The Cell [2000]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 22. Mai 2005
Genre: Thriller / Horror

Originaltitel: The Cell
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: USA / Deutschland
Produktionsjahr: 2000
FSK-Freigabe: nicht unter 18 Jahren

Regie: Tarsem Singh
Musik: Howard Shore
Darsteller: Jennifer Lopez, Colton James, Dylan Baker, Marianne Jean-Baptiste, Vincent D'Onofrio, Catherine Sutherland, Vince Vaughn, James Gammon, Jake Weber, Dean Norris, Tara Subkoff


Kurzinhalt:
Erneut wird das FBI unter der Leitung von Peter Novak (Vince Vaughn) an den Fundort einer Frauenleiche gerufen. Die junge Frau wurde von dem Serientäter ertränkt und anschließend speziell präpariert. Doch während man beim FBI noch mit der Spurensuche beschäftigt ist, hat sich der Täter Carl Stargher (Vincent D'Onofrio) bereits ein neues Opfer geschnappt. Als das FBI ihn schließlich stellen will, ist der geistig gestörte Mann in einen komatösen Zustand verfallen und dem FBI bleiben weniger als 24 Stunden, um sein jüngstes Opfer, Julia Hickson (Tara Subkoff) ausfindig zu machen, ehe sie in Starghers perfider Maschinerie zu Tode kommt.
So sieht Novak nur einen Ausweg: in einem speziellen Institut hat die Kinderpsychologin Catherine Deane (Jennifer Lopez) mittels modernster Technik eine gedankliche Verbindung mit Komapatienten herstellen können und taucht damit in ihre Welt ein. Nun soll sie in Starghers Kopf eindringen und den Aufenthaltsort von Julia Hickson in Erfahrung bringen – doch die Psyche des geistig gestörten Stargher ist düsterer und komplexer, als erwartet und Catherine läuft Gefahr, ebenfalls ein Opfer des Killers zu werden ...


Kritik:
Als "Ausflug in die Gedankenwelt eines Mörders" wurde The Cell seinerzeit im Kino beworben, gefolgt von einer recht groß angelegten Werbekampagne, die dem Studio im Endeffekt beinahe das Doppelte der Produktionskosten wieder einbrachte. Dabei blieben aber sowohl Zuschauer wie Kritiker gespalten. Ähnlich ergeht es auch nach über fünf Jahren dem Publikum, wenn man sich Tarsem Singhs erste Kinoproduktion ansieht. Dass der Werbefilmer und Regisseur für Musikvideos (einige Anleihen an seine Clips der Pop-Gruppe R.E.M. sind auch im Film eingebunden) ein Gespür für opulente Bilder hat, ist unbestritten. So zählt The Cell visuell zu den beeindruckendsten Filmen seiner Zunft, doch auch wenn die Macher offensichtlich versuchen (nicht zuletzt dank der stimmungsvollen Musik von Howard Shore) an Genregrößen wie Das Schweigen der Lämmer [1991] heran zu kommen, von solchen Meilensteinen ist das Drehbuch Lichtjahre entfernt.

Auch für Skriptautor Mark Protosevich, der bei The Cell außerdem als Produzent fungierte, war es die erste große Auftragsarbeit in der Traumfabrik. Doch abgesehen von einer soliden, wenn auch nicht neuen Grundidee, die in gleichen Teilen dem Star Trek-Universum und zahlreichen anderen Science Fiction-Thrillern entliehen scheint, wartet die Vorlage nicht mit vielen innovativen Einfällen auf. Kein Wunder also, dass sich die Dialoge zwischen klischeebeladen und gekünstelt erzwungen einpendeln. Ein großes Manko des Skripts ist jedoch die Kindergarten-Psychologie, die Autor Protosevich bei seinen Figuren anwendet, um sie für den Zuschauer verständlich zu machen. Da werden alle Klischees über Serientäter aus den Schubladen gezerrt, bei denen sich zwar Sigmund Freud köstlich amüsiert hätte, die aber Hinterbliebenen von Opfern zurecht ein Dorn im Auge sind. Während Hannibal Lecter aus Das Schweigen der Lämmer kurz und bündig als das personifizierte Böse vorgestellt wird, wird Carl Stargher erst so gemacht, was zusammen mit seiner Schizophrenie seine Taten auch noch erklären soll – das mag zwar den Anwälten von Serientätern ins Konzept passen, stößt in eben der plakativ dargebrachten Form im Film übel auf.
Was Protosevich zudem in seiner Vorlage vermissen lässt ist eine richtige Dramaturgie. Zwar wird mit Szenen beim neuesten Opfer von Stargher und zugespitzten Situationen innerhalb seiner Gedankenwelt versucht, dem Film Spannung einzuhauchen, doch abgesehen von ekelerregenden Szenen, die allenfalls Genrefans interessieren werden, gibt es keine Höhepunkte im Film. Die Einfälle, die der Autor in Sachen Gewaltbereitschaft und Brutalität in sein Skript verwoben hat, sind dabei durchaus verstörend, hin und wieder aber auch so überspitzt, dass sie schon wieder unfreiwillig komisch wirken. Davon abgesehen hat Catherine Deanes engelsgleicher Rettungsversuch der kranken Seele nichts mit dem Thrilleraspekt des Films zu tun.
So fehlt dem Skript neben einer richtigen Story vor allem ein vernünftiger Aufbau, eine Dramaturgie – von vielschichtigen, interessanten Hauptfiguren und durchdachten, einfallsreichen Dialogen einmal abgesehen.

Auch die Darstellerriege, die zwar nicht aus vielen bekannten, dafür einigen hochdekorierten Akteuren besteht, scheint ihre Mühe mit der Vorlage gehabt zu haben. Während Jennifer Lopez als Kinderpsychologin und Erkunderin von Starghers Psyche mimisch vollkommen überfordert scheint, beschränkt sich ihr Dialog auf wenige einsilbige Sätze, die mit einer Lustlosigkeit dargebracht werden, dass man unverständig den Kopf schütteln muss.
Vince Vaughn gibt sich zwar sichtlich Mühe, hat aber vom Skript nur wenig gegeben, womit er arbeiten kann und erweckt deshalb einen ebenfalls nicht sehr motivierten Eindruck. Anders hingegen Vincent D'Onofrio, der als gestörter Killer eine bemerkenswerte Darbietung liefert und auch unter den zahreichen Masken exzellent spielt.
Eine solide Darbietung geben auch Tara Subkoff, die als Starghers Opfer nur wenig zu tun hat, und Marianne Jean-Baptiste, sowie Dylan Baker. Sie alle machen ihre Sache zwar gut, aber ohne nennenswerte Höhepunkte. Dass man Darsteller auch in einem düsteren Thriller zu Höchstleistungen anspornen kann, hat nicht zuletzt Regisseur David Fincher in Sieben [1995] bewiesen. Hier war dies leider nicht der Fall.

Wie schon erwähnt lebt The Cell in erster Linie von den Bildern, die Regisseur Singh in der Tat exzellent gelungen sind. Zusammen mit einem ungewöhnlichen, verstörend-beunruhigenden Setdesign und einer sehr atmosphärischen Farbfilterauswahl gelingt dem Regisseur ein lebendig gewordener Alptraum, den der Zuschauer hier mit der Hauptfigur durchwandern muss. Stellt sich nur die Frage, für wenn dies erstrebenswert ist? Sieht man aber von der psychologischen Seite des Films ab, präsentiert sich The Cell als visuelle Achterbahnfahrt mit einem tiefgehenden Szenenaufbau, überwältigenden Bildern und einer ebenso erdrückenden Präsentation.
Dabei steht zweifelsohne die Psyche des Killers im Vordergrund, die aber wieder so abgehoben geraten ist, dass man manche Szenarien nicht ernst nehmen kann. Doch die Bilderauswahl allein sorgt für eine drückende Stimmung, kann aber nicht ganz darüber hinweg täuschen, dass die Bedrohung für die Protagonisten nie spürbar wird.

Howard Shores musikalischer Beitrag zu The Cell ist schwierig einzuschätzen, einerseits ist sein Score wie schon bei Das Schweigen der Lämmer oder auch Sieben sehr atmosphärisch gelungen, aber ohne jeweils den Wiedererkennungswert der beiden genannten Arbeiten zu besitzen. Die orientalischen Einflüsse erscheinen dabei zwar innovativ, werden aber ohne eine richtige Struktur eingesetzt und passen leider nicht zu allen Bildern.
Der Score trägt zur Atmosphäre des Films zweifelsohne viel bei, wirkt aber gerade beim Finale nicht kraftvoll genug, um den Zuschauer auch mitzureißen – die musikalische Untermalung ist im Film überaus hörenswert, für sich allein genommen hätte man den Soundtrack aber auch in zahlreichen anderen übersinnlichen Thrillern einsetzen können.

So imposant The Cell auch in optischer Hinsicht geraten ist, für Jugendliche ist der Film schon auf Grund der expliziten Gewaltszenen nicht geeignet – dass gerade die aber ein anderes Publikum ansprechen, als der Thrilleranteil des Films, scheint den Machern nicht aufgefallen zu sein. Zu allem Überfluss wird der Thrill zudem stark vernachlässigt und weist außerdem Logikfehler auf.
So versteifen sich die Produzenten auf den Horroranteil und wollen das Publikum in die Gedankenwelt eines gestörten und gespaltenen Menschen versetzen. Doch während diese einerseits viel zu überdreht und unglaubwürdig geraten ist, bleibt sowohl die Spannung, als auch die Charakterentwicklung auf der Strecke. Da fällt die charismalose Hauptdarstellerin kaum ins Gewicht, und wenn die knapp 100 Minuten Film zu Ende sind bleibt die Erkenntnis, dass Stil ohne Substanz eben nur die halbe Miete ist.


Fazit:
In gewissen Kreisen besitzt The Cell Kultstatus und das ist einerseits verständlich, andererseits jedoch wieder nicht. Denn während die Optik des Films wirklich beeindruckend ausgefallen ist und Tarsem Singhs Bildkompositionen in der Tat einem Alptraum entsprungen scheinen, wirkt das Drehbuch auch bei einem schnellen Blick überaus konzeptlos.
Nicht nur, dass sich die Story auf einige wenige Einfälle beschränkt, auch die plakative Psychologie, die angewandt wird, um die Verbrechen des Täters zu erklären, hinterlässt einen üblen Beigeschmack. So überwiegt bei Singhs Kinodebüt ein durchaus imposanter Stil, wobei aber der Inhalt zu kurz kommt und auch die Darsteller unterfordert bleiben.