Papillon [2017]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. Dezember 2018
Genre: Drama / Biografie

Originaltitel: Papillon
Laufzeit: 117 min.
Produktionsland: Tschechien / Spanien / USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Michael Noer
Musik: David Buckley
Darsteller: Charlie Hunnam, Rami Malek, Yorick van Wageningen, Roland Møller, Tommy Flanagan, Eve Hewson, Michael Socha, Brian Vernel, Ian Beattie, Nicholas Asbury, Nikola Kent, Slavko Sobin


Kurzinhalt:

Anfang der 1930er-Jahre wird der Dieb Henri „Papillon“ Charrière (Charlie Hunnam) in Paris für einen Mord, den er nicht begangen hat, zu einer lebenslangen Haftstrafe in der Strafkolonie St. Laurent in Französisch-Guyana verurteilt. Die Flucht ist für ihn die einzige Möglichkeit, zu seinem alten Leben mit Nenette (Eve Hewson) zurückzukehren. Auf der Überfahrt nach Südamerika macht Henri die Bekanntschaft mit dem reichen Fälscher Dega (Rami Malek) und willigt ein, ihn zu beschützen, wenn er Henri im Gegenzug die Flucht finanziert. Doch der Fluchtversuch scheitert, woraufhin Henri Jahre in Einzelhaft unter Aufsicht des Gefängnisdirektors Barrot (Yorick van Wageningen) verbringt. Je mehr Zeit sie gemeinsam in Gefangenschaft verbringen, umso mehr entwickelt sich die anfängliche Übereinkunft zwischen Dega und Papillon zu einer Freundschaft, die für beide mehr wert ist, als ihr eigenes Leben …


Kritik:
Michael Noers Papillon ist die zweite Verfilmung der Biografie des Franzosen Henri „Papillon“ Charrière, der im Jahr 1933 in die Strafkolonie in Französisch-Guayana gesandt wird. Der Film schildert den Alptraum, den die Gefangenen dort erleben und was Henri auf sich nimmt, um zu entfliehen. Aber so tadellos das dargebracht ist und so ordentlich es gespielt sein mag, es lässt jegliche Verbindung zu den Charakteren vermissen, deren Schicksale deshalb nie mitreißen.

Das beginnt mit so einfachen Dingen, wie dass man nie auch nur die einfachsten Details über die Titelfigur erfährt. Sieht man Papillon das erste Mal, erlebt man ihn als Einbrecher und Dieb, der für einen einflussreichen Gangster der französischen Unterwelt tätig ist, welcher – als er herausfindet, dass Papillon ihn betrügt – dafür sorgt, dass der Dieb für einen Mord verurteilt wird, den er nicht begangen hat. Noch bevor sein Schiff in die Strafkolonie überhaupt abgelegt hat, steht für ihn fest, dass er fliehen muss, um mit seiner Geliebten Nenette wieder vereint zu sein. Doch ihre Figur taucht nach den ersten Minuten gar nicht mehr auf. Was ihn somit die Jahre der Einzelhaft, die Isolation und die Misshandlungen überstehen lässt, welcher Gedanke ihn tatsächlich am Leben hält, klärt Papillon nie.

In der Gefangenschaft lernt Papillon den reichen Fälscher Louis Dega kennen und nimmt auf sich, den unbeholfenen Mann zu beschützen, damit dieser ihn mit den monetären Mitteln versorgt, die geplante Flucht zu finanzieren. Auch über ihn erfährt man außer dem, was als beschreibende Sätze über ihn bei seinem ersten Auftritt gesagt wird, nicht mehr, so dass auch er als Figur kaum an Profil gewinnt. Wie übersteht er, auf sich allein gestellt, die Jahre, in denen Papillon ihm nicht helfen kann? Die übrigen Figuren werden ebenfalls kaum beleuchtet, allen voran der Gefängnisdirektor Barrot, dem Papillons Durchhaltevermögen imponiert.
Filmemacher Noer lässt die Jahre, die Papillon in Isolationshaft verbringt, vergehen, aber wie sich die Stille auf ihn auswirkt, ihn als Person verändert, macht er dabei nicht greifbar. Auch nicht, wie viel Zeit überhaupt vergeht. Dass Papillon im Jahr 1941 und somit noch vor dem Zweiten Weltkrieg die Flucht gelingt, wird nicht einmal in den Texttafeln nach dem Abspann erwähnt. Ebenso wenig, wie er die Zeit bis zum Epilog im Jahr 1969 verbracht hat. Als Biografie eignet sich Papillon damit nur bedingt.

Damit der Film jedoch als packendes Drama funktionieren könnte, müssten die Figuren greifbarer sein. Zwar ist insbesondere die körperliche Veränderung von Hauptdarsteller Charlie Hunnam eindrucksvoll, der in der Gefangenschaft merklich ausmergelt. Aber es hindert Michael Noer nicht daran, seine Muskeln trotzdem betont einzufangen. Wie sieht der Alltag in Gefangenschaft tatsächlich aus? Fielen die Sträflinge Seuchen zum Opfer oder der mangelnden Hygiene? Welche Auswirkungen hatte die Zwangsarbeit und wie hoch war auch die Gewaltbereitschaft unter den Gefangenen selbst? All das sind Fragen, die Papillon wenn überhaupt, dann nur anreißt, aber nie letztendlich beantwortet. Stattdessen präsentiert sich der Film in Bildern vom Dschungel und dem Meer, die nie die Isolation oder die Hoffnungslosigkeit der Figuren transportieren. All das scheint zu glatt, zu wenig gehaltvoll, um dem eigenen Anspruch vollends gerecht werden zu können. Es ist weniger das, was der Regisseur zeigt als das, was er alles nicht zeigt, das den letztendlichen Eindruck prägt.

Sieht man Papillon als ruhiges, stellenweise intensiv gespieltes Drama, ist der Film durchaus gelungen und wartet mit einer tadellosen Ausstattung und einer routinierten handwerklichen Umsetzung auf. Einen Blick auf das, was eine solche Gefangenschaft mit den jeweiligen Personen anrichtet, wie es sie verändert und sie jenseits ihrer Grenzen bringt, gewährt der Film jedoch nur in Auszügen. Das ist am Ende dank der schauspielerischen Leistungen sehenswert, überzeugt vor allem als würdige Biografie jedoch nicht.


Fazit:
Wird Henri vom Gefängnisdirektor zu mehreren Jahren Einzelhaft verurteilt, geschieht dies, damit er „gebrochen“ wird. Aber wie sich das zeigen bzw. woran das Publikum erkennen soll, dass es ihm bei Papillon nicht gelungen ist, verschweigt Regisseur Michael Noer gleichermaßen. Über den Titel gebende Hauptfigur erfährt man sowohl im Vorfeld wie auch im Nachhinein zu wenig, als dass sich der Film als Biografie eignen würde. Für ein packendes Drama beleuchten die Macher die Figuren allerdings generell zu wenig und auch der Blick auf den Gefängnisalltag geht selten über oberflächliche Beobachtungen hinweg. Dafür ist Papillon allerdings makellos eingefangen und überzeugt dank einiger schauspielerischer Leistungen, allen voran von Charlie Hunnam und Rami Malek. Doch das ist nicht nur in Anbetracht dessen, was der Film hätte sein können, schlicht zu wenig.