Megalopolis [2024]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 14. September 2024
Genre: Drama / Science FictionOriginaltitel: Megalopolis
Laufzeit: 138 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt
Regie: Francis Ford Coppola
Musik: Osvaldo Golijov
Besetzung: Adam Driver, Giancarlo Esposito, Nathalie Emmanuel, Aubrey Plaza, Shia LaBeouf, Jon Voight, Laurence Fishburne, Talia Shire, Jason Schwartzman, Kathryn Hunter, Grace VanderWaal, Chloe Fineman, D. B. Sweeney, Balthazar Getty, Haley Sims, Dustin Hoffman
Kurzinhalt:
In der Großstadt „Neues Rom“ buhlen zwei unterschiedliche Visionen um die Zukunft der Stadt. Während der zukunftsgerichtete Architekt Cesar Catilina (Adam Driver) mit seiner Designbehörde ganze Stadtgebiete sprengen lässt, um seine Vorstellung einer Stadt der Zukunft erbauen zu lassen, versucht der konservative Bürgermeister Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito) vor der anstehenden Wahl, die Stimmen der Bevölkerung dadurch zu versammeln, dass er alles so beibehält, wie es ist, selbst wenn die meisten Bewohnenden sich die Mieten kaum mehr leisten können. Ciceros Tochter Julia (Nathalie Emmanuel) ist von Cesar und seiner Vision fasziniert, während Cesars Cousin Clodio (Shia LaBeouf), Sohn des einflussreichen Bankbesitzers Hamilton Crassus III (Jon Voight), von Julia besessen ist. Zu sehen, dass sie an Cesar interessiert ist, lässt Clodio zu stets extremeren Maßnahmen greifen, seinen Cousin loszuwerden, von dem er zudem fürchtet, dass Hamilton ihn beim Erbe bevorzugen könnte. Dabei versucht Cesars Ex-Freundin Wow Platinum (Aubrey Plaza) bereits, sich Hamilton und seinen Einfluss zu sichern, in der Hoffnung, damit Cesars unerwiderte Liebe zurückgewinnen zu können. Es ist eine Konstellation, die nur in einer Tragödie enden kann …
Kritik:
Für Filmemacher Francis Ford Coppola ist sein seit 40 Jahren in Entwicklung befindliches Science Fiction-Drama Megalopolis ein Herzensprojekt, das er letztendlich vollständig aus eigener Tasche finanzierte und sich damit die künstlerische Kontrolle bewahrte. Es ist, wie der Film selbst eingangs ausführt, eine Fabel, deren gesellschaftspolitische Themen stets durchschimmern, ehe sie am Ende in aller Ausführlichkeit erläutert werden. Doch so groß die Ambitionen, so verkopft und geradezu aufgezwungen künstlerisch anspruchsvoll ist die Umsetzung, dass nur ein spezielles Publikum hier fündig wird.
Die Geschichte spielt in der Stadt „Neues Rom“ im 3. Jahrtausend, 21. Jahrhundert, in einer Welt, in der die Amerikanische Republik dem alten Rom nicht unähnlich ist. Gebräuche, Bezeichnungen und Namen des alten Kaiserreiches sind ebenso erhalten, wie Spektakel in Gebäuden, die an ein Kolosseum erinnern. Der verschwenderische Überfluss, in dem die Privilegierten leben, während das Volk deren Willen ausgeliefert ist, scheint ebenfalls dem römischen Reich entsprungen. In dieser Stadt, die dem heutigen New York ähnelt, läuft die Zivilisation Gefahr, dem Machthunger Weniger zu verfallen und schließlich deshalb unterzugehen. Der Leiter der Designbehörde, Cesar Catilina, ist ein visionärer Städtebauer, der in der Stadt sein „Megalopolis“-Projekt verwirklichen will. Eine Stadt der Zukunft, der Hoffnung, die sich den Bedürfnissen der Bewohnenden anpasst. Gelingen soll dies mit einem Baustoff, den er entwickelt hat, genannt Megalon. Seine Vision verdankt er auch seiner Fähigkeit, die Zeit zu manipulieren, die ihm Einblicke in die Zukunft gewährt. Doch Cesars kompromissloses Vorgehen, wenn er Stadtviertel einreißen lässt, um sein Projekt zu bauen, sorgt nicht nur beim gemeinen Volk für Unmut und Protest. Bürgermeister Franklyn Cicero, der um die kommende Stadtratswahl bangt, stellt sich vehement gegen Cesars Pläne. Er will Neues Rom im Kern erhalten und stattdessen mit Glücksspielhäusern sowie hochpreisigen Immobilien aufwerten. Dass Cicero einst als Staatsanwalt Cesar erfolglos hinter Gittern bringen wollte, da Cesar verdächtigt wurde, seine eigene Frau ermordet zu haben, deren Leiche nie gefunden wurde, verkompliziert die Beziehung der beiden Männer ebenso, wie dass Ciceros skandalträchtige Tochter Julia an Cesar interessiert ist. Seine Manipulation der Zeit hat auf sie keine Auswirkung und sie entdeckt den Visionär hinter dem exzentrischen Expressionisten.
Die durchaus konfliktbehaftete Familiengeschichte wird noch weitläufiger durch Cesars Ex-Freundin Wow Platinum, eine Reporterin, deren Ruhm schwindet und die angesichts ihrer nicht erwiderten Liebe zu Cesar die Nähe seines Onkels sucht, des einflussreichen Bankers Hamilton Crassus III. Dessen leiblicher Sohn Clodio will indes, einerseits aus Neid und Eifersucht auf den in Hamiltons Gunst stehenden Cesar und andererseits, weil er befürchtet, beim Erbe des Bankimperiums übergangen zu werden, Cesars Vision zerstören, oder seinen Cousin gar umbringen. Die familiären Intrigen, politischen Machenschaften und das Mysterium, was mit Cesars Frau tatsächlich geschehen ist, werden zumindest in der ersten Filmhälfte von einem Ereignis überschattet, das Tod und Zerstörung bringt, aber auch die Chance für einen Neuanfang in der Stadt birgt.
Megalopolis präsentiert sich hinsichtlich der schieren Ideen als überlebensgroß, verbindet allein im Design, den Bauten und Kostümen entgegengesetzte Elemente. Einflüsse des alten Roms mit der Moderne und gar zukunftsgerichteten Visionen. Selbst die Dialoge klingen oftmals getragen, zitieren Shakespeare oder scheinen dem heutigen Rhythmus angepasst, wohingegen später Gladiatorenkämpfe, Wagenrennen oder Zirkusakrobatik, aber auch Drogenpartys in Clubs die Szenerie bestimmen. Die schiere Bandbreite der Stilrichtungen ist überwältigend, wozu sich die unterschiedlichen inhaltlichen Ausrichtungen gesellen. Die zutiefst Verfeindeten, Cicero und Cesar, erinnern an Tragödien großer Dichter, die zerrissene Wow Platinum in ihrem unersättlichen Machtstreben, genährt aus einer unerfüllten Liebe, die sie bis zur Selbstaufgabe treibt, an Dramen der Antike, während die politischen Aspekte die jüngere Menschheitsgeschichte widerspiegeln.
All das ist kühn und wild, aber auch ungeordnet und ohne eine greifbare Struktur präsentiert. Trotz der abstrakten Parallelen zu unserer heutigen Zeit, sind nicht nur die Sinnbilder der Gesellschaft des alten Roms, übertragen auf eine moderne Großstadt und auch eine ganze Nation, übersehbar. Dennoch erklären sich viele Figuren hier in Monologen selbst, sprechen das Offensichtliche aus, wie dass Cesar als Mann der Zukunft von seiner eigenen Vergangenheit besessen ist, als hätte Autor und Regisseur Coppola kein Vertrauen entweder in die Verständlichkeit seiner Aussagen, oder darin, dass sein Publikum diese auch erkennen kann. Dabei erscheinen die verschiedenen Aspekte, die Verbindung der römischen Gesellschaft mit der Moderne, nicht durchgehend. Sei es bei den Namen der Figuren oder den Dialogen, die nicht einheitlich gestaltet sind, so dass manche zum Rest nicht passen mögen. Dasselbe gilt für die gezeigte Technik und die Kostüme bzw. Autos, die aus verschiedensten Jahrzehnten stammen.
Dabei erscheinen manche Kanten der Erzählung merklich rau, als würde ein gewisser Feinschliff fehlen. Beispielsweise wenn Elemente der weit über zwei Stunden dauernden Laufzeit, bei der man ab der Hälfte bereits vermutet, dass sie sich auf der Zielgeraden befinden müsse, eingestreut, aber später nicht mehr aufgegriffen werden. Oder wenn zeitliche Sprünge die Geschichte in großen Schritten vorantreiben. Von der schwankenden Qualität der teilweise allzu offensichtlichen Trickeffekte abgesehen, die dem Gezeigten das Flair eines Bühnenstücks vor gemalter Kulisse verleiht. Die Frage ist letztlich, an welches Publikum sich Megalopolis richten soll. Mit den Aussagen des merklich leidenschaftlich engagierten Filmemachers will dieser im Grunde so viele Zuschauerinnen und Zuschauer wie möglich erreichen. Doch mit dem selbst auferlegten künstlerischen Anspruch und der verkopften Erzählung richtet er sich von Beginn an an einen überschaubar kleinen Teil von Arthouse-Fans, so dass die Resonanz insgesamt absehbar klein bleiben wird. Es ist womöglich auch schlicht ein Projekt, das er für sich selbst und nicht das Publikum umgesetzt hat.
Fazit:
Das Herzensprojekt von Filmemacher Francis Ford Coppola ist ein Film mit vielen Ideen und einer in mehrerlei Hinsicht geradezu überbordenden Kreativität. Beinahe wie ein experimentelles Theaterstück, das Vieles ausprobiert. Wie Clodio die Unzufriedenen, die Ungebildeten und Ungeliebten mit seiner populistischen Politik versammelt, ist eine gelungene Beobachtung. Doch dass gegenüber der dekadenten Oberschicht mit ihrem verschwenderischen Lebensstil, das sich in einem Leben im Überfluss, dem Design der Gebäude sowie der Kostüme widerspiegelt, eine verarmte Bevölkerung steht, der der Willen der Oberen in jedem Fall aufoktroyiert wird, kommt kaum zur Geltung. Mit einer Bankübernahme, der Stadtratswahl und der politischen Machtkämpfe sind nur einige Erzählstränge angesprochen, von den privaten Intrigen ganz zu schweigen. Doch so ausufernd die Erzählung, so wenig zielgerichtet ist sie auch, selbst wenn die Besetzung gefordert ist, mit einem starken und merklich engagierten Adam Driver im Zentrum, der mit nichts zurückhält, dessen Figur aber doch nur schwer zugänglich ist. Neben der Fabel über zwei politische Lager, den idealistischen Träumer Cesar und den erzkonservativen Cicero, die sich so wenig zur Zusammenarbeit kompromissbereit zeigen, dass sie letztlich den Aufschwung der Rechtspopulisten ermöglichen, findet die Geschichte eine lebensbejahende und zukunftspositive Aussage. Mit der Botschaft, für wen man diese Welt bauen sollte, trifft Coppola den Nagel auf den Kopf, doch er tut dies so offensichtlich und mit erhobenem Zeigefinger, ausgesprochen durch den erzählenden Historiker, dass die Abstrakte Umsetzung zuvor umso erzwungener erscheint. Megalopolis spiegelt die Vision des Filmemachers kompromisslos wider, ist eine Geschichte voll großer Ideen und ausschweifenden Designs. Aber es ist eine Vision auf der Suche nach einem stimmigen Konzept, zäh und mit einem künstlerischen Anspruch, der die Wirkung merklich überlagert, als sie unterstreicht.