Master & Commander – Bis ans Ende der Welt [2003]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 13. Dezember 2003
Genre: Drama / ActionOriginaltitel:Master and Commander: The Far Side of the World
Laufzeit: 138 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Peter Weir
Musik: Iva Davies, Christopher Gordon, Richard Tognetti
Darsteller: Russell Crowe, Paul Bettany, James D'Arcy, Edward Woodall, Chris Larkin, Max Pirkis, Jack Randall, Max Benitz, Lee Ingleby
Kurzinhalt:
Im Frühjahr 1805 befindet sich der Krieg zwischen Großbritannien und dem von Napoleon kontrollierten Frankreich auf seinem Höhepunkt, die Seehoheit von keiner Seite für sich entschieden, doch könnte ein neues französisches Kriegsschiff, die "Acheron", die entscheidende Wende zugunsten der Franzosen herbeiführen.
Die "HMS Surprise" unter Kommando von "Lucky" Jack Aubrey (Russell Crowe), die vor der Nordküste Brasiliens patroulliert, soll die auf Kurs Pazifik fahrende "Acheron" abfangen. Doch obwohl die "Surprise" 197 Mann Besatzung und 28 Kanonen zählt, wird sie von der schnelleren, stärker bewaffneten und besser gebauten "Acheron" bei Weitem übertroffen.
Während Jack Jagd auf die "Acheron" macht, scheint es, dass die "Acheron" ihrerseits die "Surprise" im Visier hat: Bereits die erste Konfrontation hinterlässt schwere Schäden und hohe Verluste an Bord des englischen Schiffes. Gegen den Rat seines Schiffsarztes Stephen Maturin (Paul Bettany) lässt sich Kapitän Aubrey auf einie Hetzjagd ein, die über zwei Ozeane, am Kap Horn vorbei und über die Galápagos-Inseln führt.
Kritik:
Auf Basis der "Master and Commander"-Roman-Reihe von Patrick O'Brian schuf Regisseur Peter Weir, zuletzt für Die Truman Show [1999] für den Oscar nominiert, eines der aufwändigsten Seeschlacht-Epen unserer Zeit, das mit Russell Crowe (Oscar für Gladiator [2000]) zudem hochkarätig besetzt ist. Akribischer Recherche und einem ungeheuren Aufwand ist es zu verdanken, dass die "HMS Surprise" bis ins letzte Detail getreu nachgebaut wurde; monatelange Dreharbeiten auf hoher See, und nicht zuletzt die Tatsache, dass Master & Commander der erste Film ist, der je auf den Galápagos-Inseln drehte, machen das Werk schon zu etwas Besonderem.
Doch neben all der technischen Perfektion scheinen die Macher leider eines vergessen zu haben: Den Spaß an der Arbeit.
So kommt es, dass Master & Commander mehr wie eine aufwändige Dokumentation anmutet, als ein unterhaltsamer Film. Detailreich ist die Präsentation durchaus, und auch handwerklich sehr gut umgesetzt, einen Bezug zum Geschehen auf der Leinwand und dem Schicksal der Personen, insbesondere des Hauptcharakters, kann der Zuschauer allerdings nicht wirklich aufbauen, und die Seeschlachten, so bombastisch sie auch präsentiert sind, machen zum Zusehen schlicht keine richtige Freude.
Das liegt zum großen Teil am Drehbuch, das zwar versucht, die Zuschauer miteinzubinden, aber letztendlich an einem viel zu schwachen Haupt-Protagonisten krankt. Obwohl Russell Crowe so gekonnt wie eh und je mimt, scheint sein Jack Aubrey so eindimensional wie eine Pappfigur; häufig wird betont, dass er die Pflichterfüllung jeder Freundschaft vorzieht, und auch dass er einer Geliebten einen Brief schreibt – was aus den zwei Textzeilen, die Crowe aus dem Off im ersten Drittel des Films zitieren darf, letztendlich wird, verraten die Macher leider nicht. Es wird über die Briefkorrespondenz kein weiteres Wort verloren. Der Brief wird auch nicht, wie es sich hier angeboten hätte, dazu benutzt, seine Gefühlswelt, die er ja nicht einmal seinem besten Freund an Bord anvertraut, für das Publikum offen darzulegen, vielmehr bleibt Crowe bis zuletzt so verschlossen, wie zu Beginn.
Anders ergeht es da seinem Kameraden und Schiffsarzt Stephen Maturin; zu ihm findet man einen deutlich schnelleren Zugang, vermutlich deshalb, weil er selbst mit den meisten Fachsimpeleien der Matrosen nichts anfangen kann. Da er vorwiegend Wissenschaftler und kein Soldat ist, fungiert er gleichermaßen als Repräsentant des Zuschauers und kann hier sofort Sympathien verbuchen.
So ergeht es auch dem sehr jungen Schiffsjungen Blakeney (Max Pirkis), der gleich beim ersten Gefecht so stark verwundet wird, dass sein Arm amputiert werden muss – ob dies in einem solchen Maße bei einem Kind gezeigt werden musste, sei dahingestellt.
Zweifelsohne ein weiterer Sympathiecharakter ist Hollom (Lee Ingleby), den als "Jonas" eines der schlimmsten Schicksale im Film ereilt, da er der "Surprise" angeblich Pech bringt.
Insgesamt sind die Charakterzeichnungen zwar nicht schlecht geraten, enttäuschen aber insbesondere bei der Hauptfigur und bleiben weit hinter ihrem eigentlichen Potential zurück – zumal es sich bei den beengten Verhältnissen an Bord des Schiffes wirklich angeboten hätte, manche Figuren besser auszuarbeiten.
Dem entspricht leider auch der inhaltliche Aufbau, denn obwohl in manchen Sequenzen durchaus Spannung aufkommt – insbesondere, wenn die "Acheron" nur wenige hundert Meter hinter der "Surprise" durch die Meere prischt –, erkennt man doch schnell das einfache Schema der Vorlage, und außer Reden, Jagen, Schießen und erneuten Reparaturen gibt es leider nichts zu tun auf hoher See. Das bedeutet nicht, dass nicht einige wirklich originelle Ideen in der Handlung versteckt sind, ganz im Gegenteil – nur hoben sich die Autoren die beste als Schluss-Pointe auf, dabei hätte sie in der Mitte des Films deutlich besser gepasst und die Spannung nochmals anziehen können.
Die Langatmigkeit des Films rührt nicht zuletzt daher, dass man den Feind eigentlich nie zu Gesicht bekommt, gleichwohl das französische Schiff des öfteren am Horizont auftaucht. Die Franzosen selbst bekommt man erst bei der Schlussschlacht zu sehen. Diese Taktik des unsichtbaren Feindes funktioniert in vielen Filmen und Romanen durchaus, hier wirkt sie jedoch eher kontraproduktiv.
Zusätzlich Spannung aus der Story nimmt zudem die Sequenz mit Doktor Maturin auf den Galápagos-Inseln. In Bezug auf die Charakterentwicklung macht sie zwar schon Sinn und zaubert umwerfend schöne Bilder auf die Leinwand; trotzdem ist sie eigentlich unnötig – und zieht den Film für zehn Minuten in eine völlig andere Richtung.
So träge die großen Schlachtschiffe damals durch die See fuhren, so träge scheint auch die Umsetzung des Stoffes; dies mag historisch korrekt und künstlerisch anspruchsvoll sein, doch als Zuschauer ertappt man sich immer öfter dabei, auf die Uhr zu sehen, anstatt den wirklich malerischen Bildern Aufmerksamkeit zu schenken.
Den Darstellern kann man keinen Vorwurf machen, sie alle leisten hervorragende Arbeit, allen voran die bereits erwähnten Paul Bettany als Maturin, der noch sehr junge Max Pirkis als Blakeney und auch Lee Ingleby als Hollom.
Russell Crowe seinerseits scheint in der Tat wie ein Vater über die anderen Schauspieler zu wachen. Seine Rolle füllt er gewohnt leidenschaftlich und authentisch aus; dass er nicht genügend Tiefe zugeschrieben bekommt, ist ja nicht seine Schuld.
Doch auch die anderen Akteure, James D'Arcy, Chris Larkin und die unzähligen Statisten machen ihre Sache gut – kaum wiederzuerkennen ist Billy Boyd (Hobbit Pippin aus Der Herr der Ringe [2001-2003]), der hier eine kleine Rolle übernommen hat.
Die Schauspielriege, ausschließlich bestehend aus Männern, kann sich wirklich sehen lassen und spornt sich dankenswerterweise zu Höchstleistungen an – oscarverdächtig ist Crowes Vorstellung allerdings nicht; dies aber alleine deshalb, weil die Rolle es nicht erfordert. Doch allein zu sehen, wie er in der Lage ist, sein Äußeres bei jedem Film zu verändern und somit einen völlig anderen Eindruck zu hinterlassen, ist bemerkenswert.
Keine Blöße gaben sich die Macher ebenfalls bei der Inszenierung: Malerische Landschaften und bezaubernde Seeaufnahmen wechseln sich mit grauem Nebel, schwindelerregenden Höhen auf den Masten und rasant geschnittenen Actionszenen ab.
Übersichtlich ist das bei den Angriffen nicht immer, aber doch gut montiert und besser als so manche Präsentation, die man in den letzten Monaten zu sehen bekam. Mit am Interessantesten an der Kameraarbeit ist überdies, dass vorwiegend mit natürlichen Lichtquellen gearbeitet wird, was natürlich bei Nacht und im Morgengrauen entsprechend ausgewaschene Bilder ergibt. Der Kontrast leidet darunter zwar bisweilen und macht es für die Augen deutlich anstrengender, dem Geschehen zu folgen, damit gelang den Machern aber auch ein Grad an Authentizität, den man so selten erleben darf.
Trotz des stetigen Wellenganges über und unter Deck wird dem Zuschauer nie übel; die Kamera- und Schnittarbeit gehört definitiv zu den besten des vergangenen Jahres und übertrifft viele aktuelle Hollywood-Filme bei weitem. Zu Recht wurden Kameramann Russell Boyd und Cutter Lee Smith für den Oscar nominiert.
Auf demselben Niveau befinden sich auch die Kulissen, die schlicht keine sind: Wer jemals ein Schlachtschiff dieser Größenordnung in Aktion sehen wollte, darf sich den Film nicht entgehen lassen. Sowohl die "HMS Surprise", als auch die "Acheron" bestechen schon allein durch ihre Größe und Imposanz.
Damit nicht genug, gibt es atemberaubende Spezialeffekte zu bewundern, und das schlicht aus dem Grund, weil sie nicht als solche zu erkennen sind. Weder die Sturmwellen, noch die Gefechte machen den Eindruck, als wären sie computergeneriert, obwohl bei vielen Einstellungen die Rechenmaschinen zu Hilfe genommen werden mussten, auch wenn Peter Weir Aufnahmen eines realen Taifuns mit eingebaut hat.
So realistisch gab es CGI-Wasser bislang nie zu sehen, weder in Der Sturm [2000], noch in Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger [2002].
Genau so verhält es sich mit der Qualität des Tons und der Toneffekte, die in einem gut ausgesteuerten Kinosaal wirklich aus allen Boxen klingen und ein unglaublich räumliches Gefühl für die Schiffsumgebung erzeugen.
Technisch gesehen ist Master & Commander mehr als nur beeindruckend.
Die Musik des Filmes kann da leider nicht ganz mithalten; nicht nur, dass es kein Hauptthema zum Film oder der Crew gibt, es findet sich weder ein epischer Score im Film wieder, noch eine passende Untermalung für tragische oder actionreiche Szenen. Wer auf der Suche nach einer Hymne oder einer regelrechten Fanfare für die britische Flotte ist, wird enttäuscht.
Stattdessen dümpelt die Musik in sich ständig wiederholenden Motiven vor sich hin und langweilt dadurch umso mehr. Ein anderer Komponist, vielleicht sogar James Horner, hätten aus dem Stoff deutlich mehr heraus holen können.
Keinen Grund zur Beanstandung gibt die deutsche Synchronisation, die ausgesprochen gut geraten ist. Zwar will die Stimme von Russell Crowe, Thomas Fritsch, die ihn auch schon in Gladiator begleitete, in Bezug auf Crowes tatsächliche Stimmlage nicht so recht passen, und sein britischer Akzent geht im Deutschen zwangsläufig verloren, doch insgesamt ist die Lokalisierung gelungen.
Das liegt zum einen daran, dass viele im Film vorkommende Fachausdrücke passend übersetzt wurden, andererseits aber auch den Kindersprechern, die hier eine sehr gute Arbeit leisten.
Zusammen mit einer stimmigen Wortwahl, die der damaligen Zeit angemessen ist, ergibt sich eine tadellose deutsche Sprachfassung, die dem Original zwar sicher nicht das Wasser reichen kann, aber nicht unnötig einbüßt, und einen optimalen Filmgenuss gewährleistet – wie man sieht/hört, geht es also doch hin und wieder.
Obwohl Roman-Kenner mit der Umsetzung mehr oder weniger zufrieden sein dürften (schon aufgrund der zahlreichen Anspielungen an Elemente, die es letztendlich nicht vollständig in den Film geschafft haben), war Master & Commander nicht der Erfolg, den sich die Studios erhofft hatten. Inklusive Marketing-Kosten verschlang das Großprojekt geschätzte 180 Millionen Dollar – und spielte weltweit nur knapp ebenso viel wieder ein. Zufrieden sein können 20th Century Fox, Universal und Miramax, die den Film gemeinsam produzierten, damit sicher nicht.
Wieso der Erfolg letztendlich ausgeblieben ist, lässt viel Raum für Spekulationen, die angebrachten Kritikpunkte werden ihren Teil dazu zweifellos beigetragen haben.
Historisch mag Master & Commander zwar korrekt sein, doch bei all der minutiös geplanten Oscar-Schipperei vergaß Peter Weir leider, dass ein Film (grundsätzlich) auch Spaß machen sollte.
Nicht nur, dass das Werk über weite Strecken vor sich hinplätschert, auch die Actionszenen bieten nicht genügend Abwechslung, um mitzureißen. Wirklich berührt wird man von den Schicksalen des kleinen Blakeney und des ansich nur verzweifelten Hollom, aber auch wenn "Lucky" Jacks Ambitionen sichtbar werden und die bisweilen recht spitzen Seitenhiebe auf Frankreich amüsieren, fehlt es dem Film an Zugkraft. Dass detailreichere Charakterentwicklungen möglich waren, hat das Skript vereinzelt gezeigt, und hätte man die eine oder andere Durststrecke aus dem Endschnitt genommen, wäre vermutlich auch ein spannenderer Film herausgekommen.
In der vorliegenden Form wirkt Peter Weirs Regiearbeit wie eine Dokumentation mit Abenteuer-Touch.
Fazit:
Ganz ohne Zweifel ist Master & Commander ein wohl durchdachter Film, mit dem Weir eindeutig Kurs auf den Oscar gesetzt hat.
Doch durch seine kopflastige Regie beschnitt er den Stoff um den eigentlichen Unterhaltungswert – Kenner der Bücher werden zwar viele Elemente wiederfinden, und wer sich für "Strategie für die Seefahrt während des Krieges" interessiert, wird auf seine Kosten kommen – alles in allem wird man das Gefühl aber nicht los, dass die Thematik unter einem anderen, emotionaleren Regisseur besser und mitreißender hätte verfilmt werden können.
Nach Fluch der Karibik [2003] wartet Master & Commander – Bis ans Ende der Welt zwar trotzdem mit beeindruckenden Seeschlachten und einem ungeheuren Materialaufwand auf, allerdings erscheint er in vielen Momenten verschenkt.
Kurz: Technisch perfekt, aber inhaltlich trocken. Schade!