Morbius [2022]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 31. März 2022
Genre: Action / Fantasy

Originaltitel: Morbius
Laufzeit: 108 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Daniel Espinosa
Musik: Jon Ekstrand
Besetzung: Jared Leto, Matt Smith, Adria Arjona, Jared Harris, Al Madrigal, Tyrese Gibson, Corey Johnson, Michael Keaton


Kurzinhalt:

Auf der Suche nach einem Heilmittel für eine seltene Blutkrankheit, die ihn seit seiner Kindheit an ständige Behandlungen fesselt und der er zunehmend erliegt, sucht Dr. Michael Morbius (Jared Leto) in Costa Rica nach einer speziellen Fledermausart, die sich von Blut ernährt. Ein Selbstversuch mit einem Medikament, bei dem ihn Dr. Martine Bancroft (Adria Arjona) unterstützt, scheitert und verwandelt Morbius in ein Monster, das das Blut seiner Opfer aussaugt. Ist der Blutdurst gestillt und hat Morbius die niederen Instinkte unter Kontrolle, ist er aber körperlich nicht nur gesund, sondern besitzt übermenschliche Fähigkeiten. Während er selbst einen Weg sucht, die Prozedur umzukehren, kommen seinem Geheimnis zwei FBI-Agenten auf die Spur. Seinem besten Freund Lucien (Matt Smith), der ebenfalls an der seltenen Blutkrankheit leidet und Michaels Forschung mitfinanziert hat, verweigert Morbius die Behandlung und sieht sich kurz darauf mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe auch eine Krankenschwester gerötet. Wer immer ihn zu beschuldigen versucht, stellt auch eine Gefahr für Michaels früheren Arzt und Mentor Nicholas (Jared Harris) sowie Martine dar …


Kritik:
Ein wenig fühlt sich Morbius an, als hätten die seit beinahe 15 Jahren mit unbändigem Erfolg das Kino erobernden Marvel-Comicverfilmungen den Weg zu ihren frühen Ursprüngen zurück gefunden. Nicht nur, was die inhaltliche Ausrichtung anbelangt, auch die Erzählweise zusammen mit ihren vielen Klischees erinnert an Filme wie Blade [1998] oder Daredevil [2003]. Ähnlich wie die beiden Venom-Verfilmungen der jüngsten Zeit, richtet sich Daniel Espinosas Adaption der Comic-Vorlage an ein spezielles Publikum. Das müsste nicht unbedingt ein Kritikpunkt sein.

Auf dem höchsten Gipfel eines Bergmassivs auf Costa Rica, dem Cerro de la Muerte („Gipfel des Todes“), ist der Wissenschaftler Dr. Michael Morbius auf der Suche nach einem Heilmittel für die tödliche Blutkrankheit, die sowohl ihn als auch seinen besten Freund seit Kindertagen, Lucien, langsam dahinrafft. Dabei ist er auf der Suche nach speziellen, sich von Blut ernährenden Fledermäusen, deren Speichel einen Stoff enthält, so dass das Blut nicht gerinnt. Seine bisherige Forschung führte zwar dazu, dass Morbius künstliches Blut entwickelte, doch mit den Fledermäusen soll ein Heilmittel möglich sein. Der Selbstversuch, den er mit seiner Kollegin Dr. Martine Bancroft auf einem – aus welchem Grund auch immer von Söldner geführten – Frachtschiff unternimmt, scheitert. Mit dem Heilmittel injiziert, verwandelt sich Morbius in einen Vampir mit einem Verlangen nach Blut. Ist das gestillt, scheint Morbius gesund und kann auf die vampirischen Instinkte ebenso zurückgreifen wie auf eine übernatürliche Stärke, Schnelligkeit, einen außergewöhnlichen Geruchssinn und sogar ein Echolot. Doch beim Geruch von Blut kann er sich kaum kontrollieren und die Wirkung ist nur vorübergehend. Er braucht darum regelmäßig neues Blut, um das Monster in sich zu bändigen und seine Kräfte zu nutzen.

Insoweit erinnert Morbius an viele andere Comicfiguren vor ihm, auch wenn es besser ist, nicht allzu sehr darüber nachzudenken, weswegen er kurz nach der Injektion der Fledermaus-DNA von der Decke hängt. Das Publikum akzeptiert immerhin auch, dass ein Spinnenbiss einen Jungen in Spider-Man verwandeln kann. Aber während dessen Fähigkeiten sein Äußeres nicht verändern, ist dies bei Morbius anders. Der verwandelt sich physisch in einen Vampir, mit blutroten Augen, weißer Haut, ausgemergelten Kieferknochen und Klauen statt Fingernägeln. Wie all das in Sekundenbruchteilen geschehen soll, sei dahingestellt. Besonders offensichtlich wird der Glaubenssprung, den die Verantwortlichen vom Publikum erwarten, jedoch bei den dunkel gefärbten Reißzähnen, in die sich Jared Letos Gebiss verwandelt. Dass die Verwandlung in ihrer physischen Brutalität nicht ansatzweise an American Werewolf [1981] heranreicht, sei nur der Form halber erwähnt, denn – welche hat dies seither schon getan? Darüber hinaus scheint Morbius der Prozess keine Schmerzen zu bereiten. Sieht man ihn und seinen späteren Widersacher jedoch in Designerkleidung und Vampirantlitz gegeneinander antreten, hat dies etwas bewusst gestylt Surreales.

Viel offensichtlicher, als die durchwachsenen Trickeffekte ist der Umstand, dass Filmemacher Espinosa seiner Figur keine Zeit gibt, irgendetwas zu entdecken. Von dem Moment, da er sich zum ersten Mal verwandelt, bis er seine Fähigkeiten vollkommen erkundet und gemeistert hat, vergeht gefühlt nur ein Tag. In einem Monolog erläutert er dem Publikum, was er alles kann, anstatt dass er sich an seine Fähigkeiten herantasten dürfte. Ähnlich sieht es mit Mysterien aus, die das Publikum ohnehin bereits durchschaut hat. Versucht Morbius, sich von dem von ihm entwickelten Kunstblut zu ernähren, wird eine Krankenschwester getötet und er gerät in Verdacht. Dass dies dem Bösewicht zuzuschreiben ist, ist ebenso wenig eine Überraschung, wie wer selbiger ist. Nur versucht Morbius nicht einmal, daraus so etwas wie ein Rätsel zu machen. Es dauert keine fünf Minuten, bis diese Frage beantwortet ist. Interessanterweise verliert das Drehbuch dabei den Storyzweig mit dem Kunstblut, dessen Wirkung mit jedem Tag nachlässt, so dass Morbius mehr davon benötigt (oder richtiges Blut trinken müsste) am Ende vollkommen aus den Augen. Nebenfiguren wie Jared Harris oder die beiden FBI-Agenten, geraten zu nicht viel mehr als Stichwortgebern und haben keinerlei Auswirkung auf die Geschichte. Es hat den Anschein, als wollten die Verantwortlichen eine Mysterystory erzählen, bei der Morbius versucht, seinen Namen reinzuwaschen, doch auch dieser Ansatz versickert im Sand.

Die verschiedenen Versatzstücke sind alle so bekannt, so absehbar, dass es keine Überraschung zu entdecken gibt, mit Ausnahme der zwei Szenen während des Abspanns und der letzten Einstellung davor, die neben der Verbindung zu dem Venom-Universum auch eine zu Spider-Man herstellen. Wobei letztere in der Filmvorschau bereits verraten wird, aber auf die Geschichte hier überhaupt keine Auswirkung entfaltet. Wie so oft, scheint Morbius spürbar darum bemüht, sich mit den anderen Teilen des Comic-Universums zu verzahnen und gleichzeitig weitere Filme vorzubereiten. Aber eine greifbare, packende Story, die all dies zusammenhalten würde, sucht man dabei bedauerlicherweise vergebens.


Fazit:
Die Schwächen der Figur, die sich nie in einem wirklichen Konflikt befindet, kann auch Jared Leto nicht überspielen. Sein Dr. Morbius ist weder auf Grund seiner Schwachpunkte interessant, noch da all seine Fähigkeiten überlebensgroß sind. Super-Schnelligkeit, Super-Stärke, Super-Hören oder die Super-Unempfindlichkeit, aus großen Höhen zu fallen oder Schläge ohne Blessuren einzustecken. Mit Echolot und dem Umstand, dass er seine Verwandlung offenbar in jedem Stadium anhalten kann, wirkt er wie ein Hippster-Vampir, der von allem nur das Beste nimmt. Handwerklich ist das zumindest im Großen und Ganzen besser gelungen, als Venom. Jedoch hat man bei dem vielen Hüpfen, Kämpfen, Zertrümmern und Fliegen mit den visualisierten Schockwellen des Ultraschalls stellenweise gar keine Übersicht mehr, was eigentlich gerade geschieht. Dies nimmt beim wenig einfallsreichen Finale zusätzlich überhand. Immerhin gibt es einige Perspektiven, die unmittelbar aus einem Comic stammen könnten und für Comic- und insbesondere Marvel-Fans, die nicht nur alle bisherigen Filme, sondern auch die verfügbaren Fernsehserien gesehen haben, die um jeden Preis wissen wollen, wie es in einer der unzähligen Realitäten weitergeht, ist Morbius eine willkommene, nie langweilige, aber auch nie wirklich packende Zwischenstation auf dem Weg zur nächsten, eher für ein Massenpublikum gedachten Superhelden-Adaption. Wie die eingangs genannten Comic-Vorlagen, richtet sich auch diese hier an ein Nischenpublikum. Das kann sich durchaus unterhalten lassen. Alle anderen werden die Story als ebenso einfallslos wie die Ausführung als altbekannt, klischeebeladen und unspektakulär empfinden.