Kraven the Hunter [2024]

Wertung: 2 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. Dezember 2024
Genre: Action / Thriller

Originaltitel: Kraven the Hunter
Laufzeit: 127 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: J.C. Chandor
Musik: Evgueni Galperine, Sacha Galperine, Benjamin Wallfisch
Besetzung: Aaron Taylor-Johnson, Ariana DeBose, Fred Hechinger, Alessandro Nivola, Christopher Abbott, Russell Crowe, Levi Miller, Yuri Kolokolnikov, Veronica Ngo, Tom Reed


Kurzinhalt:

Von klein auf wurde den Halbbrüdern Sergei (Aaron Taylor-Johnson) und Dmitri (Fred Hechinger) von ihrem skrupellosen Vater Nikolai Kravinoff (Russell Crowe), einem Furcht einflößenden wie einflussreichen Gangster, beigebracht, dass Brutalität, Stärke und Unerbittlichkeit das einzige sind, was verhindert, dass man selbst zur Beute wird. Nach einem traumatischen Erlebnis und einem Jagdunfall, den Sergei mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattet überlebt, sagt er sich von seinem Vater los und flieht nach Russland. Dort schwört er, Menschen wie seinen Vater zur Strecke zu bringen. Viele Jahre später ist Sergei als der gesetzlose „Jäger“, genannt Kraven, bekannt und in der Unterwelt gefürchtet. Um diejenigen ausfindig zu machen, die er ausschalten will, will Kraven die Kontakte der Anwältin Calypso (Ariana DeBose) nutzen, mit der ihn genau das verbindet, was ihn zu dem macht, was er ist. Doch dann wird der Söldner Rhino (Alessandro Nivola) darauf aufmerksam gemacht, dass er auf Kravens Liste stehen könnte und entscheidet sich, selbst aktiv zu werden. Da Kraven nicht einmal mit Hilfe des Attentäters Foreigner (Christopher Abbott) ausfindig zu machen ist, nimmt Rhino diejenigen Menschen ins Visier, die Sergei am wichtigsten sind …


Kritik:
Mehr als zwei Jahre, nachdem die grundsätzlichen Dreharbeiten beendet sind und einige Verschiebungen später startet die Comic-Verfilmung Kraven the Hunter endlich auf der großen Leinwand. So enttäuschend, wie die Vorgeschichte hat befürchten lassen, ist J.C. Chandors Fantasy-Actionfilm zwar nicht geraten, doch soll das nicht als ausgesprochenes Lob gemeint sein. Das Ergebnis ist stellenweise unterhaltsam und lässt im allerletzten Moment erkennen, dass es mit der Figur eine durchaus interessante Geschichte zu erzählen gäbe. Nur die hier präsentierte ist das nicht.

Nach einem Prolog, in dem vorgestellt wird, wie der als „Jäger“ bekannte Kraven in ein russisches Gefangenenlager einbricht, um darin einen Gangsterboss zu ermorden, springt die Geschichte 16 Jahre zurück und schildert, wie Sergei Kravinoff zu dem mit übermenschlichen bzw. überlebensgroßen animalischen Fähigkeiten ausgestattete Kraven wurde, der eine Liste von Gangstern pflegt, von denen er die Welt befreien will. Indirekt verantwortlich für Kravens Kräfte ist sein tyrannischer Vater Nikolai, ein Unterweltboss, der Stärke und Unbarmherzigkeit über alles stellt. An dem Tag, an dem ihre Mutter stirbt, nimmt er Sergei und dessen jüngeren Halbbruder Dmitri auf einen Jagdausflug. Nachdem er seine Kräfte erhalten hat, sagt sich Sergei von seinem Vater los und flieht in die Einsamkeit nach Russland, wo er seine Fähigkeiten trainiert, um der mächtigste Jäger der Welt zu werden, und dann die Jagd auf diejenigen zu eröffnen, die die Welt nur schlimmer machen.

Dass Kraven the Hunter, der im selben, erweiterten filmischen Universum wie die letzten Spider-Man- bzw. Venom-Filme spielt, einen Antihelden portraitiert, ist nicht ungewöhnlich. Es mag nicht recht zur Comicvorlage passen, in der Kraven überwiegend ein Superschurke ist, aber solch eine Geschichte ließe sich unbestritten schlechter vermarkten. Unerwartet ist allerdings, dass sich Kraven nicht als Antiheld oder gar Bösewicht sieht. Vielmehr glaubt er sich im Recht, seine Fähigkeiten eben so einzusetzen und bittet sogar die in einer renommierten Kanzlei arbeitende Anwältin Calypso Ezili, deren Klienten durchaus auf Kravens Liste stehen, ihre Informationen zu nutzen, so dass er seine Ziele erreichen kann. Selbst wenn sie zögert und Bedenkzeit erbittet, Gewissensbisse hat sie offenbar ebenfalls nicht.

Sowohl sie als auch Kraven geben sich von ihren Reaktionen her, die teils pseudo-esoterischen, gestellten Dialoge außer Acht lassend, so weltfremd, wie alle übrigen Figuren der Geschichte. Angefangen von Sergeis Vater Nikolai, der mit einem aufgesetzten Machismo und einer Härte auftritt, dass ihm der Tod seiner Söhne lieber wäre, als dass sie bei einem Kugelhagel in Deckung gehen, über Dmitri, bei dem nie klar oder erwähnt wird, wie es ihm ergangen ist, nachdem sein Bruder ihn einst bei ihrem Vater zurückließ. Bis hin zu dem Söldner und Auftragskiller Foreigner, der sich auf Grund seiner Fähigkeiten zwar unbemerkt an Wachen vorbeischleichen kann, diese dann aber dennoch ermordet, nur um zu unterstreichen, wie böse er ist. Doch ohne irgendeine „normal“ agierende Figur als Anker der Story fällt es schlicht schwer, von irgendeinem Schicksal mitgerissen zu werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass all dies notdürftig zusammengeflickt erscheint. Zahlreiche Dialoge sind zu hören, ohne das die Gesichter zu sehen sind und in der englischen Sprachfassung ist deutlich wahrnehmbar, dass zahlreiche Dialogfetzen nachträglich eingesprochen wurden, um der Story offenbar irgendeine Struktur zu verleihen. Treffen Kraven und Calypso aufeinander, oder stellt sich der Foreigner vor, sind diese Szene nicht mehr, als eine einzige, träge dargebrachte Exposition. Überhaupt erklärt sich jeder der Bösewichte selbst, seinen Hintergrund und Motivation. Dass es so viele Schurken gibt, ist schon unverständlich, zumal kaum einer wirklich in Aktion treten darf. Als wäre das nicht enttäuschend genug, kann auch J.C. Chandors Umsetzung all dessen nicht überzeugen. Trifft Kraven kurz vor dem eigentlichen Finale auf eine Privatarmee des Schurken Rhino, schält er jeden einzelnen der Handlanger unmittelbar nacheinander aus, mit Fallen, die er zuvor offenbar gelegt hat (und die man nie zu Gesicht bekam). Was als Hommage an Rambo [1982] gedacht sein mag, wirkt wie eine uninspirierte, stellenweise brutale Kopie ohne einen Funken Originalität. Die gesamte Sequenz verfügt über keinerlei Dramaturgie und selbst die vorige Entführung, die Sergei zu verhindern versucht, hört sich von den Ideen her interessanter an, als die Inszenierung gelungen ist. Packend ist sie nicht im geringsten. Es ist so bezeichnend wie bedauerlich, wenn am ehesten die Eröffnung des Films im Gedächtnis bleibt, die enorm von der musikalischen Untermalung profitiert, die aber nicht einmal von den beteiligten Komponisten stammt, sondern aus der Feder von Basil Poledouris bzw. aus dem ungemein sehenswerteren Jagd auf Roter Oktober [1990].

Dass die mit der Laufzeit nur zahlreicher werdenden Trickeffekte zudem derart offensichtlich sind, dass sie spürbar vom Geschehen ablenken, macht es schließlich nicht besser. Dies gipfelt in einem Comic-Film-Finale, in dem sich einmal mehr computergenerierte Figuren bekämpfen und man ernüchtert feststellen muss, dass man all dies inzwischen nicht nur merklich zu oft gesehen hat, sondern es meist auch deutlich besser aussah. Man kann dabei nicht einmal sagen, dass Kraven the Hunter sein Potential verschenken würde, denn was genau an der Titel gebenden Figur so interessant sein soll, dass es einen abendfüllenden Spielfilm rechtfertigen würde, arbeiten die Verantwortlichen nie heraus.


Fazit:
Ist der Prolog noch durchaus unterhaltsam, klingen nicht nur die gestellten Dialoge, die danach folgen und der Geschichte bis zum Ende erhalten bleiben, wenig vielversprechend. So klischeehaft die Hintergrundgeschichte des Antihelden sein mag, seine Entwicklung wird überhaupt nicht greifbar. Als jemand, der sich für Naturschutz sowie die Tierwelt einsetzt und nie so werden wollte, wie sein Vater, welcher keinen Respekt für menschliches Leben hat, offenbart Kraven letztlich nicht nur eine ebenso große Verachtung für die Menschenleben, die er nicht für würdig befindet, sondern nimmt in den letzten Momenten den Titel des Großwildjägers beinahe bereitwillig an. Immerhin, in diesen allerletzten Momenten scheint sich in innerer Konflikt der Titelfigur anzubahnen, den man bis dahin vergebens suchte. Dieser Augenblick verheißt mehr, als der Film davor je einzulösen vermag, oder gar versucht. Kraven the Hunter mag mit ein paar netten Ideen aufwarten, wenn Kraven seine übernatürlichen Fähigkeiten einsetzt, um sich an den Bösewichten vorbeizuschleichen. Doch all das führt ebenso wie die Geschichte nirgendwo hin. Das Ergebnis ist so langatmig wie uninteressant, was beides im Verlauf nur zunimmt. Schade ist das hier weniger ums Potential, als um die Zeit des Publikums.