In Time - Deine Zeit läuft ab [2011]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 19. Mai 2012
Genre: Science Fiction / Thriller / Action

Originaltitel: In Time
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2011
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Andrew Niccol
Musik: Craig Armstrong
Darsteller: Justin Timberlake, Amanda Seyfried, Cillian Murphy, Olivia Wilde, Johnny Galecki, Vincent Kartheiser, Bella Heathcote, Alex Pettyfer, Brendan Miller, Shyloh Oostwald, Matt Bomer, Collins Pennie, Toby Hemingway, Seema Lazar


Kurzinhalt:
Will Salas (Justin Timberlake) lebt zusammen mit seiner Mutter Rachel (Olivia Wilde) in einer kleinen Wohnung. Die Miete teilen sie sich und kommen dennoch kaum über die Runden. Kürzlich erst sind die Preise wieder gestiegen, bezahlt wird in Minuten, Wochen oder Monaten über die Lebensuhr, die jeder in sich trägt. Nach dem Erreichen des 25. Lebensjahres hat man noch ein Jahr Zeit, es sei denn er/sie erarbeitet sich mehr Zeit. Geboren und aufgewachsen im Randbezirk Dayton, hat Will nie viel Zeit gehabt und lebt immer von einem Tag auf den anderen. Als er einen gut gekleideten Fremden, Henry Hamilton (Matt Bomer), vor einer Konfrontation in einer Bar rettet, überträgt der ihm seine gesamte Lebenszeit – über ein Jahrhundert. Will soll sie nicht verschwenden.
Er macht sich auf nach New Greenwich, einem der reichsten Bezirke. Dort will er einen Weg finden, das System zu stürzen. Doch die Timekeeper, welche die ausgegebene Zeit im Blick behalten, sind auf Will aufmerksam geworden. Ihr Anführer Raymond Leon (Cillian Murphy) heftet sich an Wills Fersen und stellt ihn auf einer Dinnerparty des Zeitbankiers Philippe Weis (Vincent Kartheiser). Bei der Flucht vor den Timekeepern nimmt Will Weis' Tochter Sylvia (Amanda Seyfried) als Geisel und zeigt ihr dabei eine Welt, von der die gut betuchte Frau bisher nur gehört hat. Vor allem aber lernt auch sie, wie schnell man zu rennen beginnt, wenn die eigene Lebensuhr abläuft ...


Kritik:
Dank genetischer Manipulation hören die Menschen mit 25 Jahren auf, älter zu werden. Doch dann beginnt eine Lebensuhr an ihrem Unterarm rückwärts zu laufen und sie haben noch ein Jahr Zeit. Heißt es heute "Zeit ist Geld", ist dort Zeit gleich Leben und Lebenszeit die neue Währung. Alles wird darüber bezahlt, sie kann sogar getauscht werden über Körperkontakt. So kommt es, dass manche Menschen von einem Tag auf den anderen leben, während andere Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gelebt haben – ohne einen Tag älter als 25 geworden zu sein. Die Welt, die Regisseur Andrew Niccol in In Time vorstellt erinnert ein wenig an Flucht ins 23. Jahrhundert [1976], bei dem die Menschen ebenfalls nur dreißig Jahre alt werden durften. Doch können sie bei In Time ihrem Schicksal nicht entrinnen. Läuft die Uhr ab, sind nur noch Nullen zu sehen, stirbt die Person augenblicklich. Es gibt keinen Aufschub, keine zweite Chance. Die einzige Möglichkeit ist es, mehr Zeit zu erarbeiten. Oder mit Glück in wohlhabende Verhältnisse geboren zu sein.

Justin Timberlake, der bei The Social Network [2010] bewies, dass er als Darsteller überzeugen kann, mimt Will Salas, einen Helden, wie er heutzutage eben sein muss: Kantig, mit Dreitagebart und einem Vater, der sich bereits gegen das System aufgelehnt hat. Dass er jung und durchtrainiert ist, liegt in der Natur seiner Filmfigur – die Armen laufen schneller, wie man ihm später sagt. Er bekommt von einem Fremden über 100 Jahre geschenkt, die er nicht vergeuden soll. Wills Ziel ist es, das System zum Einsturz zu bringen und so macht er sich auf in das Nobelviertel. Allein die Reise dorthin über die vielen Grenzkontrollen zwischen den einzelnen Zonen, welche die besser gestellten von den einfachen Arbeitern abgrenzen, kostet ihn mehrere Jahre. In New Greenwich angekommen muss er erkennen, dass auch die Reichen nicht wirklich leben. Sie werden zwar sehr alt, haben sich um nichts zu kümmern und allen Luxus, den man sich nur vorstellen kann, doch wenn man alle Zeit der Welt hat, sind es am Ende nur Unvorsichtigkeiten, die einen umbringen können. Hat man das ewige Leben vor Augen, wenn einem nichts geschieht, welche Risiken würde man eingehen?

Regisseur und Autor Niccol macht hier Beobachtungen, die sich mühelos auf unsere heutige Zeit übertragen lassen. Er stellt nebenbei eine Wirtschaftsordnung vor, die davon lebt, dass sich viele Menschen buchstäblich zu Tode schuften, während wenige im Überfluss leben können. Nicht nur, dass die als Währung ausgegebene Zeit erfasst wird, es scheint auch damit gehandelt zu werden wie an den heutigen Aktienbörsen. Philippe Weis gehört zu dem erleuchteten Kreis derer, dessen Aufgabe es ist, über die Zeit zu wachen. Dass er Will zu sich zu einer Cocktailparty einlädt geschieht eher zufällig. Dort kommt Will Philippes Tochter Sylvia näher, die Will wenig später kidnappt, um den Timekeepern zu entkommen, die sich an seine Fersen geheftet haben. Ihr Anführer Raymond Leon hat bemerkt, dass Will in den Besitz von zu viel Zeit gekommen ist, und dieses Ungleichgewicht muss getilgt werden. Wie es dazu kommt, dass Will und Sylvia im Stile von Robin Hood Zeitbanken ausrauben, um die Zeit den Armen zu geben, darf jeder Zuschauer für sich selbst herausfinden.
Auf schmerzliche Weise müssen sie jedoch feststellen, dass sie damit nur noch mehr Leid unter der Bevölkerung der Randbezirke auslösen, denn der Schwarzmarkt für Zeit sieht sich ebenso in seiner Existenz bedroht wie die Zeitbanken.

Aus diesen gesellschaftlichen Zusammenhängen zieht In Time die interessantesten Momente und tut damit, was gute Science Fiction-Geschichten schon immer getan haben: Er hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Was nützt es, jemandem zu helfen, wenn man die Abhängigkeit, die dahinter steckt, nicht beseitigt, sondern nur verschiebt? Sorgen unsere heutigen Mantras wie "Zeit ist Geld" nicht schon lange dafür, dass wir mit unserer Zeit regelrecht haushalten?
So abstrus die Ausgangslage mit der inneren Zeituhr auch ist, Andrew Niccol findet viele Möglichkeiten, das System zu etablieren und sei es nur mit kleinen Anlehnungen im Hintergrund. Was geschieht, wenn von einem Tag auf den anderen Preise und Zinssätze angehoben werden, die Löhne der Arbeiter aber gleich bleiben, kann man sich vorstellen. Welche Möglichkeit bleibt den Menschen denn, außer noch mehr zu tun, oder noch weiter zu verarmen?

Trotz des überraschend niedrigen Budgets ist die Produktion handwerklich tadellos geraten. Was In Time vermissen lässt sind gewichtige Aussagen, wie sie beispielsweise bei Gattaca [1997], Niccols erster Regiearbeit, getroffen wurden. Er scheint hier mehr auf den Unterhaltungswert und den Appeal seiner Stars zu setzen, denn darauf, dem Publikum eine Botschaft mitgeben zu wollen.


Fazit:
Diejenigen, deren Lebensuhr sich konstant dem Ende neigt, sind jeden Tag am Laufen oder gar Rennen. Die Gesellschaftsform, die In Time - Deine Zeit läuft ab vorstellt, bietet viele Parallelen zur heutigen und genau daraus zieht Regisseur Andrew Niccol seine stärksten Aspekte. Dass er aber Vieles nur andeutet, die Charaktere selbst kaum vorgestellt werden und vor allem nicht die globalen Auswirkungen der Lebensuhren aufzeigt, oder darauf eingeht, wie es überhaupt so weit kam, ist bedauerlich. Wie sieht es mit der Welt in der Zukunft generell aus? Wie viele Menschen sind übrig geblieben?
Auf viele Fragen würde man sich eine Antwort wünschen, doch der Science Fiction-Film scheint mehr darum bemüht, die fotogenen Akteure zur Schau zu stellen, anstatt sie zu entwickeln. Dass sich zwischen Amanda Seyfried und Justin Timberlake keine knisternde Chemie entwickelt, mag man noch verzeihen, dass aus der Prämisse aber nicht viel mehr als ein unterhaltsamer Film geworden ist, ist bedauerlich. Die gelöschten Szenen auf der Heimvideoveröffentlichung hätten zumindest teilweise ein paar Lücken gefüllt.