Tarzan [1999]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. Dezember 2014
Genre: Animation / Unterhaltung

Originaltitel: Tarzan
Laufzeit: 88 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1999
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Chris Buck, Kevin Lima
Musik: Mark Mancina, Phil Collins (Songs)
Stimmen: Tony Goldwyn (Jaron Löwenberg), Glenn Close (Eva Mattes), Lance Henriksen (Joachim Höppner), Minnie Driver (Anke Engelke), Nigel Hawthorne (Osman Ragheb), Brian Blessed (Michael Brennicke), Rosie O'Donnell (Heike Makatsch), Wayne Knight (Detlev Buck), Alex D. Linz (Max Felder)


Kurzinhalt:

Es ist ein ungewohnter Laut, den das Gorillaweibchen Kala (Glenn Close / Eva Mattes) im Dschungel Afrikas vernimmt – der Schrei eines Menschenbabys. Sie findet den Jungen in einer verwüsteten Hütte hoch in einem Baum. Seine Eltern wurden von demselben Leoparden getötet, der Kala ihr Kind genommen hat. Darum nimmt sie den Jungen, den sie Tarzan (Tony Goldwyn / Jaron Löwenberg) tauft, auf und zieht ihn groß, selbst wenn der Anführer ihres Rudels, Kerchak (Lance Henriksen / Joachim Höppner), dagegen ist. Tarzan wächst heran und freundet sich mit dem Affenmädchen Terk (Rosie O'Donnell / Heike Makatsch) und anderen Bewohnern des Dschungels an.
Bis auch er ein ungewohntes Geräusch vernimmt. Es ist ein Gewehrschuss des Jägers Clayton (Brian Blessed / Michael Brennicke), der die Expedition von Professor Porter (Nigel Hawthorne / Osman Ragheb) und dessen Tochter Jane (Minnie Driver / Anke Engelke) begleitet. Sie sind in den Dschungel gekommen, um Gorillas zu studieren. Während sich Tarzan in die schöne Jane verliebt, sie vor den Gefahren des Dschungels rettet und anfängt, die Sprache der Menschen zu lernen, hat Clayton ganz andere Pläne ...


Kritik:
Es ist kaum zu begreifen, wie bei Disneys Tarzan insgesamt 24 (in anderen Worten zwei Dutzend) Autoren an der Story eines nur 88 Minuten dauernden Films herumgefeilt haben sollen. Das umso mehr, da sich das Endergebnis unnötigerweise so weit von Edgar Rice Burroughs' Romanvorlage Tarzan bei den Affen [1914] entfernt, bis daraus ein scheinbar beliebiges Liebesmärchen geworden ist. Da helfen auch die tollen Songs von Phil Collins nicht weiter, die er zu allem Überfluss auch noch selbst im Deutschen vertont.

An der künstlerischen Finesse des britischen Sängers besteht dabei zwar kein Zweifel, die für die Geschichte wichtigen Texte aber von ihm selbst in mitunter nicht leicht verständlichem Deutsch vorgetragen zu hören, reißt einen unnötigerweise aus der Erzählung. Die beginnt mit einem wortlosen Prolog ähnlich Der König der Löwen [1994], der durch ein mitreißendes Lied unterlegt ist. In ihm schildern die Filmemacher, wie ein Ehepaar an einem afrikanischen Strand landet, nachdem ihr Schiff untergegangen ist. Zusammen mit ihrem Baby errichten sie sich im Wald ein neues Zuhause.
Gleichzeitig zeigen die Regisseure Chris Buck und Kevin Lima, wie die Äffin Kala ihren Nachwuchs an einen Leoparden verliert. Dasselbe Tier nimmt kurz darauf dem Baby auch dessen Eltern. Angelockt vom Schrei des Kindes sucht Kala die Hütte der Menschen auf und entschließt sich, das auf sich allein gestellte Kind zu adoptieren. Sie tauft es Tarzan, was übersetzt "Weißhaut" bedeutet.

Die Figur des Tarzan, der bei den Affen im Dschungel aufwächst, gehört zu den bekanntesten des Abenteuergenres. Unverwechselbar verkörperte Johnny Weissmuller den ungewöhnlichen Helden in Tarzan, der Affenmensch [1932]. In Disneys Interpretation ist er noch muskulöser, kantiger und bewegt sich mit einer athletischen Genauigkeit, dass er dem Superheld der Vorlage näher kommt. Doch erscheint er aus dem Grund auch unnahbarer. Seine Geschichte ist im Grund eine tragische und eine hoffnungsvolle zugleich. Als Kleinkind aus der Welt herausgerissen, aus der er kam und aufgewachsen im Dschungel unter Tieren, findet er erst als junger Mann Kontakt zu den Menschen. Es geschieht, als die Gruppe um die Forscher Professor Porter und dessen Tochter Jane, die von dem Jäger Clayton beschützt werden, in den Dschungel kommt, um Gorillas zu studieren.

Bis es soweit ist, vergeht bei Tarzan erstaunlich viel Zeit, in der die Filmemacher das Geschehen auf ein für das Zielpublikum interessantes Niveau reduzieren. Der Gipfel der Albernheit – von der Punkfrisur von Tarzans Affenfreundin Terk und den Slapstickeinlagen mit ihr und dem Elefanten abgesehen – ist der Einfall der Tiere in das Camp der Menschen. Es ist eine Sequenz, die inhaltlich zum Rest nicht passen mag und verdeutlicht, was bei Tarzan alles besser hätte gemacht werden sollen.

Dazu zählt auch die Machart des Zeichentrickfilms, der mehr als ein Disney-Werk zuvor auf die Unterstützung aus dem Computer setzt. Mit einer eigens für diesen Film erstellten Technik werden die farbenfrohen, bewegten und um eine Detail- und Tiefenwirkung bereicherten Hintergründe erschaffen, die wahrlich atemberaubend wirken. Nur scheinen die gezeichneten Figuren mehr oder weniger lieblos auf das Bild aufgesetzt. In manchen Bildern des malerischen, lebendigen Dschungels sind sie regelrechte Störfaktoren, die das Flair vergangener Trickfilme vermissen lassen. An dieser Einschätzung hat sich auch nach 15 Jahren nichts geändert.

Ärgerlich ist das insofern, da sowohl Phil Collins' Songs, als auch die musikalische Untermalung von Mark Mancina den bisherigen Disney-Produktionen in nichts nachstehen. Sie bringen sowohl die ruhigen, als auch die traurigen oder die fröhlichen Elemente der Geschichte toll zur Geltung. Dass alle ausgekoppelten Lieder unter den Top-100 des Jahres waren und es selbst der Soundtrack in die Top-10 im Jahr 1999 schaffte, wundert nicht. Bedauerlich ist allerdings, dass der Film ihnen nicht gerecht wird. Weder inhaltlich, noch stilistisch.


Fazit:
An sich eignet sich der Stoff des 37. abendfüllenden Disney-Trickfilms außerordentlich gut für eine Umsetzung als Zeichentrickabenteuer. Doch so gelungen die ersten Minuten sind, danach fällt der Film steil ab. Einerseits trimmen die Filmemacher ihre Geschichte für ein ganz junges Publikum mit Humor, der schlicht zu albern ist, als dass er zu den (tierischen) Figuren passen würde, gleichzeitig ist Tarzan aber düster genug, dass zur Kinoveröffentlichung beinahe eine Minute entfernt wurde, um die FSK-Freigabe zu erreichen.
Die Filmemacher können sich nicht entscheiden, wie die Story erzählt werden soll. Die Liebesgeschichte entwickelt nur gelegentlich Charme und bei der dahinplätschernden Erzählung bringen auch die wirklich sehr guten Songs kaum neuen Schwung in die altbekannte Formel. Am schlimmsten ist dabei jedoch die eingesetzte Technik, bei der die Hintergründe so detailliert und plastisch geraten, dass die Figuren flach, aufgesetzt und zu grob gezeichnet wirken. Schade, dass Tarzan seine Möglichkeiten nicht nutzt. Dem Zielpublikum wird das kaum auffallen, doch einen Klassiker zeichnet aus, dass man ihn immer wieder ansehen und von seiner Magie neu verzaubert werden kann – hier wird einem das nicht passieren.