Reine Chefsache! [2004]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. März 2005
Genre: Unterhaltung / Komödie

Originaltitel: In Good Company
Laufzeit: 110 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Paul Weitz
Musik: Stephen Trask
Darsteller: Dennis Quaid, Topher Grace, Scarlett Johansson, Marg Helgenberger, David Paymer, Clark Gregg, Philip Baker Hall, Selma Blair, Frankie Faison, Ty Burrell, Kevin Chapman, Amy Aquino, Zena Grey, Malcolm McDowell


Kurzinhalt:
Dan Foreman (Dennis Quaid) ist Vater zweier Töchter, Alex (Scarlett Johansson) und Jana (Zena Grey), und ein guter Ehemann. Als ihm seine Frau Ann (Marg Helgenberger) erzählt, dass sie ein weiteres Kind erwartet, hält sich seine Begeisterung allerdings in Grenzen.
Denn wie er vor kurzem erfahren hat, wurde er als Abteilungsleiter der Anzeigenwerbung bei der Zeitschrift "Sports America" erst einmal abgesetzt. Sein Verlag wurde von einem Konglomerat unter der Leitung von Teddy K (Malcolm McDowell) übernommen und soll nun neue Kunden und Leser ansprechen, vor allem jedoch Kosten sparen. Zu diesem Zweck wird Dan der Senkrechtstarter Carter Duryea (Topher Grace) vor die Nase gesetzt – halb so alt wie Dan und ohne irgendwelche Erfahrung in dieser Position. Die erste Reihe Kündigungen folgt auf dem Fuße; doch Carter möchte Dan als zweiten Mann im Team behalten.
So muss der routinierte Werbefachmann mitansehen, wie unter dem Jüngling der Absatz weiter sinkt, und damit seine Zukunft noch ungewisser wird. Dennoch entwickelt sich zwischen den beiden so eine Art Freundschaft, bis Dan bemerkt, dass Carter und Tochter Alex sich näher gekommen sind.


Kritik:
Freunde der gepflegten und zotenfreien Komödien-Unterhaltung werden angesichts des Regisseurs von Reine Chefsache! zunächst unwillkürlich die Nase rümpfen und das Bedürfnis empfinden, sich einem anderen Film zuzuwenden; immerhin war Paul Weitz auch für American Pie [1999] verantwortlich und produzierte die beiden Fortsetzungen. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass der Filmemacher darüber hinaus unter anderem für About a Boy oder: Der Tag der toten Ente [2002] zuständig war – und wenn man sich Reine Chefsache! ansieht, kann man gar nicht glauben, wie er vor sechs Jahren eine solch dümmliche Klamotte gedreht haben soll.
Denn In Good Company, so der Originaltitel, entpuppt sich als einer der intelligentesten, ehrlichsten und charmantesten Filme der letzten Zeit; eine hintersinnige Geschichte garniert mit tollen Darstellern und gelegentlich exzellenten Humor-Einlagen, ohne je erzwungen oder klischeehaft zu sein.

Zu verdanken ist dies zunächst einmal dem ausgezeichneten Drehbuch, ebenfalls von Regisseur Weitz, der für seine Familienkomödie einige der augenscheinlich plakativsten Figuren ausgesucht hat, um dann jedoch einen Blick hinter die Fassaden zu werfen. So treffen mit Dan Foreman und Carter Duryea zwei vollkommen unterschiedliche Charaktere aufeinander: Duryea, von Machtgier und Erfolgsdrang getrieben, Foreman dagegen auf das Wohl seiner Familie und seiner Arbeitskollegen aus. Dass der junge Karrierist dabei gerade zu Beginn der Meinung ist, das Spiel zu beherrschen, nur um im Verlauf festzustellen, dass er vom System mehr ausgenutzt wird, als es ihm letztlich einbringt, liegt zwar schon in der Natur der Story, wird durch das Skript aber so subtil nahe gebracht, dass der erhobene Zeigefinger nie aufdringlich wirkt.
Für Foreman ist die Situation überaus brisant; mit einem neuen Kind auf dem Weg und einem unsicheren Job im Rücken, ist die kostspielige Universitätsausbildung der ältesten Tochter eine nicht zu unterschätzende finanzielle Belastung. Während Weitz hinter Foreman einen ansich glücklichen (wenngleich besorgten) Familienvater portraitiert, der auf das, was er im Leben erreicht hat, stolz sein kann, erkennt der Zuschauer in Duryea eine große Leere, das erdrückende Nichts, das nur durch Arbeitswut ausgeschlossen werden kann und im Endeffekt so blind vor der Realität des Lebens macht, dass der junge Abteilungschef nicht einmal dessen gewahr ist, was links oder rechts von ihm geschieht – oder buchstäblich angefahren kommt. Wenn Duryea zum Beispiel in seiner Wohnung auf einem Laufband trainiert, während im Hintergrund Naturaufnahmen auf seinem großformatigen Fernseher abgespielt werden, anstatt dass er tatsächlich zum Joggen ins Freie geht, mischt sich in das Amüsement des Zuschauers durchaus ernstgemeintes Mitgefühl.
Doch nicht nur die beiden Hauptfiguren werden genau beleuchtet, auch bei Foremans Tochter Alex, oder dessen Frau Ann nimmt sich der Autor ausreichend Zeit, um ihre Entscheidungen, ihre Sorgen und Pläne aufzuzeigen. Die Szenen mit den übrigen Kollegen bei "Sports America" stecken ebenfalls voller Anspielungen und sollen einem bei den meisten, vordergründig komischen Szenen, schon einen ersten Denkanstoß mitgeben. Wer aus dem Lachen nicht mehr herauskommt, wenn Morty von seiner dominanten Frau erzählt und wie es den beiden im Lauf des Films ergeht, der hat nur die Hälfte verstanden.
So halten sich die offensichtlich lustigen Momente dezent im Hintergrund, lockern die Situation aber stets an den richtigen Stellen auf. Gleichzeitig sind viele dieser Szenen mit einem ernsten Hintergrund versehen. Der Bezeichnung des Films als reine Komödie wird dem vielschichtigen Skript somit nicht wirklich gerecht – stattdessen gelang Autor Paul Weitz eine facettenreiche Geschichte mit einer Thematik zum Nachdenken und einer Menge humorvoller Einlagen, die alle aus dem Leben gegriffen sind und gerade deshalb ein reiferes Publikum ansprechen. Die Vorlage für den Oscar nicht einmal zu nominieren, ist eine unverständliche Frechheit; verdient hätte es das herausragende Drehbuch auf jeden Fall.

Dass auch den Darstellern die Hintersinnigkeit der Geschichte aufgefallen ist, erkennt man nicht zuletzt daran, wie sich insbesondere die beiden Hauptdarsteller gegenseitig zu Hochleistungen anspornen. Was anmutet wie ein Generationenwechsel zwischen Dennis Quaid und Topher Grace entwickelt sich zu einem Portrait zweier unterschiedlicher, begeisternder und exzellenter Schauspieler, die sich trotzdem nicht die Show zu stehlen versuchen, sondern die gemeinsamen Momente ebenso auskosten, wie die alleinigen.
Quaid gefällt als grundsympathischer Familienvater und Abteilungsleiter, der sich von einem Tag auf den anderen die Frage stellen muss, ob er sich von einem Grünling herumkommandieren lassen möchte, der keinerlei Lebenserfahrung hat.
Grace mimt den tragischen, anfangs von sich selbst absolut überzeugten Karrieristen vollkommen natürlich, um im Laufe des Films die notwendige und beabsichtigte Wandlung so schleichend, wie unaufhaltsam zu vollziehen, dass man meinen könnte, ihm sei die Rolle auf den Leib geschrieben – dabei musste er für die Rolle sogar vier Mal vorsprechen, bis er sie letztlich bekam. Ursprünglich war Ashton Kutcher vorgesehen, der jedoch aufgrund von künstlerischen Differenzen ausschied. Topher Grace musste Regisseur Paul Weitz zuerst durch sein Vorsprechen und dann im persönlichen Gespräch davon überzeugen, dass er der Richtige für den Part ist. Glücklicherweise ist ihm das gelungen; für seine Figur könnte man sich keinen besseren Darsteller wünschen, und es wird interessant zu sehen, welche Rollen der begabte Jungdarsteller in Zukunft annehmen wird.
Scarlett Johansson (Arac Attack – Angriff der Achtbeinigen Monster [2002]) gehört zu den talentiertesten Darstellerinnen ihrer Generation; dies ist nicht erst seit Lost in Translation [2003] bekannt – hierfür erhielt sie zwar das britische Pendant zum Oscar, sie hinterließ aber bereits in Der Pferdeflüsterer [1998] einen bleibenden Eindruck; damals war sie 14 Jahre alt. In Reine Chefsache! wirkt sie nicht weniger natürlich und unbefangen. Sie spielt ihren jugendlichen Bonus ebenso aus, wie ihre sympathische Ausstrahlung und harmoniert mit Grace und Quaid bestens vor der Kamera.
Marg Helgenbergers Auftritte sind äußerst kurz geraten, einige der witzigsten Szenen stehen dennoch ihr zu; und wie von der mehrfach Emmy-nominierten Darstellerin aus C.S.I. - Tatort Las Vegas [seit 2000] nicht anders zu erwarten, mimt sie ihre Rolle souverän.
Von den Nebendarstellern fällt vor allem Selma Blair (Eiskalte Engel [1999], Hellboy [2004]) in einer Mini-Rolle auf. David Paymer zählt als sympathischer Morty zu den Highlights, wie auch die zwei Szenen mit Philip Baker Hall (Magnolia [1999]). Clark Gregg mimt seine Rolle als Steckle ebenfalls solide und hat mit "Das erscheint mir alles so willkürlich." den komischsten Satz im Film.
Dass Malcolm McDowell für seinen Cameo-Auftritt als Globecom-Chef Teddy K nicht einmal im Cast erwähnt wird, veredelt sein Erscheinen nur noch.
Sämtliche Akteure im Film wurden sehr stimmig zusammengestellt und überzeugen vollauf.

Handwerklich ist angesichts der Beteiligten Einiges zu erwarten, immerhin war Kameramann Remi Adefarasin auch bei Band of Brothers – Wir waren wie Brüder [2001] für einige Episoden verantwortlich und erhielt für seine Arbeit an Elizabeth [1998] sogar eine Oscar-Nominierung. Cutter Myron I. Kerstein war beim vielgerühmten Garden State [2004] für den Schnitt verantwortlich – zusammen mit Regisseur Weitz zusammen kleiden sie In Good Company in sehr schöne Bilder, choreographieren mit künstlerischem Anspruch die verschiedenen Ebenen, die Dan Foreman und Carter Duryea gegenüberstellen und verleihen dem Werk eine Bildersprache, die man bei einer "Komödie" nicht unbedingt erwarten würde.
Mit Taktgefühl und einem Auge für innovative, angemessene Bilder schufen die Macher eine sehr gute Optik, die in Verbindung mit dem exzellenten Soundtrack regelrecht komponiert erscheint.

Nicht nur, dass alle Songs aus dem wirklich gelungenen und treffenden Trailer im Film zu hören – und auf dem Soundtrack enthalten – sind, darüber hinaus ist die Musik nie aufdringlich und könnte wohl besser gar nicht sein, obgleich sie durch die eher ruhige Stimmung mit Sicherheit nicht den Mainstream-Geschmack trifft. Die verschiedenen Stücke verbreiten genau die richtige Atmosphäre, um sich in die Figuren hineinversetzen zu können, nicht melancholisch, aber auch nicht aufgesetzt fröhlich, sondern hoffnungsvoll – mit einem weinenden Auge.
Der Score von Stephen Trask, der unter anderem für die Musik bei Station Agent [2003] verantwortlich war, ist in gleichem Maße perfekt auf den Film eingestimmt, passt sich den gesungenen Liedern an und ist gleichzeitig genügend verspielt für die entsprechenden Situationen. Die rhythmischen Themen sind ebenfalls auf dem Soundtrack enthalten, der Fans des Films hiermit wärmstens empfohlen sei.

Erfreulicherweise hat sich auch das deutsche Synchronstudio bei Reine Chefsache! sehr viel Mühe gegeben, wobei einmal mehr Thomas Danneberg als Sprecher von Dennis Quaid herausragt – daneben überzeugt Timmo Niesner auf ganzer Linie (bislang bekannt als Stimme von Clark Kent in Smallville [seit 2001], und hier um Längen besser als als Hobbit Frodo in Der Herr der Ringe [2001-2003]). Berenice Weichert ist für Scarlett Johansson gut gewählt und klingt natürlicher als Selma Blairs Stimme (gesprochen von Gundhild Eberhardt). Dass Marg Helgenberger nicht wie in C.S.I. von Monica Bielenstein, sondern von Christin Marquitan synchronisiert wird, mag vielleicht Fans stören, allerdings klingt Marquitan deutlich mehr wie ihre Original-Stimme. Nicht zuletzt zeigt sich auch Erich Räuker als Steckle routiniert und hinterlässt zusammen mit der übrigen Synchron-Besetzung einen guten Eindruck.
Dass nicht alle Wortwitze astrein ins Deutsche übernommen wurden, ist zwar leider wahr (und war wohl oft unvermeidlich), allerdings haben die Dialog-Verantwortlichen bei den meisten Stolpersteinen einen guten Mittelweg gefunden, so dass man Reine Chefsache! in der deutschen Fassung wirklich genießen kann, was heutzutage leider nicht mehr häufig der Fall ist.

Monster-, Horror-, und Action-Filme gibt es zuhauf im Kino, Comic-Verfilmungen sowieso; und die meisten Komödien, die ihren Weg auf die Leinwand finden, bringen wohl ihr Zielpublikum der anspruchslosen Feuchtwitz-Fanatiker durchweg zum Lachen – wer sich aber nicht über Körperflüssigkeitsorgien amüsieren kann, sondern eine Komödie mit mehr Tiefgang zu schätzen weiß, der muss bisweilen wirklich lange Durststrecken aushalten.
Es mag sein, dass In Good Company ohne die für heutige Komödien häufigen Action-Einlagen auskommt, und infolgedessen nicht zu den spannendsten Filmen des Frühjahrs gehört, aber gerade die ruhige, überlegte und unhektische Inszenierung ist es, die dem Film seinen Charme verleiht – zusammen mit den sehr guten Darstellern und der gelungenen Musik-Untermalung.
Inhaltlich ist das Gezeigte so aktuell wie eh und je und sollte all denjenigen in der Politik eine Lehre sein, die heute (passenderweise) wieder einmal von einer Lockerung des Kündigungsschutzes sprechen – denn damit sind solchen "Hire & Fire"-Firmenphilosophien wie in den USA Tür und Tor geöffnet. Für die junge Generation mag das ein Segen sein, aber wie Reine Chefsache! treffend feststellt, bleibt man nicht ewig 26.


Fazit:
Regisseur und Drehbuchautor Paul Weitz ist es zu verdanken, dass mit In Good Company eine wirklich sehr gute Komödie mit Hintergrund in den Lichtspielhäusern zu sehen ist – getragen von zwei außergewöhnlich guten Darstellern, die sich trotz oder gerade aufgrund ihres Altersunterschiedes (Dennis Quaid ist immerhin 51 Jahre alt, Topher Grace hingegen erst 27) hervorragend ergänzen und die gar nicht so abwegige Geschichte um Dan Foreman und Carter Duryea zum Leben erwecken.
Als Parabel auf die heutige, jugend- und konsumorientierte Wirtschaft funktioniert das ebenso, wie als Spiegelbild für die charakterlose Senkrechtstartergeneration. So ist Reine Chefsache! mehr als nur eine Komödie, wenngleich das ältere Publikum bei manchen Witzen schon deshalb lachen kann, weil Situationskomik und Dialogwitz aus dem Leben gegriffen sind.
Im Ergebnis gelang Weitz ein hintersinniger, ehrlicher, charmanter und humorvoller Film über unsere Zeit – eine Empfehlung für diejenigen, die an der aktuellen Politik und Wirtschaft ansich nicht viel zum Lachen finden.