche zu holen und irgendeinen Weg zu finden, ihre Schwester zu befreien. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit …


Kritik:
Maximilian Erlenweins Remake des nordischen Überlebensthrillers Breaking Surface [2020] gelingen manche Aspekte derart gut, dass es durchaus enttäuscht, wenn der Film den eigenen Ansprüchen in anderen Belangen nicht gerecht wird. Mit einer durchaus engagierten, minimalistischen Besetzung und einer ebenso einfachen Erzählung konzentriert sich The Dive mehr auf das Erlebnis, denn die Geschichte. Doch statt sich vollends darauf einzulassen, wartet das Drehbuch mit Ideen auf, die nie auch nur ansatzweise weiterverfolgt werden. Das macht die Story schwerer, als sie sein müsste.

In deren Zentrum stehen die Schwestern May und Drew, die zum Tauchen nach einer Unterwasserhöhle aufbrechen. Sie sind mit dem Mietauto an der Küste unterwegs und ihr kurzer Austausch mit den teils einsilbigen Antworten verrät bereits, dass das Verhältnis der Geschwister nicht das beste ist. Etwas muss vorgefallen sein, das das Verhältnis von May zu ihrer Mutter belastet, woraufhin May sich zurückgezogen hat. Auch wenn beide erfahrene Taucherinnen sind, May ist die erfahrenere und hat den aktuellen Tauchgang geplant. Doch nachdem ihre Gespräche in der Höhle nochmals ernster geworden sind, May Drews Anmerkung ausweicht, dass sie das Gefühl habe, man müsse May zu solchen Ausflügen überreden, wandelt sich der Trip durch in das Wasser fallendes Geröll zu einem Alptraum. May wird 30 Meter unter der Wasseroberfläche zwischen riesigen Steinen eingeklemmt und es bleibt Drew kaum Zeit, ihre Schwester zu retten, wobei ihnen beiden die Luft auszugehen droht.

Mit wenigen Dialogzeilen und ebenso wenigen Handlungsweisen der Figuren etabliert Filmemacher Erlenwein seine Protagonistinnen als Expertinnen auf ihrem Gebiet und definiert trotz ihrer Gemeinsamkeiten die Abgründe, die sich zwischen ihnen auftun. Sei es, wenn sie in der Bucht ein kleines Lager mit zusätzlichen Pressluftflaschen aufbauen, oder wenn May mit lebensrettender Ausrüstung den Tauchgang beginnt, der sie durch eine klaustrophobisch enge Felsspalte führt. Zu sehen, wie sicher May und Drew mit ihrer Ausrüstung umgehen, wie sie den Sauerstoff in ihren Flaschen nutzen, um in der kleinen Höhle eine Luftblase zu erzeugen, ist ebenso eindrucksvoll, wie wenn sie später regelmäßig die Flaschen und Masken wechseln, als ihnen merklich der Sauerstoffvorrat ausgeht. The Dive erweckt zumindest den Eindruck einer technischen Expertise, der durch die handwerkliche Umsetzung nur noch unterstrichen wird.

Lichtet sich ein wenig der Staub von dem Geröll, das ins Wasser gefallen ist und die Sicht beinahe unmöglich gemacht hat, kann man sich wie zuvor in den Unterwasseraufnahmen verlieren, die nicht den Eindruck erwecken, sie seien im Studio entstanden. The Dive erscheint auch auf Grund der Vielzahl der Szenen, die in der Tiefe spielen und bei denen die Gesichter der Schauspielerinnen zu sehen sind, in einem Maße aufwändig, wie es schlichtweg überrascht. So erzeugt der Thriller mühelos die Illusion, diese Figuren würden um ihr Überleben kämpfen und wenn May oder Drew die Luft anhalten, um ohne Sauerstoffflaschen als Apnoetaucherinnen die letzten rettenden Sekunden bis zum Eintreffen des Nachschubs zu überstehen, merkt man, wie einem auch beim Zusehen der Atem stockt.

Die Zeit ist denkbar knapp und da kein Versuch der Rettung funktioniert, geschweige denn nach Plan verläuft, gäbe es an sich genügend Gründe, mit den Figuren mitzufiebern. Doch dafür braucht es Charaktere, mit denen sich das Publikum auch identifizieren kann. Was immer der Konflikt gewesen sein mag, der May und Drew entzweite, er wird nie vernünftig aufgelöst oder erklärt. Zwar werden beide Schwestern von Erinnerungen heimgesucht, die sie als Kinder beim Tauchen oder Spielen im Wasser zeigen, und dass ihr Vater auch darin verwickelt sein muss, steht außer Frage. Doch diese Erinnerungsfetzen immer wieder einzustreuen, ohne dass es ein bereinigendes Gespräch gibt, erweckt den Eindruck, als wollte das Drehbuch die Figuren damit interessant gestalten, ohne sie eingehend entwickeln zu müssen. May und Drew mit einem emotionalen „Ballast“ zu versehen, der aber nicht aufgearbeitet wird, macht es vielmehr schwerer, sich in sie hineinzuversetzen. Was, wenn die Geschwister unzertrennlich wären, wenn die schiere Möglichkeit des Verlusts für die jeweils andere nicht auszuhalten wäre? Es würde zumindest dafür sorgen, dass The Dive von sympathischen Figuren getragen würde, denen man gerne folgt. So allerdings kann man die Protagonistinnen schlicht gar nicht einschätzen.

Auch wenn dies dazu führt, dass Maximilian Erlenweins Überlebensthriller nicht so sehr packt, wie man erhofft, es schmälert nicht, was dem Filmemacher in handwerklicher Hinsicht gelingt. Sieht man also über die oberflächlichen und teils recht ungelenk anmutenden Charakterisierungen hinweg, kann man sich bei The Dive nicht nur unterhalten lassen. Versetzt man sich in die Situation der Figuren, ist was ihnen widerfährt geradezu beängstigend.
Auch deshalb ist es bedauerlich, dass die Heimvideoveröffentlichung von EuroVideo Medien keinerlei Extras mitbringt, die Aufschluss über die Dreharbeiten geben. Einige verblüffend lange Einstellungen lassen dabei nicht nur den beeindruckenden, körperlichen Einsatz der beiden Hauptdarstellerinnen erahnen, sondern verdeutlichen auch den Aufwand hinter der Produktion im Allgemeinen. Es wäre schön gewesen, hierzu Einblicke zu erhalten. Fans des Thrillers können sich indes über eine ansprechende Präsentation freuen, die – bei der getesteten DVD – auch dank des soliden Tons kaum Wünsche offen lässt.


Fazit:
Obwohl absehbar ist, welchen Verlauf die Geschichte nimmt, wie viele Versuche Drew erfolglos unternimmt, ihre eingeschlossene Schwester zu befreien, ist durchaus schweißtreibend. Dabei beeindruckt, wie viele technische Details Regisseur Maximilian Erlenwein vorstellt. Doch diese zahlreichen Erläuterungen machen es auch schwer, sich auf die Figuren zu konzentrieren, die nie greifbar werden. Was man letztlich mitnimmt, ist, dass May in der Tiefe über ihre traumatischen Erlebnisse, die zum Bruch mit ihrer Familie führten, grübelt, während Drew zunehmend der Panik zu verfallen droht. Dass sich die Verantwortung zwischen ihnen umkehrt, ist eine gelungene Idee, nur führt sie am Ende zu keiner Klärung des Konflikts. Ohne charakterliche Tiefe oder die Hintergründe zu erläutern und da es bei Andeutungen der Ursachen des Zerwürfnisses bleibt, hätten auch die vielen Rückblenden ausbleiben können, die nur die Laufzeit anheben. Hier liegt Potential brach, was es unnötig schwer macht, mit den nie vollends sympathischen Protagonistinnen mitzufiebern. Abgesehen davon jedoch, ist The Dive von den beiden Hauptdarstellerinnen engagiert gespielt und mit den toll eingefangenen Unterwasseraufnahmen handwerklich beeindruckend in Szene gesetzt. Genrefans werden an dem schnörkellosen, durchaus spannenden, Überlebensthriller ihre Freude haben.



The Dive-Packshot The Dive
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ab 18. April 2024 als Blu-ray, DVD und TVoD
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