Meine schrecklich verwöhnte Familie [2021]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 9. September 2021
Genre: Komödie

Originaltitel: Pourris gâtés
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: Frankreich
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt

Regie: Nicolas Cuche
Musik: Alexandre Azaria
Besetzung: Gérard Jugnot, Artus, Camille Lou, Louka Meliava, François Morel, Tom Leeb


Kurzinhalt:

Francis Bartek (Gérard Jugnot) ist einer der größten Unternehmer in Monaco. Seine drei erwachsenen Kinder Stella (Camille Lou), Philippe (Artus) und Alexandre (Louka Meliava) hingegen sind faul, arrogant und werfen das Geld ihres Herrn Papa, der sie die letzten 15 Jahre allein erziehen musste, zum Fenster raus. Als die charakterlichen Verfehlungen seiner Nachkommen geballt zum Vorschein treten, erleidet Francis einen Herzinfarkt. Kaum genesen, bittet er seinen Geschäftspartner Ferrucio (François Morel) um Hilfe. Wenig später steht die Polizei vor dem Anwesen der Barteks. Die Autos sind konfisziert, die Konten eingefroren und Francis erzählt seinen Kindern, dass sie wegen Veruntreuung von Firmengeldern gesucht würden. So stehlen sie notgedrungen ein Auto und fahren damit nach Marseille, wo ein verlassenes, altes Haus von Francis’ Vater steht. Auf der Flucht vor der Polizei müssen die drei verzogenen Kinder zum ersten Mal in ihrem Leben arbeiten. Doch Stellas Verlobter Juan Carlos (Tom Leeb) kommt Francis auf die Schliche …


Kritik:
Die größte Schwäche und die größte Stärke von Nicolas Cuches Komödie Meine schrecklich verwöhnte Familie betreffen denselben Aspekt der Geschichte. Denn während man bemängeln kann, dass die Erzählung um drei Kinder, die in unermesslichem Reichtum groß geworden sind und nie arbeiten mussten, jetzt aber auf eine Stufe mit der „normalen“ Bevölkerung gestellt werden, nie bissig genug gerät, um als Gesellschaftssatire zu gelten, ist die gerade deshalb einem vermutlich größeren Publikum zugänglich.

Der von Gérard Jugnot manchmal schelmisch, manchmal melancholisch gespielte Patriarch Francis Bartek besitzt ein Bauimperium in Monaco. Seit fünfzehn Jahren muss er zudem seine drei Kinder Philippe, Stella und Alexandre allein erziehen. Seine Überzeugung, er habe dabei gute Arbeit geleistet, bekommt Risse, als an Stellas Geburtstag überdeutlich wird, zu welchen Persönlichkeiten seine Kinder herangereift sind. Die verzogene Stella behandelt nicht nur die Angestellten wie Menschen zweiter Klasse und ist nur an Mode und Luxus interessiert. Der esoterische Alexandre verbringt mehr Zeit in den Schlafzimmern verschiedenster Frauen, als im Hörsaal seinem Studium nachzugehen, weshalb er in kürzester Zeit von allen Universitäten geflogen ist. Und der sich selbst maßlos überschätzende Philippe, der nie etwas gelernt oder gar einen Abschluss gemacht hat, steckt voller unnützer Geschäftsideen, mit denen er seine großspurigen Fantasien ausleben will. Als mit einer Ankündigung Stellas all das zusammenkommt, erleidet Francis einen Herzinfarkt und beschließt, dass sich etwas ändern muss. Kurz darauf steht plötzlich die Polizei vor der Tür, sämtliche Kreditkarten sind eingefroren und Francis und seine drei Kinder müssen wegen des Verdachts der Veruntreuung aus Monaco nach Marseille fliehen, wo sie im unbewohnten und baufälligen Haus von Francis’ verstorbenen Vater unterkommen.

Worum es eigentlich in Meine schrecklich verwöhnte Familie geht und worauf die Geschichte hinausläuft, ist keine wirkliche Überraschung. Fordert das Familienoberhaupt seine Kinder auf, zu arbeiten und Geld für das Abendessen zu verdienen, besitzt es durchaus seinen Reiz mitanzusehen, wie die drei jungen Menschen, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden, Bekanntschaft mit der Realität machen. Zwar wartet Filmemacher Cuche dabei auch mit zahlreichen Klischees des Genres auf, aber sowohl die Situationskomik als auch die Demontage der einzelnen Persönlichkeiten ist durchaus amüsant. Nur scheint es, als hätte das Drehbuch keine Idee, was man alles aus der Ausgangslage zaubern könnte. So findet Stella im Nu eine Anstellung als Bedienung, Philippe wird Rad-Taxi-Fahrer in Marseille und Alexandre hilft Francis bei der Renovierung des Elternhauses. Anstatt den Charakteren eine wirkliche Entwicklung zu verleihen, ist ihre Wandlung gefühlt nach zwei Szenen bereits vollzogen.

An Stella ist dies am offensichtlichsten, denn nicht nur leidet sie am sichtbarsten unter dem Verlust ihres Standes und aller Annehmlichkeiten, die damit einhergingen. Sie wird auch unmittelbar so herabwürdigend behandelt, wie sie es zuvor mit anderen getan hat. Dass das Drehbuch die Notwendigkeit sieht, dies auszusprechen, zeugt nicht vom Vertrauen der Verantwortlichen, dass sich Stella ohne die Erläuterung tatsächlich selbst wiedererkennt. Zwar setzt ihre Erkenntnis in rasender Geschwindigkeit ein, dass sie sich wirklich geändert hätte, zeigt der Film jedoch nicht. Ähnlich sieht es bei Philippe aus und Alexandre bleibt am Ende gewissermaßen derselbe, der er zu Beginn war. Ein wenig Bewegung könnte in die Erzählung dadurch kommen, dass Stellas Verlobter Juan Carlos, ein Hochstapler, der es auf das Vermögen ihres Vaters angesehen hat, Francis’ Plan, seine Kinder zu besseren Menschen zu erziehen, auf die Schliche kommt. Aber auch dieser Aspekt ist allzu schnell vorbei.

Darum gerät Meine schrecklich verwöhnte Familie nie wirklich zynisch genug, so dass die Figuren tatsächlich an ihre Schmerzgrenze gebracht würden. Noch so bösartig, dass sich das Publikum aus Schadenfreude darüber amüsieren könnte, wie die privilegiert aufgewachsenen Kinder nach ihrer eigenen Definition durch „niedere“ Arbeiten gedemütigt würden. Nicolas Cuche bleibt auf einem Niveau, das offenbar niemanden verletzten soll, so dass alle Gesellschaftsschichten hier zusehen und sich amüsieren können. Tiefergehende Aspekte einer Gesellschaftssatire bleiben damit aber außen vor. Das Thema als harmlose Komödie aufzubereiten in einer Zeit, in der die Schere zwischen den immer mehr werdenden Ärmsten und den noch reicher Werdenden, stets größer wird, ist zwar möglich, aber auch eine verschenkte Möglichkeit.


Fazit:
Dass am Ende bei Nicolas Cuches Komödie alles gut wird und aus den vormals hochnäsigen Kindern gestandene Personen werden, ist kein Kritikpunkt. Auch entwickelt die Geschichte dank der im Kern nie boshaften Figuren durchaus Charme. Doch so sympathisch das auch gespielt ist, von Gérard Jugnot als Patriarch mit einem geradezu jugendhaften Augenzwinkern, als Sozialkritik bleibt Meine schrecklich verwöhnte Familie durchweg zu oberflächlich und auch der Verlauf der Story an sich ist arg absehbar. Darüber hinaus ist gerade der Mittelteil, in dem die drei Sprösslinge ihre Lektion lernen sollten, allzu schnell vorbei, so dass eine Entwicklung der Figuren kaum beobachtet werden kann. Als, gemessen an der Thematik sicherlich zu zahme, aber leichte Komödie, sitzt das Herz hier am rechten Fleck. Amüsant und unterhaltsam ist es obendrein, von den vielen, treffenden Seitenhieben auf unsere Gesellschaft ganz zu schweigen.