Pulp Fiction [1994]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 29. Dezember 2022
Genre: Krimi / DramaOriginaltitel: Pulp Fiction
Laufzeit: 154 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1994
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Quentin Tarantino
Besetzung: John Travolta, Samuel L. Jackson, Uma Thurman, Harvey Keitel, Tim Roth, Amanda Plummer, Maria de Medeiros, Ving Rhames, Eric Stoltz, Rosanna Arquette, Christopher Walken, Bruce Willis
Kurzinhalt:
Letztendlich laufen alle Fäden bei Gangster Marsellus Wallace (Ving Rhames) zusammen. Mit dem Boxer Butch Coolidge (Bruce Willis) hat er eine Übereinkunft getroffen, dass dieser einen seiner letzten Kämpfe verliert, worauf Wallace große Mengen Geld wettet. Unterdessen sind die beiden Attentäter Vincent Vega (John Travolta) und Jules Winnfield (Samuel L. Jackson) unterwegs, einen wertvollen Koffer für ihren Arbeitgeber Wallace zu beschaffen. Der Auftrag verläuft anders als gedacht, was Jules dazu bringt, seine Zukunft in dem Milieu ernsthaft zu überdenken, während Vincents größte Sorge ist, was ihm blüht, wenn er Wallace’s zusätzliche Aufgabe nicht erfüllt. Immerhin soll Vincent Wallace’s Frau Mia (Uma Thurman) ausführen, während der Gangster verhindert ist. Als Butch entscheidet, sich nicht an seine Abmachung mit Wallace zu halten, beginnt die gesamte Situation aus dem Ruder zu laufen …
Kritik:
Nach seinem nicht minder Genre prägenden Spielfilmregiedebüt Reservoir Dogs: Wilde Hunde [1992] präsentiert Filmemacher Quentin Tarantino mit Pulp Fiction einen der einflussreichsten und bedeutendsten Independent Neo-Noir-Krimis überhaupt. Erzählt in einzelnen Episoden, die außerhalb ihrer zeitlichen Abfolge vorgestellt werden und sich zeitlich teilweise überlappen, ist das auf so vielen Ebenen gelungen, dass es beinahe schon verblüffend ist, wie viele Filme diesem hier Tribut zollen, wobei er selbst eine Hommage an das Kino von einst ist.
Von Presse wie Publikum seinerzeit gefeiert, dürfte beim näheren Betrachten der einzelnen Elemente kaum etwas davon funktionieren. Angefangen von der episodenhaften Erzählung, in deren Zentrum keine einzige Sympathiefigur steht. Immerhin tragen Ganoven, Attentäter und Gangster die einzelnen Stories. Aber auch die lange Laufzeit von über zweieinhalb Stunden, die sich nicht an dem dreiaktigen, dramaturgischen Aufbau orientiert, müsste Zuschauerinnen und Zuschauer eher abschrecken. Ebenso die exzessive Gewalt, Drogenkonsum verherrlichende Figuren und Dialoge, die von rassistischen, antisemitischen Beleidigungen bis hin zu sexistischen Äußerungen und einer wahren Litanei an Kraftausdrücken reichen. Und doch, oder gerade deshalb, hat Pulp Fiction im Nu den Kultstatus erlangt, den das Werk weiterhin besitzt. Wobei aus heutiger Sicht umso deutlicher wird, wie viele Filmschaffende Tarantino beeinflusst hat.
Die in sich verschachtelte und phasenweise geradezu wahnwitzig anmutende Geschichte folgt den Attentätern Vincent Vega und Jules Winnfield, die für den Gangster Marsellus Wallace arbeiten. Mit dessen Frau Mia soll Vincent in einer Episode ausgehen und fürchtet, wie ein anderer Geschäftspartner von Wallace vom Balkon geworfen zu werden, wenn er Mia auch nur berührt. Der zweitklassige Boxer Butch Coolidge legt bei einem gezinkten Boxkampf Wallace aufs Kreuz und nach einem tödlichen Missgeschick Vincents benötigen er und Jules die Hilfe des „Reinigers“ Winston Wolfe. Ihrer aller Wege kreuzen sich früher oder später, so wie die Geschichte von einer Episode in einem Diner eingerahmt wird, in dem der Ganove Ringo und seine Freundin Yolanda darüber sinnieren, welches Geschäft sie als nächstes ausrauben wollen.
Man könnte auf den ersten Blick vermuten, dass Pulp Fiction nicht mehr ist, als andere Genrevertreter, in denen wenig sympathische Figuren stylisch in Szene gesetzt böse Dinge tun. Doch hinter dem offensichtlich auf Coolness getrimmten Look, den Einblicken in menschliche Abgründe und den ausschweifenden Dialogen liegt viel mehr, als man im ersten Moment zu erkennen vermag.
Nicht nur, dass Tarantino diese inhaltlich teils in absurde Sphären abdriftenden Dialoge meist in langen Einstellungen einfängt, wie wenn Vincent und Jules zu Beginn ihren ersten Auftrag ausführen, die Art und Weise, wie er sie einfängt, spricht buchstäblich Bände. Sei es Jules’ Markenzeichen, wonach er kurz vor einem Mord eine Bibelstelle zitiert, die jedoch in den drei Mal jeweils anders betont wird. Aber auch die Perspektive wandelt sich in den jeweiligen Momenten. Wird Jules beim ersten Mal einschüchternd und herabblickend eingefangen, könnte der Kontrast zum letzten Auftritt des Zitats größer kaum sein. Die persönliche Entwicklung, von der die Figur zuvor spricht, ist hier sichtbar, selbst wenn zwischen beiden Situationen an sich nur ein paar Stunden in der Geschichte liegen. Bruce Willis’ toller Auftritt als Butch und sein zweites Aufeinandertreffen mit Vincent ist fantastisch fotografiert und Christopher Walkens gleichermaßen hervorragend gespielter wie ausufernder Monolog definiert doch Butch als Figur und trägt somit dazu bei, seine Motivation zu verstehen.
Hinzu kommen zahlreiche Momente, die Filmschaffende seither honoriert oder nur müde kopiert haben. Angefangen von einem Tanz zwischen Uma Thurman als Mia und John Travolta als Vincent, bei dem dessen Zurückhaltung vorher wie nachher in seiner Körpersprache sichtbar ist. So wie auch ihre bewusste Provokation. Oder der Einsatz der Adrenalinspritze, bei dem aus den sonst so zurückgelehnten und durch ihren stetigen Drogenkonsum gleichgültigen Figuren eine Panik hervorbricht, dass man kaum anders kann, als lauthals über sie zu lachen. Das ist auch das Geheimnis, weshalb die ständigen rassistischen Ressentiments, die hier wiederholt werden oder die Kraftausdrücke, die jede Minute des Films durchziehen, am Ende nicht abstoßen. Einerseits reden die Figuren über sich selbst in der gleichen Art und Weise, andererseits klingt es derart überzogen und entlarvend, dass man die Äußerungen mit einem Achselzucken beiseite schiebt. Nichts hiervon ist wirklich neu, Regisseur Quentin Tarantino bedient sich bei vielen Filmen des Genres aus unterschiedlichen Epochen, sowohl was den Inhalt wie auch die Umsetzung anbelangt, bis hin zu den Szenen während der Autofahrten mit offensichtlichsten Rückprojektionen. Doch macht genau das den Charme der Erzählung aus, die so viele Werke referenziert und dabei doch ein neues Ideal erschafft.
Am Ende ist das wenn auch nur selten packend, dann doch immer interessant und faszinierend. Zu entdecken, wie die verschiedenen Geschichten zusammenhängen, wie diese Figuren in den jeweiligen Situationen reagieren, macht den Reiz aus. Und herauszufinden, wohin all das führen soll, während man sich fragt, was in dem sagenumwobenen Koffer ist, den Vincent und Jules für Wallace beschaffen. Letztlich wartet die Erkenntnis, dass das Wissen, das Ziel, nicht so entscheidend sind wie die Stimmung auf dem Weg dorthin. Die gelingt Regisseur Tarantino dank einer Besetzung in bester Spiellaune, einer handwerklich fabelhaften Umsetzung und unvergleichlich viel Charme. So notgedrungen manch kreative Entscheidungen hier sein mögen, das Ergebnis ist ein Genreklassiker, den man wieder und wieder entdecken und dessen Szenen man bis zum Umfallen analysieren kann.
Fazit:
Die Gewaltdarstellungen, die rassistischen Dialoge und die Verherrlichung des Drogenkonsums – es gibt Vieles an Quentin Tarantinos zweiter Regiearbeit, das ein Publikum abschrecken könnte. Doch das Gegenteil ist der Fall. Trotz der Laufzeit und der kaum über die gesamte Erzählung aufgebauten Dramaturgie vergehen die zweieinhalb Stunden gefühlt wie im Flug. Die Figuren, die vorgestellt werden, ihre Beziehungen untereinander sowie das Gangstermilieu von Los Angeles, in das die Geschichte Einblick verleiht, erscheint viel größer und umfassender, als der Episodenfilm beleuchtet. Mit einem bestechenden Design, das oftmals wie ein Verweis an die 1940er- und 50er-Jahre erinnert, haftet Pulp Fiction etwas grundlegend Zeitloses an. Die Besetzung ist nicht nur erlesen, sondern in langen Dialogen durchaus gefordert, von den ungebrochenen Einstellungen ganz zu schweigen. In eine herausragende Optik gekleidet und mit vielen ikonischen Momenten versehen, die für sich genommen so überzogen und absurd erscheinen, bei denen man aber aus dem Staunen oder Lachen auch beim wiederholten Male kaum herauskommt, ist dies ein Genre prägendes Werk, dessen Einfluss rückblickend nur umso deutlicher wird. All dies wird mit einer Sicherheit und einer Gelassenheit präsentiert, dass es immer wieder erstaunt. Auf Grund des trocken bösen Humors eignet sich das nicht für ein großes Publikum, doch dasjenige, auf dessen Wellenlänge diese lange Hommage an das Noir-Krimi-Genre liegt, wird eine Zeit haben, die es kaum vergisst.
Rechtzeitig zum 30jährigen Jubiläum präsentiert Paramount Home Entertainment Quentin Tarantinos gefeiertes Werk zum ersten Mal in einer 4K Ultra-HD-Veröffentlichung als limitiertes Steelbook®. Selbiges enthält neben der 4K Ultra-HD-Disc eine inhaltlich noch umfangreichere Blu-ray-Disc. Wie so oft, so schön das Steelbook® selbst ist, es ist bedauerlich, dass die Informationen zum Bonusmaterial, den Ton- und Untertitelspuren nur auf einem zusätzlich angebrachten Backcover enthalten sind, das man entfernen muss, wenn man das Steelbook® öffnen will. Ein Booklet gibt es bedauerlicherweise nicht und das Backcover kann man leider auch nicht in das Steelbook® hineinlegen.
Features der 4K Ultra-HD bzw. Blu-ray | |
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Tonspuren |
• Deutsch, Englisch: DTS-HD Master Audio 5.1 Surround ausschließlich auf der 4K Ultra-HD-Disc: • Französisch: Dolby Digital 2.0 Stereo L/R • Italienisch: Dolby Digital 5.1 Surround • Japanisch: Dolby Digital 2.0 Surround LT/RT |
Untertitel | Englisch, Englisch für Hörgeschädigte, Deutsch ausschließlich auf der 4K Ultra-HD-Disc: Französisch, Italienisch, Japanisch, Koreanisch, Niederländisch |
Extras der 4K Ultra-HD-Disc |
• Nicht das übliche langweile lernen-wir-uns-kennen-Gesülze* (43 min.) • Hier sind ein paar Fakten über die Fiktion (21 min.)* • Wissenswertes – Lange Version (nur auf Englisch) * Untertitel sind wie oben verfügbar |
Extras der Blu-ray-Disc |
• Nicht das übliche langweile lernen-wir-uns-kennen-Gesülze (43 min.) • Hier sind ein paar Fakten über die Fiktion (21 min.) • Pulp Fiction – Die Fakten (Dokumentation, 31 min.) • Geschnittene Szenen (25 min.) • Hinter den Kulissen (11 min.) • Produktionsdesign Featurette (6 min.) • Siskel & Ebert „At the Movies“ – „The Tarantino Generation“ (16 min.) • Independent Spirit Awards (11 min.) • Cannes Film Festival: Rede bei der Preisverleihung der Goldene Palme (5 min.) • Charlie Rose Show (55 min.) • Trailer (US Trailer, UK Trailer, Französischer Trailer, Deutscher Trailer, Japanischer Trailer) • 13 TV Spots • 8 Fotogalerien • Trivia Track (Wissenswertes – auf Deutsch) • 13 Soundtrack-Kapitel • weitere Highlights |
Eines sei vorweg bereits festgehalten für diejenigen, die lediglich an der Blu-ray interessiert sind: Wie das enthaltene Bonus-Material bereits andeutet, handelt es sich dabei um dieselbe Disc, die seit 2012 bereits vertrieben wird. Entgegen manch anderer aktueller Veröffentlichungen, wurde der Film selbst nicht durch eine neu abgetastete Fassung ersetzt. Diese kommt einzig bei der 4K Ultra-HD-Disc zum Tragen.
Die Verbesserungen des 4K-Bildmaterials sind dabei vom ersten Moment an nicht zu übersehen. Angefangen bei einem unvorstellbar laufruhigen, scharfen Bild, springen die Farben förmlich vom Bildschirm. Satte Pastellfarben der gewählten Palette verleihen Pulp Fiction eine nie dagewesene Farbbrillanz, das tiefdunkle Blau von Christopher Walkens Militäruniform scheint zum Greifen nahe. Hierbei kommt der Abtastung das damals gewählte Filmmaterial zugute, das kaum Filmkorn produziert. So wirken die Oberflächen, Texturen der Kleidung und die Haut dreidimensional, ohne grob zu erscheinen. Die dezente Rauschunterdrückung ist kaum wahrnehmbar und die Verzeichnungen der anamorphen Filmkameralinsen am Bildrand unterstreichen die cineastische Wirkung ungemein. Die Bildplastizität rührt ebenfalls von dem erweiterten Kontrastspektrum dank verfügbarem HDR (auch in Dolby Vision). Das Ergebnis ist nicht nur eine enorme Steigerung hinsichtlich der Lebendigkeit der Präsentation mit dezenten Highlights und satten Schwarztönen, vielmehr sieht Quentin Tarantinos Film hier so gut aus wie vermutlich nie zuvor – eine Referenz-Disc!
Der Ton entspricht der bisherigen Blu-ray-Veröffentlichung, was keinen Kritikpunkt darstellt. Die Abmischung in DTS-HD Master Audio 5.1 Surround ist für die Art Film gelungen, selbst wenn der deutsche Ton nicht immer vollständig lippensynchron erscheint. Dass die 4K Ultra-HD-Disc mit mehr Ton- und Untertitelspuren aufwartet, ist eine willkommene Zugabe.
Die Bonusfeatures der 4K Ultra-HD-Disc sind stark beschränkt und dass die reine Untertitelspur „Wissenswertes“ nicht übersetzt wurde, ist bedauerlich, zumal eine (wenigstens teilweise) deutschsprachige Fassung auf der Blu-ray ja enthalten ist. Diese wartet dahingegen mit so vielen Extras auf, dass man buchstäblich Stunden mit ihnen zubringen kann, wobei die entscheidenden auch auf der 4K Ultra-HD-Disc enthalten sind. Dokumentationen, geschnittene Szenen, Featurettes, Beiträge zur kulturellen Bedeutung des Films und viele, viele Trailers und TV Spots werden durch mehrere, thematische Fotogalerien ergänzt. Nichts hiervon ist wirklich neu und war bereits auf der zurückliegenden Blu-ray-Disc enthalten, doch dass all dies an einem Ort versammelt ist, macht das 4K Ultra-HD Steelbook® für Enthusiasten ebenso interessant wie für diejenigen, die Special Features ungern auf viele Editionen verteilt sammeln wollen. Einen umfangreicheren Blick auf die Entstehung dieses Genremeilensteins wird man kaum finden, selbst wenn man sich gewünscht hätte, die Verantwortlichen hätten Regisseur Tarantino zu einem Audiokommentar bewegen können. Solche nimmt er in der Regel für seine eigenen Filme jedoch nicht auf.
Nimmt man all dies zusammen, ist das limitierte 4K Ultra-HD Steelbook® von Pulp Fiction nicht nur für Fans die definitive Veröffentlichung des modernen Klassikers. Zusätzlich zu einem umfangreichen und in vielen Belangen erleuchtenden Hintergrundmaterial, das die Entstehungsgeschichte des Films betrachtet, erhält man den Film selbst erstmals in 4K Ultra-HD in einer Abtastung, die den Noir-Krimi in jeder Hinsicht zum Leuchten bringt. Herausragende Farben und eine Plastizität, die man förmlich mit Händen greifen kann, machen dies zu einer der besten 4K Ultra-HD-Discs des Jahres und präsentieren Pulp Fiction, wie man ihn nie zuvor gesehen hat. Die allermeisten vermutlich nicht einmal im Kino in solch herausragender Qualität. Dass die beiliegende Blu-ray hiervon nicht profitiert, ist bedauerlich, umso mehr, da sich hierauf das allermeiste Bonusmaterial befindet. Doch dies ist ein kleiner Wermutstropfen bei einem Set, das ansonsten in keiner Hinsicht Wünsche offen lässt. Auch in Anbetracht des heraufziehenden Jubiläums von Pulp Fiction, der nicht nur das Genre, sondern eine ganze Generation an Filmschaffenden geprägt hat, ist es die beste Möglichkeit, den Episodenfilm zu erleben. Wie groß und nachhaltig sein Einfluss ist, wird heute vielleicht deutlicher als zuvor.
Wertung der 4K Ultra-HD-Disc:
Pulp Fiction ist seit 8. Dezember 2022 als 4K Ultra-HD als Limited-Edition Collector’s SteelBook® von Paramount Home Entertainment erhältlich! |
Urheberrecht des Bildes liegt bei Paramount Home Entertainment / Paramount Pictures und Miramax. Verwendet mit freundlicher Genehmigung. |