Inside Man [2006]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. April 2005
Genre: Thriller / Unterhaltung

Originaltitel: Inside Man
Laufzeit: 129 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2006
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Spike Lee
Musik: Terence Blanchard
Darsteller: Denzel Washington, Clive Owen, Jodie Foster, Christopher Plummer, Willem Dafoe, Chiwetel Ejiofor, Carlos Andrés Gómez, Kim Director, James Ransone, Bernie Rachelle, Peter Gerety, Victor Colicchio


Kurzinhalt:
Sein Plan ist perfekt, davon ist der Bankräuber Dalton Russell (Clive Owen) überzeugt, und in der Tat verläuft alles so, wie er es sich vorgestellt hat: Zusammen mit drei weiteren Räubern überfällt der als Maler verkleidete Russell eine Bank, die er sehr sorgfältig ausgewählt hat, wobei sie mehrere Dutzend Geiseln nehmen. Als wenig später die Polizei den Tatort abriegelt, stellt sich der Verhandlungsführer Keith Frazier (Denzel Washington) zusammen mit seinem Kollegen Bill Mitchell (Chiwetel Ejiofor) Russells Bedingungen. Der will sowohl einen Bus, als auch ein vollgetanktes Flugzeug, scheint aber in keiner Eile, die Bank zu verlassen.
Als sich Bankdirektor Arthur Case (Christopher Plummer) und wenig später die zwielichtige Madeline White (Jodie Foster) in die Verhandlungen einschalten und Russell Unterstützung anbieten, wo die Stadt ansich klar der Anweisung Folge leistet, nicht auf die Bedingungen der Geiselnehmer einzugehen, dämmert es Frazier, dass Interessen gewahrt werden sollen, von denen er selbst zwar nicht die blasseste Ahnung hat, die aber Russell bekannt scheinen.
Während die Verhandlungsführer darauf setzen, den Geiselnehmer mürbe zu machen, sieht der in Frazier eine unerwartete Gefahr – der clevere Polizist könnte seinen perfekten Plan auf höchst unangenehme Weise durchkreuzen, und das ist ein Risiko, das Russell keinesfalls eingehen darf ...


Kritik:
Nach einigen Kurzfilmen gelang Regisseur Spike Lee im Alter von 29 Jahren mit der romantischen Komödie Nola Darling [1986] der Durchbruch. Während Lee für die Vorlage zu seinem Film Do the Right Thing [1989] noch mit einer Oscarnominierung bedacht wurde, überging ihn die Academy bei seinem preisgekrönten Bürgerrechtlerdrama Malcolm X [1992], seine zweite Zusammenarbeit mit Darsteller Denzel Washington, die dem Akteur auch eine Nominierung für die goldene Oscartrophäe einbrachte. Seither war Spike Lee in Hollywood sehr aktiv, inszenierte aber auch immer wieder abseits der Leinwand, unter anderem das Michael Jackson-Musikvideo "They Don't Care About Us", und bringt mit Inside Man seinen bislang größten finanziellen Erfolg in die Kinos – gleichwohl die Zuschauer von dem arg gemächlichen Thriller polarisiert werden. Loben die einen die gelungenen Darsteller und die wirklich tadellose Umsetzung, bemängeln andere die konstruierte, lang gezogene Geschichte und eine Erzählstruktur, die sich durch in die Handlung eingewobene Verhörausschnitte (die ja erst nach dem eigentlichen Banküberfall stattfinden) unnötigerweise selbst an Substanz abgräbt. Die Wahrheit liegt in dem Film tatsächlich dazwischen, und so fällt Spike Lees bislang kommerziellster Hollywood-Film deshalb hinter seine Möglichkeiten zurück, weil der Filmemacher in einen soliden Thriller skurrile Aspekte einbringt, die den Film allerdings eben jener bedrohlicher Atmosphäre berauben, die man sich vom Thema erhoffen und auch erwarten würde.

Dreh- und Angelpunkt eines Banküberfall-Films ist der Überfall selbst, den einfallsreich und doch neuartig zu gestalten alles andere als einfach ist – eben das gelingt Autor Russell Gewirtz erstaunlich gut, und auch die Einführung seiner Figuren vermag zu überzeugen. Dass es ihm überdies glückt, den beiden Protagonisten auch sprachlich ein Duell zuzuschreiben, ist bemerkenswert und zeichnet die Vorlage merklich aus.
Aber während die Dialoge stellenweise überaus pointiert gelungen sind, und die Gespräche zwischen Russell und Frazier zu den Höhepunkten des Films gehören, sieht es mit der Handlung selbst nicht ganz so gut aus; nicht nur, dass das Geschehen unnötig in die Länge gezogen scheint (was auch an der prinzipiell völlig überflüssigen Nebenhandlung mit Madeline White liegen mag), die auf Krampf moderne Erzählweise mit den immer wieder eingestreuten Verhörschnipseln, die das Geschehen chronologisch unnötigerweise auseinander reißen, und dem geradezu absurden, alternativen Sturm auf die Bank, der viel zu lange ausfällt und ebenfalls nicht das Geringste zur Geschichte beiträgt (aber dennoch im Film ausgemalt wird), scheint die Vorlage von Autor Russell Gewirtz dringend überarbeitungsbedürftig und in der Form auf inhaltliche Punkte konzentriert, die weder die Figuren, noch die Geschichte voran bringen, aber zu einer erzwungenen Skurrilität beitragen, die in einem ernsten Thriller gar nicht notwendig wäre.
So werden einige Punkte letztlich auch gar nie geklärt, und die Motivation von Dalton Russell (seine Informationsquelle außen vor gelassen) ebenfalls im Dunkeln. Hätte man das Geschehen gestrafft, die unnötig aufgeblasene Erzählung entschlackt und dabei den Überfall selbst erhalten, wäre ein bedeutend besserer Film möglich gewesen, der in seiner Tradition dem letzten beeindruckenden Geiselnahmenthriller Verhandlungssache [1998] ebenbürtig gewesen wäre. So wirken die Gespräche stellenweise zu witzig, die Stimmung nicht im Entferntesten bedrohlich und die Motivation der Figuren überwiegend nicht vorhanden. Aus der Grundidee hätte man gerade mit diesen Beteiligten vor und hinter der Kamera mehr machen sollen.

Gerade die Darsteller scheinen aber in bester Spiellaune zu sein, allen voran Denzel Washington, der auf eben jene Rolle des ruppigen aber cleveren Polizisten abonniert scheint, und sich in dem getragenen Anzug merklich wohl fühlt. Dass seine Figur dabei nicht zwingenderweise sympathisch ist, und durch seine Überheblichkeit eine andere Schattierung erfährt, als man erwarten würde, kommt dem Darsteller zugute, der hier so routiniert wie gewohnt mimt und Inside Man zusätzlich veredelt. Ihm durchweg ebenbürtig ist Clive Owen, der trotz seiner spärlicheren Dialoge in Lees Film mehr Charisma aufzubauen vermag, als in dem merklich längeren King Arthur: Director's Cut [2004]. Owen macht seine Sache wirklich gut, steht ihm die unterkühlte, kontrollierte Präsenz doch gut zu Gesicht.
Diesbezüglich weniger gefordert ist Jodie Foster, deren emotionalere Rolle in Flightplan – Ohne jede Spur [2005] schon deswegen stärker im Gedächtnis bleibt, weil ihre Figur in Inside Man für die Geschichte prinzipiell gar nicht notwendig ist, und die Handlung nur in die Länge zieht. Sie erblasst gerade im Vergleich zu Christopher Plummer, der zwar ebenfalls keinen übermäßig engagierten Eindruck macht – und in seinem Kurzauftritt in Syriana [2005] auch stärker gefordert war – aber die Rolle mit seiner gewohnten Präsenz zum Leben erweckt.
Unterbeschäftigt ist auch Willem Dafoe, der wie Chiwetel Ejiofor mehr als Gastdarsteller, denn als richtiger Beteiligter mit einbezogen wird, beide spielen aber überzeugend und lassen keine Wünsche offen. Auch die übrigen Beteiligten werden kaum gefordert und stehen verständlicherweise im Schatten der beiden Protagonisten, die sich auch dann noch ein gelungenes Katz-und-Maus-Spiel mit ihren Schauspielkünsten liefern, wenn die Vorlage diesem Anspruch nicht mehr in dem Maße gerecht wird.
Die Besetzung ist durchweg sehr gut ausgewählt und harmoniert vor der Kamera gerade durch die unterschiedlichen Schauspieltypen, die in gewissem Sinne die Unterschiedlichkeit der Großstädter widerspiegelt.

Handwerklich gibt es ebenso wenig zu bemängeln, dank der exzellenten und stets innovativen Kameraführung von Matthew Libatique, der neben dem gekonnten Spiel aus Licht und Schatten immer neue Perspektiven, lange Kamerafahrten und ein authentisches Gefühl für die Stunden in der Metropole auf die Leinwand zaubert. Dank des gelungenen Schnitts von Lees Haus-Cutter Barry Alexander Brown behält man auch dann die Übersicht, wenn die Kamera den Figuren durch zig Räume folgt, das Geschehen auf mehreren Ebenen chronologisiert und zwischen unterschiedlichen Einstellungen hin und her springt.
An der Umsetzung des in etwas mehr als einem Monat abgedrehten Banküberfall-Thrillers gibt es nichts zu bemängeln, Kamera und Schnitt harmonieren gekonnt und geben sich auch bei denjenigen Szenen Mühe, die der Story des Films nicht zuträglich geraten sind. Lee kann man zur Inszenierung selbst aber nur gratulieren, sie ist so einfallsreich wie spontan, erfrischend und doch ohne eine verkrampft moderne Umsetzung ausgefallen.

Bedeutend schwerer einzuschätzen ist die musikalische Untermalung von Terence Blanchard, der Regisseur Lees Projekte bereits seit Jahrzehnten begleitet und an sich ein weltbekannter Bandleader, Trompeter und Komponist ist. Sein Score passt zwar an vielen Stellen im Film und hält sich erstaunlich im Hintergrund, verleiht anderen Momenten aber ein unpassend witzig-fröhliches Flair und lässt eines durchweg vermissen: Tempo. Statt wie Graeme Revell bei Verhandlungssache die Zuhörer mitzureißen, die lebensbedrohliche Stimmung einzufangen und mit harten Rhythmen oder einem vollen Orchester auch zum Ausdruck zu bringen, gibt sich der Soundtrack zu Inside Man überraschend unbeschwert und heiter.
Den Höhepunkt bildet der indische Song "Chaiyya Chaiyya", der sowohl bei dem überaus interessant und einfallsreich gestalteten Vor-, als auch Abspann zu hören ist, und eben jene Dynamik vermittelt, die dem Film selbst und auch dem Soundtrack unverständlicherweise fehlt. Mit einem packenderen Score wäre auch ein besserer Spannungsbogen möglich gewesen, auch wenn Blanchards Kompositionen für sich genommen schön anzuhören und gelungen sind.

Breitet sich vor den Augen des Zuschauers der wirklich sehens- und hörenswerte Abspann aus, bleiben doch viele Fragen offen, nicht zuletzt, weil manche Figuren und Handlungsstränge in der Schwebe bleiben. Dies aber wohlgemerkt, obwohl der Epilog nach dem eigentlichen Finale (das nicht einmal im Ansatz so interessant gestaltet ist, wie das alternative, das unpassenderweise mitten im Film eingebaut wurde), sich ewig hinzuziehen scheint. Symptomatisch ist das für Inside Man insofern, als dass auch das Drehbuch trotz der einfallsreichen und überraschenden Ideen immer auf einen Höhepunkt hinarbeitet, der aber nicht eintritt. Man wird als Zuseher ständig auf eine Offenbarung, ein Finale vertröstet und vorbereitet, das verpufft, noch bevor man in der Lage war, die Luft dafür anzuhalten.
Statt einer spannenden Erzählung vor einem ernsten Hintergrund erwartet die Zuschauer ein immer zum mitdenken anregendes geistiges Kräftemessen zweier Gegner, ein Katz-und-Mausspiel, das nie wirklich langweilt, dessen Einsatz (nämlich das Leben der Geiseln) nie ernst genommen wird, und deshalb auch nicht zu packen vermag. Dank der humoristischen Einlagen wird die ohnehin wenig bedrückende Atmosphäre zusätzlich aufgelockert, sodass man sich noch weniger in der Haut der Geiseln wiederfindet, als ohnehin schon. Leider.


Fazit:
Weder die edle, durchweg einfallsreiche und gelungene Optik, noch die gut gelaunten und solide agierenden Darsteller, oder die zugrunde liegenden exzellenten Ideen können über das schleppende Erzähltempo und die Löcher in der Story hinweg täuschen. Das mag zwar von Regisseur Spike Lee so beabsichtigt gewesen sein, und man muss Inside Man zugestehen, dass der Thriller nie wirklich langweilig gerät und immer unterhaltsam und interessant bleibt, aber nach dem langen Aufbau, den Vorbereitungen und dem gelungenen Aufeinandertreffen von Denzel Washington und Clive Owen, hätte man sich ein explosives Finale gewünscht – das hier aber durch einen viel zu langen Epilog noch schwächer ausfällt, als ohnehin schon.
Wer mit einem ernsten, schweißtreibenden Geisel-Thriller im Stile von Verhandlungssache rechnet, wird enttäuscht werden, dafür entpuppt sich Inside Man schlicht als zu wenig bedrohlich und im Endeffekt harmlos, gleichzeitig aber konstruiert und erzwungen. Dass man dem Geschehen gern folgt, liegt an den Beteiligten und der handwerklichen Umsetzung, rein inhaltlich muss man Lees Regiearbeit aber eine Themaverfehlung vorwerfen: Nie vorhersehbar, aber schlussendlich viel zu zahm.