Königreich der Himmel - Director's Cut [2005]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Lars und Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. April 2008
Genre: Monumental / Drama / Action

Originaltitel: Kingdom of Heaven
Laufzeit: 186 min.
Produktionsland: Großbritannien / Spanien / USA / Deutschland
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Ridley Scott
Musik: Harry Gregson-Williams
Darsteller: Orlando Bloom, Liam Neeson, Eva Green, David Thewlis, Marton Csokas, Alexander Siddig, Jeremy Irons, Edward Norton, Brendan Gleeson, Ghassan Massoud, Martin Hancock, Michael Sheen


Kurzinhalt:
Im zwölften Jahrhundert, zwischen dem zweiten und dritten Kreuzzug, bewahrt den König Balduin IV (Edward Norton) in Jerusalem einen zerbrechlichen Frieden unter den dort lebenden Moslems, Christen und Juden. Während die Tempelritter kriegeslustig diesen Frieden aufs Spiel setzen, um den Sarazenenführer Saladin (Ghassan Massoud) zum Angriff provozieren, kommt der französische Schmied Balian de Ibelin (Orlando Bloom) nach Jerusalem, um dort die Position seines Vaters Godfrey (Liam Neeson) zu übernehmen. Als Baron soll er für Frieden sorgen und wird bald in den inneren Kreis des todkranken Königs eingeweiht.
Der wird von den politischen Intrigen seines Schwagers Guy de Lusignan (Marton Csokas) zusehends geschwächt und Balduins Schwester Sibylla (Eva Green), in die sich Balian verliebt, scheint ebenfalls ihre eigenen Ziele zu verfolgen. So provozieren die Tempelritter einen Angriff von Saladins Armee auf Jerusalem und Balian kommt seinem Schwur nach, die Menschen innerhalb der Mauern mit allen Mitteln zu verteidigen ...


Kritik:
Mit dem Epos um die Entdeckung Amerikas, 1492 - Die Eroberung des Paradieses [1992], enttäuschte der durch Filme wie Thelma & Louise [1991] oder Der Blade Runner [1982] bekannt gewordene Regisseur Ridley Scott an den Kinokassen merklich. Auch wenn damals nicht in dem Sinne teuer wie zu heutigen Zeiten, spielte der Film nicht einmal ein Fünftel seiner Kosten wieder ein. Auch das nächste Projekt, das Drama White Squall - Reißende Strömung [1996], konnte trotz guter Rezensionen die Zuschauer nicht überzeugen. Mit dem Army-Flop Die Akte Jane [1997] schließlich war das Schicksal des inzwischen zum Sir geadelten britischen Filmemachers besiegelt. Erst mit dem modernen Sandalenfilm Gladiator [2000] konnte sich Scott rehabilitieren. Mit Königreich der Himmel wollte man den Erfolg wiederholen, auch wenn die Geschichte gänzlich anders angelegt ist und angesichts der Schilderung von Kämpfen zwischen Christen und Moslems auch heute noch ein brisantes Thema darstellt.
Doch zumindest in den USA blieb der Erfolg der immerhin 130 Millionen Dollar teuren Produktion aus. Für die Kinoveröffentlichung auf eine Länge von zwei Stunden achtzehn Minuten getrimmt (auf Wunsch des Studios), veröffentlichte man wenig später einen um fünfzig Minuten erweiterten "Director's Cut", der endlich Handlungsstränge und Charakterentwicklungen integrierte, die Zuschauer im Kino vermissten. Herausgekommen ist ein ambitioniertes Werk, das mit großem Aufwand und einer überwältigenden Optik zu überzeugen versucht. Doch angesichts der inhaltlichen Schwächen und eines Hauptdarstellers, der allein einen Film dieser Größenordnung nicht zu tragen vermag, wundern die schwachen Einspielergebnisse nicht.

Hauptkritikpunkt ist das Drehbuch von Erstautor William Monahan, der wenig später für seine amerikanische Adaption des Hongkong-Thrillers Infernal Affairs [2002] unter dem Titel Departed - Unter Feinden [2006], den Oscar bekam – wie gerechtfertigt diese Ehre war, sei dahingestellt.
Monahan etabliert zwar von der ersten Minute an den einsamen Helden des Epos, Balian de Ibelin, als ehrenhaften Kämpfer. Doch auf Grund der Tatsache, dass Balian im Verlauf des Films an sich auf der falschen Seite zu kämpfen scheint – immerhin haben die Tempelritter den Angriff des Sarazenenanführers absichtlich provoziert – kann man sich mit seiner Überzeugung und seinem Einsatz nicht so recht identifizieren. Auch in Sibyllas Absichten spiegeln sich nur ihre eigenen Vorteile wider, so dass auch sie als Sympathieträger ungeeignet erscheint. Einzig der von Jeremy Irons verkörperte, fiktive Charakter Tiberias findet die Gunst der Zuschauer, sowie Balduin IV.
Während es also an Charakteren mangelt, denen man bereitwillig ins Schlachtengetümmel folgen würde, plätschert die Geschichte insbesondere in der ersten Hälfte uninspiriert vor sich hin, die ersten Konfrontationen sind zwar gut umgesetzt, doch da man die im Kampf befindlichen Figuren gerade erst vorgestellt bekommen hat, wird man vom Kampfgeschehen nicht wirklich mitgerissen. Balians Reise nach Jerusalem (inklusive Schiffsbruch und erneutem Schwertkampf) wird in einer Geschwindigkeit abgehandelt, dass man daraus allein eine halbe Stunde hätte füllen können, und auch wie schnell sich Balian in seinem neuen Zuhause einlebt – ohne dass man erfahren würde, welche Aufgaben ihm als Baron überhaupt zufallen – lässt einen als Zuseher unberührt zurück.
Den unterkühlten Figuren folgen unterkühlte Entscheidungen und selbst wie schnell Balian als Vertrauter des Königs eingeführt wird, scheint nicht nachvollziehbar. So bekommt man zwar immer wieder neue Umgebungen, Figuren und Szenen zu sehen, gepackt wird man vom Geschehen aber nicht wirklich. Dass Autor Monahan sich immerhin die Zeit nimmt, herauszustellen, dass auch die Moslems um ein friedliches Zusammenleben bemüht sind, die Aggressionen in dem Falle von den fanatischen, machtversessenen Tempelrittern ausgehen und insbesondere die christlichen Gläubigen ihren Glauben gerne dann ausleben, solange es ihrem Selbsterhalt dient, ist löblich. Kommentare wie derjenige von Tiberias, der "Religion schon zu vielen Augen von Mördern" gesehen hat, unterstreichen den umsichtigen Umgang mit dem Thema – auch wenn solche Äußerungen damals mit Sicherheit umgehend zum Schafott geführt hätten.
Am Ende wohnt man zwar der Zerstörung Jerusalems bei, mitgerissen von der mehreren Tage dauernden Schlacht ist man allerdings nicht, zumal all diejenigen Figuren, mit denen man sich am ehesten identifiziert hätte, entweder kaum etwas zu tun bekommen, oder aber schnell das Zeitliche segnen. Wo die Vorlage von Braveheart [1995] den Zuseher vom ersten Moment an an die Seite der Hauptfigur stellt, man seine Beweggründe miterleben muss und wie er im Verlauf der Geschichte immer wütender wird, bleibt man bei Königreich der Himmel stets unbeteiligt. Und darum auch teilnahmslos.

Für Verwunderung sorgte im Vorfeld bereits Ridley Scotts Entscheidung, Orlando Bloom für die Hauptrolle zu verpflichten. Bekannt geworden durch die Der Herr der Ringe-Trilogie [2001-2003] und seine Rolle in Fluch der Karibik [2003], ist Bloom zwar kein Unbekannter mehr, doch bei weitem nicht mit Darstellern wie Gladiator Russell Crowe vergleichbar, den Scott zuerst im Sinn hatte, der jedoch durch andere Projekte absagen musste. Bloom ist es auch, der ausbaden muss, was das Drehbuch nicht bietet; auch wenn Crowe in Gladiator an sich unter einem ähnlich eindimensionalen Charakter zu leiden hatte, machte er diese Mängel durch seine Ausstrahlung wieder wett. Orlando Bloom allerdings verfügt nicht über ein derartiges Charisma, so dass er der Rolle schlichtweg nicht gewachsen scheint und seine Ansprache vor den verängstigten Stadtbewohnern Jerusalems vor dem Finale auch entsprechend wenig überzeugt. Nicht nur, dass er während des gesamten Films passiv und unbeteiligt wirkt, seine Beweggründe an sich spiegeln sich weder in seiner Mimik, noch in seiner Körperhaltung wider. Und auch seine Aussprache im Englischen Original scheint in jedem Moment gleich.
Dass es anders geht, beweist Liam Neeson in seinem kurzen Auftritt, der zwar nicht allzu viel zu tun hat, dies jedoch mühelos meistert, ebenso wie David Thewlis, dessen Rolle überaus mysteriös ausfällt. Auch Jeremy Irons vermag mühelos zu überzeugen und zählt wie schon erwähnt zu den wenigen Sympathieträgern des Films. Ebenso wie Alexander Siddig, der zuletzt in Syriana [2005] eine ähnlich gute Rolle verkörperte. Von Edward Norton ist unter der Gesichtsmaske nicht viel zu sehen, wohingegen Eva Green schlichtweg zu unterkühlt und berechnend wirkt, als dass man Partei für sie ergreifen könnte.
Auf der anderen Seite leisten Marton Csokas und Brendan Gleeson als intrigante Tempelritter gute Arbeit, um sich von den ersten Begegnungen an unbeliebt zu machen. Ob ihre Darbietung – insbesondere auch beim aufgesetzten Duell am Schluss – nicht übertrieben ist, muss allerdings jeder für sich entscheiden.
Erwähnenswert ist außerdem Ghassan Massoud, der den Sarazenenanführer Saladin sehr weises und doch undurchschaubar verkörpert. Er rundet einen sich gut ausgesuchten Cast ab, dem lediglich Hauptdarsteller Bloom in dem Sinne nicht gewachsen scheint.

Hinter den Kulissen arbeitete Regisseur Ridley Scott einmal mehr mit Kameramann John Mathieson (Gladiator) und Cutterin Dody Dorn (Tricks [2003]) zusammen; in Sachen Inszenierung, Bildkomposition und Farbauswahl könnte sich Scotts Bruder Tony Scott (Mann unter Feuer [2004]), der seit einigen Jahren auf blindwütige Schnitte und grelle Optik setzt, zweifellos ein Beispiel nehmen.
Beeindruckend sind bei Königreich der Himmel insbesondere die langsamen Szeneneinstellungen geraten, die nicht nur ein Gefühl dessen vermitteln, wie rau im 12. Jahrhundert die Landschaft gewesen ist, sondern welche Zustände unter anderem in Städten wie Jerusalem geherrscht haben müssen. Kamera und Schnitt ergänzen sich hier zu eine hervorragenden Bilderauswahl, die ebenso berauscht wie beeindruckt – und dank der hervorragenden Spezialeffekte ein überzeugendes Szenario auferstehen lassen.
Bei den Kampfszenen setzt Scott wie bei Gladiator schon auf eine Kombination aus schnellen Schnitten (die trotz der Blutmengen nicht die realitätsnahen Gemetzel von Braveheart schildern), durch Zeitraffer und Zeitlupen aber unnötig stilisiert erscheinen. Hier wäre ein konventionellerer, wenn auch epischerer Aufbau des gesamten Sarazenenangriffs (ähnlich wie die mehrschichtige Schlacht in Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs [2003]) vermutlich die bessere Lösung gewesen.
Dennoch gibt es handwerklich nichts zu beanstanden, zumal die opulente Optik für vieles entschädigt.

Über beinahe jeden Zweifel erhaben ist die Musik von Komponist Harry Gregson-Williams, dem hier das Kunststück gelingt, einen orchestralen Score zu entwerfen, der durch Chor und Instrumente so lebendig wirkt, als sei er ein eigenständiges Castmitglied. Er unterstützt die Szenen durch ebenso temporeiche wie atmosphärische Klänge, die sich allenfalls bei der Besetzung der Stadt im letzten Drittel oft wiederholen. Davon abgesehen zählt der Soundtrack von Königreich der Himmel zu Gregson-Williams abwechslungsreichsten, innovativsten und beeindruckendsten Werken.
Dabei tauschten er Hans Zimmer die Engagements bei diesem Film und Madagascar [2005], den dafür Zimmer vertonte. Man kann dem Komponisten zu seiner erstklassigen musikalischen Begleitung nur gratulieren – mit einer Ausnahme. Die unverfrorene Benutzung eines Themas aus Jerry Goldsmiths Der 13. Krieger [1999], das während Balians Ansprache vor der Belagerung Jerusalems durch die Sarazenen benutzt wird (und das nicht einmal im Abspann erwähnt wird) scheint überaus frech und durch die fehlende Auflistung beim Abspann auch etwas unverschämt. Zumal das Thema zum Rest des Films nicht so recht passen mag, auch wenn es für sich genommen sehr gut komponiert ist.

Bei allem sichtlichem Aufwand und der durchweg perfekten technischen Umsetzung leidet Königreich der Himmel unter dem gleichen Merkmal, das auch einige andere Filme von Ridley Scott aufweisen: Trotz dramatischer Ereignisse wirkt das Werk seltsam unterkühlt und gefühlsarm. Während beispielsweise Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt [1979] hier stattdessen mit einer dichten Atmosphäre, nahezu greifbarer Spannung und einem faszinierenden Monster fesseln konnte, oder Blade Runner Sterilität und Emotionslosigkeit zum Stilmittel bei der Darstellung einer der Neon-Ästhetik verfallenen Zukunft erhob, sucht der Zuschauer bei Königreich der Himmel vergeblich nach einer Identifikationsfigur, deren Schicksal ihn wirklich bewegt. Wenig hilfreich ist dabei außerdem, dass Orlando Bloom als Balian weder das Charisma eines Russell Crowe, noch die Getriebenheit eines vom erfahrenen Gérard Depardieu dargestellten Kolumbus bietet.
Wenn die im Mittelpunkt stehenden Charaktere nicht mitreißen, können es auch ausgefeilte und realistische Schlachtensequenzen nicht. Während Peter Jackson in seinen Der Herr der Ringe-Filmen bewiesen hat, dass atemberaubende Kampfsequenzen möglich sind, wenn der Zuschauer Sympathien für die bedrängten Charaktere empfindet, nimmt man in Königreich der Himmel zwar den zweifellosen Aufwand zur Kenntnis, sieht dem Geschehen jedoch zu großen Teilen eher teilnahmslos zu.


Fazit:
Trotz der kleinen und größeren Mängel ist Königreich der Himmel ohne Frage ein sehenswertes Stück Historien-Kino mit erheblichem Produktionsaufwand, das jedoch leider einige Möglichkeiten verschenkt. Offensichtlich wird das schon daran, wenn Nebenfiguren wie Jeremy Irons' Tiberias, Edward Nortons König Baldwin, Alexander Siddigs Nasir oder Ghassan Massouds Saladin mehr interessieren, als Hauptfigur Balian, verkörpert von einem mit der Rolle überforderten Orlando Bloom, der das Monumentalepos nicht zu tragen vermag.
Das Skript hätte somit ohne weiteres einige weitere Überarbeitungen nötig gehabt, während die Regie von Ridley Scott zwar mit malerischen Bildkompositionen aufwarten kann, das Kampfgetümmel aber seltsam stilisiert schildert, beziehungsweise unterkühlte Figuren in den Mittelpunkt einer dahinplätschernden Geschichte stellt. All das enttäuscht nach den Vorschusslorbeeren, den der "Director's Cut" bekommen hat, und lässt erahnen, wie ernüchtert die Zuschauer der Kinofassung gewesen sind.