The Batman [2022]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. März 2022
Genre: Action / Krimi / Thriller

Originaltitel: The Batman
Laufzeit: 175 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Matt Reeves
Musik: Michael Giacchino
Besetzung: Robert Pattinson, Zoë Kravitz, Jeffrey Wright, Paul Dano, John Turturro, Andy Serkis, Peter Sarsgaard, Colin Farrell, Jayme Lawson, Barry Keoghan, Alex Ferns


Kurzinhalt:

Seit zwei Jahren versucht Bruce Wayne (Robert Pattinson), einziger Nachfahre der unermesslich wohlhabenden Familie Wayne, in Gotham City die immer weiter um sich greifende Gewalt und das Verbrechen in Schach zu halten. Dafür wird er zur Figur des Batman, gefürchtet in der Unterwelt und verachtet von der Polizei, die in ihm einen Gesetzlosen sieht. Einzig Polizist James Gordon (Jeffrey Wright) ist sein Vertrauter und so wird er kurz vor der Bürgermeisterwahl zum Tatort eines schrecklichen Verbrechens gerufen. Der Täter hat eine Nachricht für den Batman hinterlassen, ein Rätsel, weshalb der Mörder auch der Riddler (Paul Dano) genannt wird. Er gibt vor, mit seinen Morden die Korruption in Gotham aufdecken zu wollen, um die Stadt zu reinigen und als er einem Hinweis nachgeht, stößt Bruce auf Selina Kyle (Zoë Kravitz), die auf ihre Weise für Gerechtigkeit auf den Straßen sorgt. Doch gegen den scheinbar unantastbaren Verbrechern Carmine Falcone (John Turturro) oder seinen Handlanger Oswald Cobblepot (Colin Farrell) können sie beide offenbar wenig ausrichten. Bis die Spur des Riddlers auch in Bruces Vergangenheit führt und Butler Alfred (Andy Serkis), der Bruce großgezogen hat, eingestehen muss, dass er Geheimnisse für sich behalten hat …


Kritik:
Matt Reeves’ The Batman ist mit vielen derselben Figuren gespickt, die man aus vorigen Leinwandinkarnationen des Comichelden kennt. Angefangen von Polizist Jim Gordon, über Catwoman, Pinguin, Riddler, bis hin zum Titel gebenden Batman. Und doch ist diese Interpretation mit keiner anderen Realverfilmung vergleichbar. In beinahe drei Stunden erzählt der Filmemacher kein Superheldenabenteuer, sondern in einem düsteren Noir-Crime-Thriller eine Detektivgeschichte voller konfliktbehafteter Figuren. Das ist auf eine beinahe erschlagende Weise beeindruckend.

Mehr noch als die Filmreihe, die mit Tim Burtons Vision begann und deutlicher als bei Christopher Nolans Herangehensweise, versprüht The Batman aus jeder Faser seine Comic-Herkunft und stimmt vom ersten Moment an das Publikum darauf ein, was es erwartet. Durchgehend durch Erzählungen aus dem Off des Protagonisten begleitet, offenbart der in was sich später als Tagebucheinträge herausstellt, dass er seit zwei Jahren als dunkler Rächer versucht, in dem Sündenpfuhl Gotham City, der seine Heimat ist, für Gerechtigkeit zu sorgen, um dem um sich greifenden Verbrechen Einhalt zu gebieten. Doch dass er wirklich etwas verändert, glaubt er selbst kaum, wenn er sich als „Vergeltung“ derjenigen ankündigt, denen Unrecht angetan wurde. Sein einziger Vertrauter bei der örtlichen Polizei ist James Gordon und außer seinem Butler Alfred weiß niemand von seinem Doppelleben, denn an sich ist Batman alias Bruce Wayne der einzig lebende Nachfahre der in der Stadt für ihre Wohltaten bekannten, unvorstellbar wohlhabenden Familie Wayne. Diese Elemente der Figur sind allesamt nicht neu, doch anstatt sich auf überlebensgroße Actionsequenzen zu versteifen, rückt Reeves eine Eigenschaft der Figur ins Zentrum, die Hollywood bislang außen vor ließ – dass Batman ein hervorragender Detektiv ist.

Von der Bevölkerung, die er zu schützen versucht, ebenso gefürchtet wie von der Polizei auf Grund seines Gesetzlosenstatus verachtet, wird er zu einem Tatort gerufen, der brisanter kaum sein könnte. Nur Tage vor einer möglichen Wiederwahl wird der amtierende Bürgermeister der Stadt grausam ermordet. Der Täter, der sich selbst Riddler nennt, hinterlässt an der Leiche eine rätselhafte Botschaft für Batman und kündigt weitere Morde an. Während sich viele Menschen in Gotham City vor den alltäglichen Überfällen fürchten, nimmt der Riddler diejenigen ins Visier, die von den Verbrechen profitieren und sich dabei mit einer weißen Weste schmücken: Jedes der Opfer, das augenscheinlich integer und aufrichtig war, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als korrupt. Während Gordon und Batman versuchen, dem Riddler auf die Spur zu kommen, wird Batman auf die ebenfalls in der Nacht für ihre Gerechtigkeit kämpfende Selina Kyle aufmerksam und so scheint es beinahe, als wäre der Riddler von der Geschichte vergessen worden. Tatsächlich gibt es im Mittelteil einen Abschnitt, in dem sich The Batman auf ganz andere Aspekte der Story zu konzentrieren scheint, als mit denen die Geschichte begann. Wie in klassischen Krimis führt ein Hinweis Bruce in einen unbekannten Winkel von Gothams Unterwelt deckt so Stück für Stück ein Geflecht auf, das nur verworrener wird, je länger er sich damit beschäftigt.

Dies könnte man The Batman auch am ehesten als Vorwurf machen, denn mit den vielen Unterweltfiguren, die hier vorgestellt oder zum Teil auch nur erwähnt werden, wird es ein weniger aufmerksames Publikum schwer haben, die Zusammenhänge einzuordnen und die Verbindungen herzustellen. Doch offenbart die Drehbuchvorlage damit eine Komplexität, die das ohnehin bereits facettenreiche Universum noch weiter ausschmückt. Dabei stellt Filmemacher Reeves, der auch am Skript mitschrieb, nicht erneut die Ursprungsgeschichte des gebrochenen Helden vor, der den Mord an seinen Eltern, als er noch ein Kind war, zu rächen versucht, sondern zeigt vielmehr seinen Platz in dieser düsteren Welt von Gotham City, in der er versucht, trotz allem einen Unterschied zu machen.
Fans der Figur dürfen sich freuen, wie treu die Verantwortlichem dem Aspekt der Detektivgeschichte bleiben und die meiste Zeit ist Bruce Wayne hier darum bemüht, aus allen Informationen, die sich ihm bieten, einen Sinn zu machen. Für lockere Sprüche oder vorausschauende Planung ist dabei keine Zeit. Anstatt wie andere Comicverfilmungen eine bunte, farbenfrohe Erzählung zu bieten, in der der Humor nicht zu kurz kommt und ein Bösewicht die ganze Welt vernichten will, gibt es bis auf eine Handvoll trockener Kommentare hier nichts zum Schmunzeln. Der Schurke ist dem Titelhelden dabei in gewissem Sinne gar nicht unähnlich, selbst wenn diese Gemeinsamkeiten nicht derart herausgestellt werden wie dies oft geschieht.

Dass dieser vollkommen unterschiedliche Ansatz, sowohl zu sonstigen Comicfilmen als auch zu den bisherigen Batman-Interpretationen gelingt, liegt vor allem an zwei Punkten: Der Besetzung und der handwerklichen Umsetzung. Die Besetzung ist schlicht fantastisch und verleiht den bekannten Figuren vom ersten Moment eine unverwechselbare Signatur. Zoë Kravitz als Selina Kyle und Jeffrey Wright als James Gordon sind bestechend, letzterer als einer der wenigen ehrenwerten Figuren in der ganzen Geschichte. Ebenso eindrucksvoll ist Colin Farrell, der als Penguin nicht wiederzukennen ist. Die beiden größten Überraschungen sind jedoch Robert Pattinson als Bruce Wayne und Paul Dano als der Riddler, der trotz weniger Auftritte auf Grund seiner erschreckenden Bedrohlichkeit und seiner endgültigen Entschlossenheit in Erinnerung bleibt. Pattinsons schiere Vehemenz bei seinen Auftritten, seine körperliche Stärke wie auch seine Ausstrahlung, sind kaum zu beschreiben und verleihen der Figur etwas Getriebenes, unterstreichen den stets in ihm brodelnden Konflikt. Wie Daniel Craig sich die Rolle des James Bond zu Eigen machte, gelingt ihm dies hier mit Bruce Wayne gleichermaßen wie mit dem kostümierten Batman. Gerade am Ende zu sehen, wie schmal der Grat ist, auf dem sein Charakter wandert, wenn er Gefahr läuft, eine Linie zu überschreiten, die er nicht überschreiten darf, wenn er der sein will, der er sein muss, ist packend. Dass er kaum als Bruce Wayne und die meiste Zeit als Batman zu sehen ist, passt zur Ausrichtung der Geschichte.

Die Inszenierung kann man nur schwer in Worte fassen und die Filmvorschau wird dem auch nicht gerecht. Beginnend mit den gotischen Gebäuden in dieser düsteren Stadt, in der es selten Tageslicht zu geben scheint und wenn, ist es ein Zwielicht, nie richtig hell. Die meiste Zeit spielt The Batman in der Nacht, oftmals bei geradezu sturzbachartigen Regenfällen. Die Bilder scheinen bewusst entsättigt, die Farben gedämpft bis auf grelle Neonlichter oder rote Lichtquellen, die je nach Stimmung im Film eine andere Bedeutung haben können. Die Perspektiven mit bewusst unscharf gehaltenen Hintergründen oder verzeichneten Seitenrändern besitzen eine Ästhetik, als wären sie unmittelbar einem Comic oder einem Graphic Novel entnommen. Der Szenenaufbau ist hervorragend abgestimmt und sorgt gerade in den packenden Actionmomenten für ein geradezu beklemmendes Gefühl, dass man sich kaum zu atmen traut. Dabei ist die Action nicht so umgesetzt, wie man es aus den meisten anderen Comicverfilmungen kennt. Matt Reeves inszeniert kein Materialinferno um des Bombasts Willen. Er schildert das Geschehen aus Sicht der Figuren, was in Anbetracht der dunklen Bilder auch mehr Sinn macht. Nur wer auf Highlights wie in anderen Filmen dieser Art wartet, in denen halbe Städte dem Erdboden gleichgemacht werden, wird enttäuscht werden.

Lässt man sich auf den Ankerpunkt dieser Filmadaption ein, eine düstere, dunkle Krimigeschichte in einer Stadt, die an Verbrechen und Korruption zu ersticken droht, dann ist The Batman das, was sich viele Fans der Figur lange gewünscht haben. Mit einem unvergleichlichen Design, das von Krimis der 1950er- bis 1970er-Jahre inspiriert zu sein scheint, einer dichten Atmosphäre und Charakteren, die sich mit ihren eigenen Wurzeln auseinandersetzen müssen, ist das ein optisch beeindruckender und so mutiger wie gelungener Film. Sieht man zudem beim Finale, wie es einem größenwahnsinnigen Psychopathen gelingt, über Social Media Anhänger zu mobilisieren, die bereit sind, mit Waffengewalt die Gesellschaftsordnung zu stürzen, ruft das Erinnerungen an den Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 hervor und die Helden des Alltags, die Schlimmeres verhindert haben. Das erschreckende Spiegelbild, das Gotham City für unsere Welt darstellt, wird so nur noch greifbarer.


Fazit:
Anstatt ein typisches Comicabenteuer zu erzählen, entscheidet sich Filmemacher Matt Reeves, eine andere Seite der bekannten Figur ins Zentrum zu rücken. Als Detektivstory angelegt, entpuppt sich die melancholisch dunkle Geschichte, bei der auch die ohnehin konfliktbehaftete Hauptfigur ihre eigene Herkunft hinterfragen muss, als frischer Ansatz für den Charakter. Facettenreich angelegt, ist dieser Batman, wenn er sich als „Vergeltung“ ankündigt, ein Bruch mit dem, wofür die Figur im Grunde steht, doch die Wandlung, die sie hier vollzieht, könnte gelungener kaum sein und ist eine Inspiration für uns alle. Ob der Optik und ihrer Symbolik kann man oftmals nur fasziniert-ungläubig den Kopf schütteln. The Batman ist ein visuell atemberaubender Film, eine düstere neue Vision, die am Ende vielleicht etwas lang sein mag, doch die Welt, die hier (neu) erschaffen wird, lässt so viel offen, ist so bestechend und interessant. Zusammen mit einer fabelhaften Besetzung und einem durch den Stil regelrecht berauschenden Design, ist dieser Noir-Krimi in jenem Comic-Universum der erste Film des Jahres, den man auf der großen Leinwand gesehen haben sollte. Und spätestens, wenn man die unheimlichen Melodien oder das eingängige Thema von Michael Giacchino auf dem Nachhauseweg nicht mehr aus dem Kopf bekommt, wird man sich wünschen, dass dieser Batman möglichst bald zurückkehrt. Es gäbe noch so viel zu entdecken.