Medium - Nichts bleibt verborgen: "Von Herzen" [2005]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 06. August 2006
Genre: Unterhaltung / Thriller

Originaltitel: Medium: "When Push Comes to Shove"
Laufzeit: 81 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Aaron Lipstadt
Musik: Jeff Beal, Sean Callery, Mychael Danna (Titel-Thema)
Darsteller: Patricia Arquette, Jake Weber, Miguel Sandoval, David Cubitt, Sofia Vassilieva, Maria Lark, Daniel Bess, Andi Eystad, Arliss Howard


Kurzinhalt:
Mit der Situation, sowohl seinen beruflichen Alltag, als auch die Organisation für seine Töchter Ariel (Sofia Vassilieva) und Bridgette (Maria Lark) unter einen Hut zu bringen, ist Joe Dubois (Jake Weber) immer stärker überfordert, während die übersinnlich begabte Allison (Patricia Arquette) immer mehr von ihrer Arbeit für den Staatsanwalt Devalos (Miguel Sandoval) vereinnahmt wird.
Der neue Fall, bei dem bereits mehrere rothaarige Frauen entführt und getötet wurden, stellt aber auch Allison vor ein Rätsel – selbst Detective Lee Scanlon (David Cubitt) fällt kein Motiv ein. Erst als Allison an einem Tatort eine Vision des Texas Ranger Captain Push (Arliss Howard) widerfährt und den charismatischen Polizisten nach Phoenix holt, wird ein Zusammenhang klar.
Doch auch Push konnte den Täter, der seinen Opfern das Herz entfernt, nicht fassen, ja noch nicht einmal Gemeinsamkeiten zwischen den Opfern entdecken. Doch dann entschließt sich der Texaner zu einem folgeschweren Schritt, mit dem er Allison – und somit auch Scanlon und Devalos – zu einem Durchbruch verhelfen könnte ... und sei es durch das größte Opfer, das er erbringen kann.


Kritik:
Es lässt sich darüber streiten, ob es für einen Geschichtenerzähler schwieriger ist, seine Geschichte in 90 Minuten zu erzählen, oder sie auf 45 zu komprimieren. In jedem Fall müssen Kompromisse gemacht werden. Bei TV-Serien äußert sich das meistens so, dass das Privatleben und die Charakterentwicklungen sowohl der Hauptfiguren, als auch der jeweiligen Gast-Charaktere kürzer kommen, während es bei längeren TV-Filmen meist ein größeres Problem darstellt, die Laufzeit zu nutzen, ohne dass Längen entstehen.
Den Schwerpunkt, den die Macher von Medium bereits nach dem Pilotfilm für ihre Serie festlegten, lag eindeutig auf der Entwicklung der Hauptfiguren, denen sehr viel Zeit eingeräumt wurde, sich zu entfalten, und die deswegen auch sehr sympathisch und charmant gestaltet wurden. Dafür mussten allerdings Abstriche bei den Geschichten gemacht werden, die nicht nur Genreklischees wieder aufgriffen, sondern auch abgesehen davon meist nicht bedingt spannend geraten waren. Für das Staffelfinale der mit 16 Episoden recht kurzen ersten Season gehen die Autoren an den Beginn der Serie zurück und verbinden endlich die persönliche Entwicklung, als auch eine spannende Erzählung miteinander. Weswegen das aber im zweiten Teil des als staffelübergreifenden TV-Film konzipierten Thrillers zunichte gemacht wird, verstehe wer will.

Der Knackpunkt liegt hier einmal mehr in den Drehbüchern zu den einzelnen Episoden, die nicht nur von zwei Autoren verfasst wurden, sondern auch eine ganz andere Gewichtung legen.
Konzentriert sich Chris Dingess, der den ersten Teil verfasste, darauf, die immer größer werdende Kluft zwischen Allison und Joe zu porträtieren, der mit seinem Beruf und den Kindern (und dem neuen Leben seiner Ehefrau) schlichtweg überlastet ist, während sie sich immer mehr ihrer Arbeit für die Staatsanwaltschaft verschreibt, setzt Serienerfinder und Skriptautor des zweiten Teils, Glenn Gordon Caron drei Monate später an und reißt die Zuseher damit aus der beklemmenden Stimmung des Staffelfinales im selben Moment wieder heraus.
So muss man sich erst langsam wieder zurechtfinden in den geänderten familiären Verhältnissen der Dubois', anstatt diese erneute Veränderung ebenfalls mit den bekannten Figuren miterlebt zu haben. Das gespannte Verhältnis scheint nicht immer nachvollziehbar und auch die Dialoge bewegen sich ständig im Kreis, ohne zu einer Lösung zu gelangen. "Von Herzen" wartet in der zweiten Hälfte mit einem ganz anderen Tempo und einer völlig anderen Dramaturgie auf, als Teil eins, rückt den Thrilleranteil vollkommen aus dem Rampenlicht und beraubt die Figuren überdies ihres in der ersten Staffel aufgebauten Charismas.
Man darf gespannt sein, wie die Macher diese neue Situation auflösen werden, und wie sich das Eheleben der Dubois weiter entwickeln wird, ob es allerdings eine gute Idee war, etablierte Figuren auf diese Weise neu auszurichten, darf bezweifelt werden. Der Thriller-Story selbst war es jedenfalls abträglich und dem Unterhaltungswert ohnehin. Muss man Chris Dingess Skript für die gelungene Kombination der beiden Elemente von Medium noch loben, kehrt Caron mit seinem Drehbuch zu eben jenen Unarten zurück, die die Serie unnötigerweise Zuschauer kosten.

An den Darstellern liegt es freilich nicht, auch wenn Patricia Arquette gerade im Staffelauftakt der zweiten Season viel von ihrem Sympathiecharakter auf Grund der Handlungen ihrer Figur eingebüßt hat. Sie leistet nach wie vor sehr gute Arbeit und geht in ihrer Rolle auch voll und ganz auf.
Ebenso Jake Weber, der an ihrer Seite glücklicherweise nicht untergeht, sondern die Herausforderung vielmehr annimmt und ihr auch gewachsen ist. Schade, dass er gerade in der wichtigen zweiten Episode eher eine untergeordnete Rolle spielt.
Weswegen in den bisherigen 16 Episoden Miguel Sandoval nicht weiter ausgebaut wurde, ist unverständlich, der charismatische Darsteller wäre einer fordernden Geschichte sicherlich gewachsen, aber auch er hat im Vergleich zu bisherigen Episoden hier eine kleinere Rolle zugeschrieben bekommen, wohingegen David Cubitt zumindest in den letzten Folgen mehr zu tun bekam. Er spielt den erfahrenen, unnahbaren und abgehärteten Polizisten mit Überzeugung, lässt aber etwas die Natürlichkeit vermissen, die man gerade bei Jake Weber in jeder Einstellung zu sehen bekommt.
Wie immer gelungen sind auch die Szenen von Sofia Vassilieva und Maria Lark, die keine Wünsche offen lassen.
Die große Überraschung dieses Zweiteilers ist aber der erneute Auftritt von Arliss Howard, dessen Beteiligung beim Pilotfilm nach wie vor unvergessen bleibt, und der hier gerade im ersten Teil seine stärksten Momente feiern darf. Ihm gelingt der Drahtseilakt zwischen Skepsis, die er Allisons Begabungen entgegen bringt, und seinem Vertrauen in ihre Aufrichtigkeit, sehr gut – umso beunruhigender ist auch der an sich sehr eindrucksvolle Cliffhanger des ersten Teils zu verstehen.

Handwerklich gibt sich Regisseur Aaron Lipstadt, der bereits seit den 1980ern im TV inszeniert, keine Blöße, sondern kleidet den TV-Film vielmehr in routinierte Bilder, denen allerdings das Furcht einflößende Element manch anderer Episoden abhanden kommt. Allisons Visionen sind ebenso gut eingefangen, wie die Momente in der Familie, die glücklicherweise ohne die sehr bewegte Handkamera auskommen. Neuartige Elemente sucht man allerdings vergebens und auch innovative Perspektiven sind Mangelware.
Dramaturgisch überzeugt der erste Teil tadellos, dem man als Zuschauer gebannt folgt, während der Staffelauftakt der zweiten Season nur leidlich spannend geraten ist (was allerdings am Drehbuch liegt) und insofern auch nicht mitzureißen vermag.

Auch die musikalische Untermalung durch Jeff Beal und Sean Callery ist gelungen, gleichwohl man von ihren Kompositionen nur wenig zu hören bekommt. Der zurückhaltende, atmosphärische Score passt gut zum Charakter der Serie, vielleicht hätte man mit einer aufdringlicheren Musik beim zweiten Teil des Zweiteilers allerdings auch die Spannungsschraube anziehen können.

Es ist bei TV-Serien ein weit verbreitetes Phänomen, dass bei staffelübergreifenden Zweiteilern die zweite Episode weitaus schwächer ist, als die erste. Das resultiert meistens daraus, dass die Fortsetzung nicht nur Monate später erst gedreht, sondern meist dann auch erst geschrieben wird. Die Autoren begnügen sich häufig damit, einen spannenden Cliffhanger geschrieben zu haben, um dessen Auflösung sich später gekümmert wird.
Im Falle von "Von Herzen" geht das sogar soweit, dass die Stimmung des ersten Teils vollkommen revidiert wird, ohne aber die Geschichte wirklich aufgelöst zu haben. Vielmehr versucht der Autor, mit einem anderen Schwerpunkt und einem anderen Tempo weiter zu erzählen, während man als Zuseher allerdings auf einen richtigen Thriller gehofft hat. Doch eben jenen wollen einem die Macher hier nicht geben, und während Teil eins wirklich sehr gut geraten ist, enttäuscht die letztliche Auflösung durch erzwungene Erkenntnisse, atypische Charakterentwicklungen und eine Dramaturgie, die gemächlicher geraten ist, als bei irgendeiner Episode der ersten Staffel. Das ist an sich schon enttäuschend, im Bezug auf die packende Ausgangslage allerdings schon kaum mehr verständlich.


Fazit:
Als Zuschauer, der dem Charme der Dubois-Familie verfallen ist, kann man durchaus damit leben, dass sich die Autoren die beste Episode der ersten Season für das Finale aufgehoben haben.
Weswegen sie aber mit der Auflösung von "Von Herzen" einen derartigen Rückschritt wagen, die gelungene Verbindung aus Thriller und Familienserie wieder durch eine langatmige Mysterystory ersetzen, ist unverständlich. Dass Medium sich im Gegensatz zu anderen Serien eher an ein familiäres Publikum richtet, sei unbestritten, und dagegen ist prinzipiell auch nichts einzuwenden. Doch dies entschuldigt nicht, weswegen der Auftakt der zweiten Staffel mit einer ganz anderen Stimmung aufwartet, als es die vorangegangene Episode getan hat. Auch den Darstellern scheint dies zu missfallen, waren sie in der ersten Season doch stärker gefordert.
Wäre es nicht um die Figuren, würde der von Caron geschriebene zweite Teil der Doppelepisode schlechter in Erinnerung bleiben. So macht er "nur" das zunichte, was den Machern in Teil eins nach immerhin 15 Episoden endlich gelungen war – eine rundum sehr gute Episode.