Payback - Zahltag [1999]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 10. März 2003
Genre: Thriller / UnterhaltungOriginaltitel: Payback
Laufzeit: 99 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1999
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Brian Helgeland
Musik: Chris Boardman
Darsteller: Mel Gibson, Gregg Henry, Maria Bello, David Paymer, Bill Duke, Deborah Unger
Kurzinhalt:
Porter (Mel Gibson) ist ein Gangster, der sich mit Diebstählen und vielerlei Jobs über Wasser hält. Als sein Freund Val Resnick (Gregg Henry) ihm anbietet, eine chinesische Gang auszunehmen, stimmt er zu. Sie erbeuten 140.000 Dollar, von denen Resnick 130.000 Dollar für sich braucht, um das Syndikat zu bezahlen.
Ohne Porters Wissen hat Resnick Porters Frau Lynn (Deborah Unger) davon erzählt, dass Porter eine Affäre mit Rosie (Maria Bello) hat, worauf Lynn die Gelegenheit beim Schopfe packt und Porter zweimal in den Rücken schießt. Porter wird für tot gehalten, Resnick ist in das Syndikat, nun zum Outfit umbenannt, aufgenommen und Lynn versorgt sich regelmäßig mit Heroin.
Doch Porter ist nicht tot, er hat überlebt, ließ sich die Kugeln herausoperieren und kommt drei Monate später wieder in die Stadt, um seinen Anteil – die 70.000 Dollar von dem Überfall – von Resnick einzufordern. Als Porter seiner Frau einen Besuch abstattet, stirbt diese an einer Überdosis – über den Boss, Stegman (David Paymer), des Dealers gelangt Porter an Resnicks Adresse, doch dabei werden die beiden korrupten Polizisten Hicks (Bill Duke) und Leary (Jack Conley) auf ihn aufmerksam. Sie wollen Porters Geld für sich, Porter soll es beschaffen. Porter sucht Hilfe bei Rosie und macht sich im Alleingang auf, vom Outfit sein Geld zu bekommen. Doch weder Resnicks Boss Carter (William Devane), noch Fairfax (James Coburn) können glauben, dass sich ein Mann mit dem Outfit wegen 70.000 Dollar einlässt. Selbst beim Chef des Outfit, Bronson (Kris Kristofferson), stößt er zunächst auf taube Ohren, doch als Porter Bronsons Sohn entführt und als Druckmittel benutzt, macht er sich das Outfit zu seinem schlimmsten Feind.
Kritik:
"Nie mehr Mr. Nice Guy", so lautete die Werbezeile auf den einheimischen Kinoplakaten. Ansich kann man dagegen nichts sagen, Mel Gibson schießt, prügelt, raucht und erpresst, dass man sich zunächst fragen muss, ob er sich das Drehbuch wirklich durchgelesen hatte, bevor er die Rolle annahm. Er spielt sein bekanntes Image gegen sich aus und stößt damit viele Fans vor den Kopf – wer sich jedoch einen knallharten Gibson in einer ironischen, immens coolen und dazu doch irgendwie veständlichen Rolle vorstellen kann, der wird mit Payback 100 interessante Minuten verbringen können, bei dem durchaus Köpfchen gefragt ist. Selbiges benötigt man nämlich, um die recht komplexe Story (für eine solche Art Film) und vor allem die Verstrickungen in derselben verstehen zu können.
Insofern kann das Drehbuch wirklich überzeugen, für einen simplen Rache-Film hat sich Regiedebütant Brian Helgeland, der zwei Jahre zuvor für sein L.A. Confidential [1997]-Drehbuch den Oscar erhielt, an eine interessante Vorlage, basierend auf dem Roman von Donald E. Westlake, gewagt, um seinen Anti-Helden zu protraitieren. Doch während Porter am Anfang noch zum Ziel kommt, ohne bei seinen "Befragungen" bleibende Schäden zu hinterlassen, wird der Body-Count ab der Filmmitte sehr schnell in die Höhe getrieben – und das nicht unbedingt zum Wohle des Films. Stellenweise wirkt Payback schlicht zu brutal, besonders die Szenen vor dem Finale gehen über das Maß an "normaler" Gewalt hinaus und lassen den einen oder anderen Zuschauer angewidert wegsehen.
Ob das von Helgeland allerdings so geplant war, sei dahingestellt, doch dazu später mehr.
Prinzipiell ist die Story nicht neu, weist allerdings einige interessante und auch amüsante Elemente auf, so beispielsweise, dass Porter nicht etwa in die Stadt gekommen ist, um Resnick zu töten, sondern eigentlich nur, um seine 70.000 Dollar zu bekommen – ob das logisch oder gar nachvollziehbar ist, muss jeder für sich entscheiden, allein die Ungläubigkeit auf den Gesichtern der anderen Charaktere zu sehen, wenn er seine Forderung vorträgt, ist das Einschalten aber schon wert.
Für den Zuschauer ist es mit Sicherheit angenehm, dass sich der Film nicht auf einfachem Weg dem Ziel nähert, sondern mit dem Ganoven Stegman und den beiden korrupten Cops ein unerwartetes Element einbringt, mit dem Porter erst einmal fertig werden muss. Wie er das letztendlich bewerkstelligt (oder ob es ihm überhaupt gelingt), sollte der Zuschauer selbst sehen.
Auch Val Resnick mit seiner Domina Pearl, "eindrucksvoll" gespielt von Lucy Liu (Ally McBeal [1997-2002] und 3 Engel für Charlie [2000)] und das im wörtlichen Sinne, bilden einen interessanten und teils witzigen Nebenplot; dass die chinesische Gangstergang vom Beginn später auch noch eine Rolle spielt, erhöht den Einsatz zusätzlich. Fast unübertroffene Höhepunkte sind allerdings die Outfit-Schurken Bronson (Kris Kristofferson), Fairfax (James Coburn, der weder im Vor- noch Abspann erwähnt wird) und Carter (William Devane). Ihre leicht elitäre, vornehme, fast schon englische Art, und bei den letzten beiden auch ihre fast schon anrührende Spekulation auf den Sportsgeist in Porter, machen ihre Szenen zu den Höhepunkten des Films, insbesondere William Devane wurden einige Dialoge und Monologe in den Mund gelegt, die beinahe Kultcharakter besitzen.
Dass gerade bei einem solchen Film, der von einem wortkargen Hauptcharakter lebt, auf pointierte und witzige Dialoge geachtet wird, mag auf den ersten Blick verwundern, erinnert entfernt auch an Quentin Tarantino, passt aber gut zur Atmosphäre des Films.
Viel mehr kann man über das Drehbuch allerdings nicht sagen, außer dass es wie der Film selbst in mehreren Etappen entstand und genau diesen Eindruck macht – doch dazu später mehr.
Was die Darsteller angeht, scharte Produzent und Hauptfigur Mel Gibson ein gutes und vor allem erwachsenes Ensemble um sich, das vielleicht nicht zu den hochbezahlten Hollywood-Stars gehört, dafür aber mit mehr Elan, Begeisterung und Können zu Werke geht.
Gregg Henry kann als schmieriger und widerwärtiger Bösewicht überzeugen – bereits nach wenigen Minuten ist es er einem schon unsympathisch –, wohingegen die aus Emergency Room [seit 1994] bekannte Maria Bello als Gegenpol und Porters Rettungsanker fungiert und mit genau dem richtigen Grad zwischen Unschuld und Verruchtheit agiert, damit ihre Rolle glaubhaft erscheint.
Porters Ex-Frau, verkörpert von Deborah Unger, hat zwar nur einen kurzen Auftritt, aber auch bei ihr gibt es nichts zu beanstanden. Ebenso als gelungene Nebencharaktere entpuppen sich Stegman, gespielt von David Paymer und die beiden korrupten Polizisten, in deren Anzügen Bill Duke (Predator [1987]) und Jack Conley stecken. Auch diese drei Darsteller können überzeugen, Paymer darf allerdings für die meisten Lacher sorgen.
Lucy Liu hat einige kurze, dafür umso witzigere Auftritte, in denen sie ihrem verruchten Image entsprechen darf und die meisten männlichen Zuschauer für sich gewinnen dürfte. Dass sie zum Schluss hin keine Rolle mehr spielt, ist schade; sie hätte gerade vor oder nach dem Finale noch für eine Auflockerung sorgen können.
Das Outfit wird von William Devane, James Coburn und Kris Kristofferson würdig vertreten, die ebenfalls alle überzeugen können, obwohl ihre Rollen ganz unterschiedlich angelegt sind. Insbesondere Devane verliert durch die Synchronisation allerdings viel an Charakter, Kristofferson war ursprünglich gar nicht im Drehbuch – aber dazu ebenfalls später.
Die Hauptrolle bekleidet, und daran wird kein Zweifel gelassen, Mel Gibson, der sein Image als "Netter Typ" auf's Korn nimmt und selbiges mit genüsslicher Ruhe zerpflückt. Doch, und das ist eines der Hauptprobleme des Films, wirklich böse wirkt er anfangs nicht.
Wer könnte es ihm verübeln, wenn er einen Heroin-Dealer solange bearbeitet, bis dieser ihm den Namen seines Arbeitgebers verrät? Und alle Charaktere bis auf Maria Bello sind im Drehbuch so überspitzt bösartig gezeichnet, dass Porter trotz seiner Skrupellosigkeit und seiner Brutalität immer noch als Held, als der einzig Gute mit Prinzipien, erscheint, und genau damit begibt sich das Skript auf Glatteis.
Jemanden zu glorifiziern, der auch gegen mehr oder weniger wehrlose Menschen noch Gewalt ausübt, ist schon mehr als nur fragwürdig. Und so kommt man als Zuschauer irgendwann an den Punkt, an dem das Lachen im Halse stecken bleibt, denn manche Reaktionen hätte man von Porter im Film so nicht erwartet.
Dass es ihm letztendlich nur darum geht, sein Geld zurückzubekommen, macht das Ganze nicht weniger schlimm, im Gegenteil. Vor allem liegt schwer im Magen, dass Porter ab der Hälfte des Films zunehmend mehr Leichen auf seiner Seite zu verbuchen hat, als seine Gegenspieler; und das wegen "nur" 70.000 Dollar.
Wenn er es, wie in manchen Situationen, geschafft hätte, all seine Gegner gegeneinander auszuspielen, wie es beispielsweise in Der Staatsfeind Nr. 1 [1998] geschieht, wäre das nicht nur interessanter gewesen, sondern hätte auch besser ins Gesamtkonzept gepasst. Erneut muss man allerdings anmerken, dass sich das der Regisseur vielleicht gar nicht so gedacht hatte – doch dazu später.
Visuell gerriet der Film überraschend; der beinahe konstante Blaufilter ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, verstärkt allerdings den Eindruck Porters, dass es auf der Welt ohnehin kein Gut oder Böse (schwarz oder weiß) mehr gibt, sondern nur noch ein einheitliches Grau. Auffallend hierbei ist, dass dieser Filter weitaus schwächer ist, während Porter sich bei Rosie aufhält. Erst, als die Gewalt auch in ihr Apartment Einzug hält, vermischen sich die Farben.
Kamera und Schnitt sind gut gelungen, warten teilweise mit ungewöhnlichen Einstellungen auf, sind allerdings meist auf den Hauptdarsteller ausgerichtet.
Der Schauplatz der namenlosen Stadt (nicht einmal auf den Polizeimarken ist ein Name angegeben) mit den zahlreichen Wolkenkratzern ohne Identifikationsmöglichkeit oder Abwechslung ist ebenfalls sehr ungewöhnlich, fällt allerdings nur dem wachsamen Auge auf. Sie bietet eine gute Kulisse für einen solchen Film.
Chris Boardman liefert mit seiner Musik eine solide Arbeit ab, die sehr gut zum Film passt. Wie die gesungenen Lieder macht der instrumentale Score den Eindruck, als wäre er mit Jazz-Elementen durchsetzt. Er wirkt sehr rhythmisch und fällt nie negativ auf, vielmehr baut die Musik schon während des Vorspanns (ebenso wie in manchen Szenen) eine Spannung auf, die dem Film eine angenehmes Tempo verleiht.
Es verwundert etwas, dass er seither bei keiner größeren Produktion mehr als alleiniger Komponist beteiligt war.
Die deutsche Synchronisation ist zwar nicht schlecht geworden, die meisten Sprecher (insbesondere Elmar Wepper, der Mel Gibson einmal mehr seine Stimme lieh) verstehen ihr Handwerk, und obwohl Elmar Wepper die Stimmung auf dem Bildschirm immer gekonnt einfägt, wirkt seine Stimme im Vergleich zum Original zu weich. Gibsons kratzige und verrauchte Stimme allein sind den Griff zur Originalfassung wert, ebenso wie der bereits angesprochene William Devane. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Darstellern und ihren deutschen Stimmen. Durch die Synchronisation verliert der Film viel von seinem Flair, auch wenn es hinsichtlich der Arbeit des Tonstudios nicht wirklich etwas zu beanstanden gibt.
Manche Filme eignen sich für eine Synchronisation eben nicht sehr gut.
Nachdrehs sind bei Filmen heutzutage eigentlich ganz normal, es gibt keine größere Produktion, die nicht einige Monate nach Drehschluss und ebenso vor dem Kinostart, noch einmal die Stars zusammentrommelt und ein paar Szenen neu dreht. Grund hierfür ist einfach, dass bei den meist unzähligen Filmrollen, die gedreht wurden und der mehrmonatigen Drehphase dem Regisseur am Schluss auffällt, dass er hier und da noch eine Szene einbauen möchte, oder dass eine Aufnahme nicht so wie gewünscht geworden ist.
Im Falle von Payback drehte Mel Gibson knapp 30 Minuten des Films neu, baute neue Charaktere ein und änderte allgemein die Stimmung des Films, weil der erste Rohschnitt des Films, der auch einem Testpublikum gezeigt wurde, den Zuschauern zu düster war. Gibsons Charakter war noch skrupelloser und brutaler geraten – um ihn für die Zuschauer eher zugänglich zu machen, verlangte Gibson ausgiebige Nachdrehs, die er (als sich Brian Helgeland weigerte) auch selbst in die Hand nahm. Mit seinen künstlerisch wie kommerziell erfolgreichen Regiearbeiten Der Mann ohne Gesicht [1993] und Braveheart [1995] hatte sich Gibson nicht nur einen Namen gemacht, da er Payback auch produzierte konnte er sich relativ leicht über den Kopf des Regisseurs hinweg durchsetzen.
Was angesichts der großen Nachdrehs allerdings verwundern wird, ist, dass der ursprüngliche Film von Helgeland 15 Minuten kürzer (!) ging. Einen speziellen Director's Cut gibt es allerdings nicht und ist wohl auch nicht geplant, Payback war zwar recht erfolgreich, blieb allerdings hinter seinen Möglichkeiten zurück und spielte knapp das Eineinhalbfache seiner 50-Millionen-Dollar-Produktionskosten in den USA ein. Die Zuschauer waren aufgrund der immensen Startverzögerung von knapp einem halben Jahr (hervorgerufen durch die Nachdrehs) verunsichert und die Kritiker von dem Film nicht sehr begeistert.
Hinzugekommen durch Mel Gibsons Regie ist unter anderem die Eröffnungsszene und ein gänzlich anderes Finale. In Helgelands Version fand das Finale auf Straßenbahnstation statt, bei dessen Ende Porter in den Rücken geschossen wurde, allerdings am Ende mit Maria Bello (nach einer Behandlung durch den ominösen Arzt) in einem Auto ohne Geld aus der Stadt fuhr.
Kris Kristofferson kam ursprünglich ebenfalls nicht vor, das Outfit wurde von einer Frau angeführt, die nur über das Telefon zu hören war (gesprochen von Angie Dickinson) und Porters Bedingungen auch viel schneller erfüllt hat.
Neben weiteren Änderungen starb in jener Version auch der Hund 'Porter', der im endgültigen Film nur angeschossen wird ; einige Dialogszenen wurden ebenfalls abgewandelt.
Diese Überarbeitungen sieht man Payback nicht unbedingt an, auch wenn der Film etwas unentschlossen zwischen Actionthriller und Satire pendelt.
Interessant wäre die ursprüngliche Schnittfassung dennoch, schon allein um zu sehen, ob Gibsons Charakter immer noch der "Gute" unter den Bösen wäre.
Zweifelsohne bleibt Payback hinter seinen Möglichkeiten zurück, insbesondere die zweite Hälfte des Films kann sich nicht recht zwischen Katz-und-Maus-Thriller und brutalem Actionfeuerwerk entscheiden. Manche Dinge wirken arg konstruiert und auch Porters Motivation bleibt im Dunkeln, abgesehen davon gibt es allerdings einen interessanten Thriller zu sehen, der durchaus zu unterhalten weiß, und in dem Mel Gibson in einer für ihn sehr ungewohnten Rolle zu sehen ist.
Fazit:
Mel Gibson in einer Bösewichtsrolle wäre wirklich eine angenehme Abwechslung. Doch angesichts der anderen Charaktere wirkt er immer noch wie der Ritter in schimmernder Rüstung, dabei hat er allerdings keine Skrupel, auf Leute einzuprügeln, die bereits am Boden liegen.
Visuell interessant, mit vielen coolen Sprüchen und harten Szenen gespickt, ist der Film nur etwas für Erwachsene, die auch mit sehr makaberem Humor zurecht kommen. Letztendlich wirken viele Szenen unnötig brutal, dafür ist Payback wenigstens unterhaltsam und kurzweilig.