Knock at the Cabin [2023]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 3. Februar 2023
Genre: Thriller / Horror

Originaltitel: Knock at the Cabin
Laufzeit: 102 min.
Produktionsland: USA / China
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: M. Night Shyamalan
Musik: Herdís Stefánsdóttir
Besetzung: Dave Bautista, Ben Aldridge, Jonathan Groff, Kristen Cui, Nikki Amuka-Bird, Abby Quinn, Rupert Grint


Kurzinhalt:

Als sie während eines Trips mit ihren Vätern Andrew (Ben Aldridge) und Eric (Jonathan Groff) zu einer im Wald abgelegenen Hütte draußen spielt, wird die junge Wen (Kristen Cui) von dem freundlichen, aber mysteriösen Leonard (Dave Bautista) angesprochen. Sie unterhalten sich, bis drei weitere Fremde hinzukommen, Sabrina (Abby Quinn), Adriene (Nikki Amuka-Bird) und Redmond (Rupert Grint), die improvisierte Waffen bei sich tragen. Die Familie verschanzt sich in der Hütte, kann jedoch keine Hilfe holen, da die Fremden die Telefonleitung durchtrennt haben. Leonard verkündet ihnen, dass sie nur reden wollen und dass sie eine wichtige Aufgabe haben. Nachdem sie sich Zugang verschafft und Andrew wie Eric gefesselt haben, erklärt Leonard ihnen, dass der Weltuntergang bevorsteht und die einzige Möglichkeit, ihn abzuwenden ist, wenn die Familie eines ihrer Mitglieder opfert. Was sich für die Väter wie eine absurde Verschwörungstheorie anhört, gewinnt eine andere Bedeutung, als Nachrichtenbeiträge im Fernsehen von verheerenden Katastrophen berichten, die sich gerade eben ereignen …


Kritik:
Wie in Signs – Zeichen [2002] konfrontiert Filmemacher M. Night Shyamalan sein Publikum in Knock at the Cabin mit einer Frage des Glaubens. Aber statt eine Figur vorzustellen, die den Glauben verloren hat, sind es hier Charaktere, die in unserer so aufgeklärten Gesellschaft an keine übergeordnete Instanz glauben. Da sie überdies mit Ignoranz und Ausgrenzung konfrontiert werden, stellt sich die Frage, sind sie bereit zu glauben, um diejenigen zu retten, die ihnen Verachtung entgegenbringen? Und ist dies überhaupt die entscheidende Perspektive? Hieraus destilliert das Mystery-Thriller-Drama eine Gewissensfrage, auf die es keine einfache Antwort gibt.

Was für sämtliche tragenden Figuren auf dem Spiel steht, ist schon nach den ersten Minuten mit Händen zu greifen, wenn nach dem eine Aura des Unheils versprühenden Vorspann die junge Wen im Wald vor der Titel gebenden Hütte nach Grashüpfern sucht. Sie verbringt ihre Zeit dort mit ihren Vätern Eric und Andrew. Wie in Rückblicken gezeigt wird, sind sie eine glückliche Familie, obwohl sie es in der Vergangenheit nicht einfach hatten. Eric und Andrew, weil sie auf Grund ihrer Beziehung angefeindet wurden, Wen auf Grund einer gespaltenen Oberlippe. Sie trifft dort im Wald auf den großgebauten Leonard, der sich mit ihr unterhält und sogar sagt, er wolle sich mit ihr anfreunden. Doch dann kommen drei „Gefährten“, wie Leonard sie nennt, hinzu. Adriene, Sabrina und Redmond, die alle Waffen in den Händen halten, die sie aus Spitzhacken oder Mistgabeln gebaut haben. Sie sagen, sie müssten mit Eric und Andrew sprechen und sie hätten die vermutlich wichtigste Aufgabe in der Geschichte der Welt zu erfüllen. Nachdem sich die vier Zugang zur Hütte verschafft haben und ihnen Wen, Andrew und Eric ausgeliefert sind, erklärt Leonard, dass die Welt zu Ende geht, wenn die Familie nicht bereit ist, ein Mitglied zu opfern. Und tatsächlich zeigen Nachrichtenbeiträge Katastrophen, die plötzlich rund um den Globus auftreten.

Die Grundidee von Knock at the Cabin klingt so einfach wie weit hergeholt. Aber wie bei vielen Mystery-Geschichten, ist hier entscheidend, wohin Regisseur Shyamalan sie entwickelt. Die existenziellen Fragen, denen sich Andrew und Eric gegenübersehen, könnten dabei einfacher kaum zu erfassen sein – oder schwieriger zu beantworten. Zum einen, können sie den vier Eindringlingen glauben, die sie mit ihren improvisierten Waffen einschüchtern und behaupten, Visionen hätten sie hierher geführt und ihnen prophezeit, was der Welt blüht? Und selbst wenn sie es nicht tun, wären sie bereit, ein Familienmitglied zu opfern, um zwei zu retten? Es ist eine unmögliche Entscheidung und die beiden Väter entscheiden sich, wie jede Familie es tun würde. Ihr „Nein“ hat gleich mehrere Auswirkungen und tatsächlich zeichnen sich Katastrophen ab, die in Nachrichtenbeiträgen gezeigt werden und unzählige Menschenleben kosten. Ist all dies Zufall? Ist ihre Familie und ihr gemeinsames Glück, das sie nach vielen Rückschlägen hierher geführt hat, nur unvorhersehbaren Zufällen zu verdanken?

Während sich bei Eric Zweifel breitmachen, dass an den Prophezeiungen der Eindringlinge etwas Wahres sein könnte, weigert sich Andrew, so etwas wie Vorsehung oder den Willen, den Plan einer göttlichen Existenz anzuerkennen. Er muss sich weigern, sagt er selbst. Wie sollte er sonst akzeptieren, dass er und Eric für ihre Beziehung, für ihre Gefühle füreinander, so oft angefeindet und sogar körperlich angegriffen wurden. Dass die von Leonard angeführte Gruppe von Stunde zu Stunde verzweifelter wirkt, als wollten sie alle gar nicht dort sein, verleiht der bedrohlichen Grundsituation in Knock at the Cabin etwas unvermittelt Tragisches. M. Night Shyamalan webt viele aktuelle Bezüge in die Dynamik der Story ein, vergleicht die von ihren Visionen besessenen vier mit Verschwörungsideologen, die in ihrer eigens erschaffenen, geistigen Echo-Kammer keine Zweifel an ihrer Mission dulden, Zusammenhänge und Zufälle nicht hinterfragen. Auf der anderen Seite steht die Rationalität von Eric und Andrew, die ihre Position ebenso vehement vertreten und sich damit selbst über das Wohl und die Belange der gesamten Menschheit stellen.

Auch wenn die meiste Gewalt knapp außerhalb des sichtbaren Bildes geschieht, entwickelt Knock at the Cabin eine überaus bedrückende und teilweise Furcht einflößende Atmosphäre. Zu real die Bedrohung der dreiköpfigen Familie, zu irrational und damit unberechenbar die vier Eindringlinge – wenigstens zu Beginn. Shyamalan gelingt dank einer starken Optik mit wohl überlegten Perspektiven und Kamerafahrten eine ebenso fesselnde wie beunruhigende Erzählung, der gleichzeitig dank der von Alfred Hitchcock-Filmen inspiriert scheinenden, passenden Musik und des spürbar alten Studio-Logos zu Beginn eine zeitlose Stimmung anhaftet. Über weite Strecken ist das vom Verlauf kaum vorhersehbar, ehe die Story im letzten Drittel bekannten Mustern folgt und kaum mehr überrascht. Das ist schon deshalb verwunderlich, weil Paul Tremblays Romanvorlage Das Haus am Ende der Welt [2018] gerade zum Ende hin einen anderen, düstereren Verlauf nimmt, der den Film zwar nicht zugänglicher gemacht, ihn aber vermutlich veredelt hätte. Das ist rückblickend durchaus schade.


Fazit:
Die eingestreuten Rückblicke verdeutlichen den langen, beschwerlichen Weg, den die Familie gemeinsam zurückgelegt hat und auch, weshalb das Opfer, das sie erbringen sollen, für sie noch schwerer ist, als es sich ohnehin anhört. Die Geschichte und und ihre Aussage lässt sich auf vielerlei Arten und Weisen interpretieren. Von Beginn an ist die Dringlichkeit der Situation ebenso spürbar wie die Bedrohung, die nicht nur die beiden Väter und ihre Tochter betrifft. Das gelingt auch dank einer durchweg tollen Besetzung, bei der Dave Bautista die vermutlich beste Darbietung seiner Karriere zeigen darf. Aber es ist Ben Aldridge, der nachhaltig in Erinnerung bleibt. Seine Verkörperung des zunehmend verzweifelten Andrew ist fesselnd, wie auch Kristen Cui als die junge Wen. Durch eine tolle Optik gelingt M. Night Shyamalan ein Kammerspiel mit einer erstklassigen Stimmung, dessen aufgeworfene Fragen packen, ob man sie nun wortwörtlich versteht, oder im übertragenen Sinn. Lange nicht vorhersehbar, lässt ausgerechnet das Finale hier nach und gibt sich sowohl kompromissbereiter als auch zugänglicher, als die Geschichte verdient. Doch das ändert nichts daran, dass Knock at the Cabin ein mehr als gelungener und trotz der ruhigen Umsetzung packender Mystery-Film mit vielen aktuellen Bezügen ist, mit dem Regisseur Shyamalan an seine besten Werke anknüpft.