The Crow [2024]

Wertung: 1 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 5. September 2024
Genre: Fantasy / Drama

Originaltitel: The Crow
Laufzeit: 111 min.
Produktionsland: Großbritannien / Frankreich / USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 18 Jahren

Regie: Rupert Sanders
Musik: Volker Bertelmann
Besetzung: Bill Skarsgård, FKA Twigs, Danny Huston, Laura Birn, Sami Bouajila, Josette Simon, Isabella Wei, Jordan Bolger


Kurzinhalt:

Als Eric (Bill Skarsgård) auf Shelly (FKA Twigs) trifft, erhellt sie seinen monotonen Alltag in der Entzugsklinik, in der er sich befindet. Doch ist Shelly keine reguläre Patientin, sondern wurde von der Polizei auf der Flucht vor den Schergen des diabolischen Vincent Roeg (Danny Huston) aufgegriffen. Der will sie ausfindig machen, da Shelly im Besitz eines inkriminierenden Videos ist, das Roegs Machenschaften offenlegen könnte. Sowohl Eric als auch Shelly können ihre jeweils traumatische Vergangenheit durch den jeweils anderen ausblenden, bis Roeg sie findet und beide ermordet. Doch Eric findet sich nach dem Tod in einer Zwischenwelt wieder, in der ihm von Kronos (Sami Bouajila) erläutert wird, dass er sich und Shelly retten kann, indem er in die Welt der Lebenden zurückkehrt und die Dinge ins Lot bringt. Dafür muss er diejenigen töten, die Shelly und ihn ermordet haben. So kehrt Eric zurück und begibt sich auf einen Rachefeldzug durch Roegs Reihen, bis zu dessen rechter Hand Marian (Laura Birn). Dabei weist ihm eine Krähe den Weg und Eric muss erkennen, dass Roeg kein gewöhnlicher Mensch ist. Sie wie auch er selbst mehr ist, als ein Sterblicher …


Kritik:
Rupert Sanders bereits vor zwei Jahren gedrehter bzw. produzierter Fantasyfilm The Crow ist kein Remake des ebenso Genre prägenden wie tragischen The Crow - Die Krähe [1994], sondern vielmehr eine Neuinterpretation von James O’Barrs gleichnamigem Comic [1989-1999]. Vor allem aber ist es zu Beginn ein ebenso hölzern dargebrachtes wie pseudobedeutungsschwangeres Melodram, wie ein im späteren Verlauf geradezu menschenverachtend gewaltverherrlichender Stumpfsinn, bei dem man sich zunehmend fragen muss, ob irgendjemand tatsächlich mit dem Ergebnis zufrieden ist.

Mehr als 15 Jahre lang versuchten verschiedene Filmschaffende vergebens, eine Neuverfilmung von The Crow, entweder des Comic oder des Films, auf die Beine zu stellen. Es erklärt auch, weshalb ein halbes Dutzend Produktionsfirmen bzw. -studios aufgelistet werden, ehe die tatsächliche Erzählung beginnt. Die wird nicht wie zuvor als stilisierte, düstere Vision einer tragischen Liebesgeschichte präsentiert, sondern spielt stattdessen in edlen Kreisen oder riesigen, modernen Apartments bzw. auf Partys, bei denen Alkohol und Drogen von in schwarz gekleideten, mit der Welt und dem Schicksal hadernden Figuren konsumiert werden. Zu diesen gehören auch Eric und Shelly, die sich in einer Entzugsklinik kennenlernen. Nach seiner schwierigen Kindheit und mehreren Selbstmordversuchen wird Eric von Alpträumen heimgesucht, während Shelly auf der Flucht vor Vincent Roegs Schergen verhaftet wurde. Roeg ist kein gewöhnlicher Mensch und ist mit dem Teufel einen Handel im Austausch für ein langes Leben eingegangen. Welche Macht er ausüben kann, wurde auf einem Video festgehalten, das Shellys Freundin ihr zusandte und weswegen auch Shelly nun in Gefahr schwebt. Als Shelly gefunden wird, fliehen sie und Eric aus der Einrichtung, doch ihr Glück währt nur kurz. Beide werden von Roegs Handlangern getötet. Allerdings erwacht Eric in einer Zwischenwelt. Da etwas so so Schreckliches geschehen ist, dass seine Seele keine Ruhe findet, können Krähen Erics Seele nicht ins Jenseits bringen, bis er die Dinge ins Lot gebracht hat. Er erhält die Möglichkeit, sich und Shelly zu retten, wenn er diejenigen tötet, die sie getötet haben.

So kehrt Eric als Rächer in die Welt zurück und beginnt seinen Feldzug, wobei Krähen, die zwischen dieser und der nächsten Welt wandeln können, ihm den Weg leiten. Da er bereits tot ist, kann er nicht sterben, doch er wird verletzt, blutet und empfindet Schmerz, wobei seine Wunden schnell verheilen und ihn zunehmend mit Narben zeichnen. So erfrischend anders die Mythologie von The Crow im ersten Moment klingt, über das hier Beschriebene geht sie im Film kaum hinaus. Dabei wäre es ein Leichtes, die Mystik zu vertiefen, doch stattdessen erklären die Verantwortlichen die ohnehin bereits verdeutlichten Eckpfeiler ihrer Geschichte mehrmals, als würde man nicht darauf Vertrauen, dass das Publikum es versteht.

Sei es im Fall von Bösewicht Vincent Roeg, der bei seinem ersten großen Auftritt seinem Opfer erzählt, dass er bereits lange auf der Erde ist und viele Unschuldige getötet hat. Es ist eine Exposition, die freilich dem Publikum dient und nicht der Person, die Roeg gleich töten wird. Doch später, wenn Eric in der Zwischenwelt angekommen ist, wird ihm dasselbe nochmals von seinem spirituellen Führer erläutert. Auch entdeckt Eric zuerst seine Fähigkeiten, die ihm anschließend nochmals erklärt werden, obwohl das Publikum dies selbst bereits beobachten konnte. Mit solchen Aspekten hält sich The Crow auf, während andere gar nicht weiter ausgeführt werden. Beispielsweise bleiben Eric und Shelly trotz des spürbar zähen ersten Drittels, in dem sie zusammenfinden und glücklich werden, merklich blaß. Dass sie ohne jegliche Schwierigkeit aus der umzäunten Entzugsklinik türmen, ist so absurd, wie Shellys Geheimnis offensichtlich. Doch über ihre Figur erfährt man ebenso wenig wie über Erics. Sie verbringen ihre Zeit in mehreren modern-chicen Wohnungen oder einem Gothic-inspirierten Apartment. Woher sie diese kennen, welche überhaupt ihre eigenen sind, verrät der Film nicht. Ebenso wenig, wie Eric Shellys Mutter finden kann oder was deren Figur tatsächlich ausmacht, die in ihrem eigenen Apartment meterhohe Bilder und Porträts von sich selbst an der Wand ausgestellt hat.

Man könnte sicherlich viele Details hineininterpretieren und über all das ebenso hinwegsehen, wie darüber, dass Bill Skarsgård als Eric und FKA Twigs als Shelly leider überhaupt keine Chemie miteinander entwickeln, so dass ihre Figuren und was mit ihnen geschieht, rein gar nicht interessiert. Nicht einmal, als sie vor den Augen des jeweils anderen ermordet werden. Dass die Dialoge teilweise völlig weltfremd wie hölzern klingen und sich die Figuren geradezu absurd verhalten, erschwert dies jedoch merklich. So sagt ein Charakter, als er den zurückgekehrten Eric erblickt beispielsweise vollkommen ruhig und geradezu gelangweilt, „Ich habe Dich verdammt nochmal getötet“, was ebenso aufgesetzt klingt, wie die melodramatischen Gespräche des Liebespaares. Doch dies tritt alles zurück, wenn die zweite Filmhälfte beginnt und Eric seinen Rachefeldzug auf sich nimmt.

Zu Beginn bereits überaus brutal, auch, was Eric selbst widerfährt, nimmt er seine Situation an und knöpft sich Roegs Gefolge vor, ohne seinen Opfern jeweils eine Frage zu stellen oder Informationen zu beschaffen. Dies gipfelt in einem Gemetzel, das offenbar dadurch eine anspruchsvolle Tragik entwickeln soll, dass es in den Hallen eines Opernhauses geschieht und mit dieser zusammengeschnitten ist. Setzt The Crow oftmals auch zuvor auf „coole“ Einstellungen, in denen Eric in Zeitlupe oder in publicitywirksamen Perspektiven gezeigt wird, die mit prominenten Songs im Hintergrund untermalt sind, ist was Regisseur Sanders hier in Szene setzt an Gewaltverherrlichung kaum zu überbieten, ausgehend vom vermeintlichen Helden der Geschichte: Eric. Die Devise lautet, je brutaler, umso besser. Mit abgetrennten Gliedmaßen, Gekröse und in den schieren Ideen bereits grausamen Brutalität, bei der Eric es darauf anlegt, seine Opfer zu quälen, bevor er sie tötet, wird dies von Moment zu Moment nur schlimmer. Es erinnert in der schieren Masse und dem Wiederholungseffekt durchaus an John Wick, nur ohne dessen Effizienz. Es ist geradezu abstoßend, selbst bevor man sich überlegt, dass Eric dabei Sicherheitskräfte niedermäht, die mit seiner oder Shellys Ermordung nichts zu tun hatten. Ganz zu schweigen von dem Opernpublikum, dem er sich und sein Werk dann stolz präsentiert.


Fazit:
30 Jahre nach der ersten Adaption des Comics präsentiert Regisseur Rupert Sanders eine Geschichte, die trotz der umfangreicheren Erzählung vor allem die Figuren kaum vertieft. Dank der grundsätzlich chicen Inszenierung gerät die erste Filmhälfte immerhin mäßig, wenngleich dies nicht aufwiegt, wie wenig Ausstrahlung die zentralen Charaktere besitzen. Doch es ist die zweite Hälfte, die in Erinnerung bleibt als ein Sammelsurium an widerwärtigen Ideen. Dabei sind selbst die Brutalität und Menschenverachtung erschreckend absehbar. Es baut sich eine bestimmte Situation auf, die genau so mit einer Gewaltspitze abgeschlossen wird, wie man vermuten würde. Das hat von Erics Seite aus nichts mit Rache zu tun, sondern mit einer grausamen Quälerei, die geradezu ausufernd brutal dargebracht wird. Dass weder das Ende, noch die Mythologie einen Sinn ergeben, fällt angesichts dessen, dass die Hauptfigur die Grausamkeiten begeht, kaum mehr ins Gewicht, geschweige denn, dass die Mystik überhaupt interessieren würde. Anstatt sein Verhalten als Anlass zu nehmen, den Abstieg seiner Seele zu veranschaulichen, wird er letztlich hierfür auch noch belohnt. So besitzt The Crow keine lebens- oder liebesbejahende Aussage. Es ist ein anfangs verkrampftes Fantasy-Melodram, das in einer Gewaltorgie endet. Man kann es niemandem verdenken, wenn man sich unmittelbar danach unter die Dusche stellen will.