ParaNorman [2012]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 23. März 2013
Genre: Animation / Fantasy / Horror

Originaltitel: ParaNorman
Laufzeit: 92 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2012
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Chris Butler, Sam Fell
Musik: Jon Brion
Originalstimmen: Kodi Smit-McPhee, Tucker Albrizzi, Anna Kendrick, Casey Affleck, Christopher Mintz-Plasse, Leslie Mann, Jeff Garlin, Elaine Stritch, Bernard Hill, Jodelle Ferland, Tempestt Bledsoe, Alex Borstein, John Goodman


Kurzinhalt:
Die Kleinstadt Blithe Hollow vermarktet sich seit jeher als Ort, an dem einst eine Hexe ihr Unwesen trieb, die von sieben Männern zur Strecke gebracht wurde. Wirkliche Zweifel daran hat Norman Babcock (Kodi Smit-McPhee) nicht, immerhin kann der Junge Geister sehen und mit ihnen sprechen, wieso sollte es also keine Hexen geben? Seine Familie, insbesondere sein Vater Perry (Jeff Garlin) und seine Schwester Courtney (Anna Kendrick) haben für Normans Begabung kein Verständnis und auch in der Schule wird Norman dafür aufgezogen, am schlimmsten von Alvin (Christopher Mintz-Plasse), der nicht einmal seinen eigenen Namen beim ersten Mal richtig schreiben kann. Einzig der ebenfalls gehänselte Neil (Tucker Albrizzi) sucht Normans Freundschaft, doch der meint, er sei allein besser dran.
Bis eines Tages Norman von seinem Onkel Mr. Prenderghast (John Goodman) aufgesucht wird, der ihm ankündigt, dass bald die Toten aus ihren Gräbern steigen und nur Norman den Fluch der Hexe beenden kann. Auch wenn er nicht weiß, wie das alles zusammenhängen soll, macht sich Norman widerwillig auf, den Anweisungen seines Onkels zu folgen. Doch nachdem ihn Alvin davon abgehalten hat, den Geist der Hexe zu besänftigen, stehen sie wenig später tatsächlich einer Gruppe Zombies gegenüber ...


Kritik:
Die Filmemacher Chris Butler und Sam Fell erzählen ParaNorman in der Tradition von Coraline [2009] oder Tim Burton's Corpse Bride - Hochzeit mit einer Leiche [2005]. Allen drei Filmen ist gemein, dass sie sich augenscheinlich an ein kindliches Publikum richten, aber eigentlich eher für erwachsene Zuseher geeignet sind. Dies zum einen, da manche Elemente schlicht zu gruselig sind (was sich erstaunlicherweise in der FSK-Freigabe niederschlägt), zum anderen, weil auch ParaNorman so viele Anspielungen und Hinweise auf bekannte und weniger bekannte Horrorfilme enthält, dass Kinder beinahe nur einen halben Film zu sehen bekommen. Nur, welche volljährigen Zuseher, die alt genug sind, die Filme zu erkennen, auf die hier Bezug genommen wird, sind bereit, sich einen Stop-Motion-Film anzusehen? Einerseits wohl mehr, als man glauben mag, andererseits wohl weit weniger, als sich die Produzenten gewünscht hätten.

Die Geschichte verschlägt uns in das schräge Örtchen Blithe Hollow, das sich ganz auf die Geschichte der Stadt ausgerichtet hat, laut der vor 300 Jahren eine Hexe dort hingerichtet wurde. Dementsprechend sind alle möglichen Läden benannt und vor dem Rathaus steht sogar eine Figur jener angeblichen Unheilsbringerin. In dieser Umgebung ist Norman Babcock aufgewachsen und auch wenn weder seine Familie, noch seine Schulkameraden davon hören möchten, dass er mit Toten sprechen kann, für ihn ist es das normalste der Welt. Er hat auch keine Angst vor ihnen, vielmehr fühlt er sich von den Geistern mehr verstanden, als von den Lebenden.
Mit seinem Onkel Mr. Prenderghast hat er keinen Kontakt, auf Wunsch seines Vaters, dem ein "Verrückter" in der Familie schon ausreicht. Bis Prenderghast Norman auf dem Schulweg aufsucht und versucht ihm mitzuteilen, dass er der einzige sei, der verhindern könne, dass die Untoten über die Erde wandeln.

In vielen anderen Filmen kann man sich so einen Moment mit schauriger Musik und spärlicher Ausleuchtung vorstellen. In ParaNorman geschieht dies am helllichten Tag und dank der unproportionierten Figuren kann man kaum anders, als zu schmunzeln. Dass wenig später tatsächlich die Toten aus ihren Gräbern steigen, ist dabei schon eher unheimlich, auch weil die sieben Zombies genau so aussehen, wie man sie sich vorstellen würde. Bis es soweit ist, lässt sich das Skript von Ko-Regisseur Chris Butler allerdings überraschend viel Zeit. So kommt es, dass sowohl die erste, als auch die letzte halbe Stunde von ParaNorman sehr gut gelungen sind, während die dreißig Minuten dazwischen zu lang, unentschlossen und unstrukturiert erscheinen. Hier weiß die Story nicht, wo sie hin und ebenso wenig, ob sie nun humorvollen Grusel oder gruselig-lustige Unterhaltung erzählen möchte. Eine wirklich gute Überraschung ist den Machern hingegen im letzten Akt gelungen, in dem die "Hexe" endlich zu sehen ist. Was bis dahin an Wendungen vorgegeben wird, orientiert sich allerdings an bekannten Genrekonventionen.

Was insbesondere ältere Zuseher zu schätzen wissen werden ist die Machart des fantasievollen Animationsfilms. Die Animationen der Stop-Motion-Technik sind derart flüssig, dass man in den meisten Fällen die Bewegungsabläufe einer modernen Computeranimation zuschreiben würde. Die Hintergründe sind detailliert und farbenfroh und dass sich die Macher entschieden, den Film in 3D aufzunehmen, bemerkt man auch in der 2D-Darbietung anhand der deutlichen Unterteilung der Szenen in unterschiedliche Raumtiefen. Doch das ist kein Kritikpunkt. Auch weist ParaNorman deutlich mehr Elemente aus dem Computer auf, als die eingangs genannten Filme, wovon allerdings gerade die zweite Filmhälfte merklich profitiert. Den beiden Regisseuren gelingt ein modernes Gruselmärchen mit positiver Aussage, das gekonnt Stop-Motion-Technik auf einem nie dagewesenen Niveau präsentiert und dennoch andere Animationstricks zu Hilfe nimmt, um einen einzigartigen Look zu erzeugen. Erwachsene Zuschauer werden sich insbesondere an den vielen Verweisen auf bekannte Grusel- und Horrorfilme versuchen können, von denen manche allerdings nur in Standbildern wirklich zu erkennen sind. Dass der Film im Mittelteil zu lang geraten ist, ist angesichts des betriebenen Aufwands umso bedauerlicher.


Fazit:
Zu sehen, mit welchem Detailreichtum Blithe Hollow von den Filmemachern zum Leben erweckt wird, ist ebenso beeindruckend wie die Vielfalt der Figuren. Dank des skurrilen Looks bietet ParaNorman auch sehr viel Grund zum Schmunzeln, zumal sich manch ein Zuseher zweifelsfrei an andere Gruselfilme erinnert fühlt. Dennoch packt uns das Schicksal der Figuren erst im letzten Drittel und auch dann nur bei wenigen. So interessant der Auftakt und so gelungen der letzten Akt, den Mittelteil erzählen die Macher so lang wie orientierungslos, so dass die eineinhalb Stunden letztendlich länger erscheinen, als sie sind.
Die Technik, mit der das einfallsreich gestaltete und durchaus charmante Märchen umgesetzt wurde, ist beeindruckend und wirkt zweifelsfrei plastischer als viele moderne Animationsfilme. Erwachsene Zuschauer, die sich einen kindlichen Kern bewahrt haben, sind hier fraglos gut aufgehoben. Für ein Kinderpublikum werden nicht nur viele Anlehnungen unverständlich sein, manche Abschnitte sind für sie schlicht zu unheimlich.