Immaculate [2024]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 13. März 2024
Genre: Horror

Originaltitel: Immaculate
Laufzeit: 89 min.
Produktionsland: Italien / USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt

Regie: Michael Mohan
Musik: Will Bates
Besetzung: Sydney Sweeney, Álvaro Morte, Dora Romano, Benedetta Porcaroli, Simona Tabasco, Giorgio Colangeli, Giampiero Judica


Kurzinhalt:

Nachdem ihre bisherige Glaubensgemeinschaft in den Vereinigten Staaten mangels Mitgliedern aufgelöst wurde, ist die junge Novizin Cecilia Jones (Sydney Sweeney) überglücklich, in Italien ein neues Konvent unter Pater Tedeschi (Álvaro Morte) gefunden zu haben. Die Sprachbarriere macht ihren Einstieg nicht einfach, doch wie froh die überwiegend älteren Nonnen des Klosters sind, die dort ihren Lebensabend verbringen, ist unübersehbar. Aber während eine junge Nonne Cecilia rät, vor Ablegen ihres Gelübdes zurückzureisen, tritt die ehrgeizige Isabelle (Benedetta Porcaroli) Cecilia gegenüber harsch und ablehnend auf. Als dann die jungfräuliche Cecilia schwanger wird, steht für Kardinal Merola (Giorgio Colangeli) und Pater Tedeschi fest, dass ein Wunder geschehen ist. Aber nicht nur, dass Cecilia das Kloster nicht einmal für einen Arztbesuch verlassen darf, sie kommt einem dunklen Geheimnis des Konvents auf die Spur …


Kritik:
Bei Michael Mohans übernatürlich angehauchtem, letztlich aber doch bodenständigem und stellenweise geradezu zermürbend brutalem Horrorfilm Immaculate liegen die Stärken und Schwächen dicht beieinander. Über allem steht eine Tour de Force von Sydney Sweeney, die insbesondere im letzten Drittel eine ebenso prägende wie auslaugende Darbietung zeigt. Doch auch sie macht das Gezeigte nicht weniger schwierig, was vor allem daran liegt, gegen wen sich die gezeigte Gewalt richtet.

Nicht zuletzt auf Grund der Örtlichkeit besitzt die Geschichte etwas überraschend Zeitloses. Ob sie in den 1990er-Jahren oder dreißig Jahre später spielt, kann man kaum sagen. Sie beginnt in einem Kloster in Italien, wo eine junge Nonne ihren Klobuk ab- und ihren gepackten Koffer in die Hand nimmt. Sie will mitten in der Nacht fliehen, doch wie andere vor und nach ihr, wird sie den Ort nicht lebend verlassen. Bereits bei der Eröffnung wird klar, dass Filmemacher Mohan nicht nur auf eine unheimliche und bedrohliche Atmosphäre setzt, sondern auch vor Gewaltspitzen nicht zurückschreckt. Diese nehmen im Verlauf sowohl in der Menge als auch hinsichtlich der Darstellung der Brutalität deutlich zu. Was ihnen gemein ist: sie richten sich gegen Frauen. Wie oft und wie lange Frauen vor Schmerzen und Angst hier schreiend gezeigt werden oder zu hören sind, ist schwer in Worte zu fassen, ohne wichtige Wegstationen der Geschichte zu verraten.

Die handelt von der Novizin Cecilia Jones, die nach Italien in eben jenes Kloster kommt. Das Konvent ist derart engagiert, dass es sogar das Ticket der jungen Frau aus Michigan in den Vereinigten Staaten bezahlt hat. Dorthin zu gehen, war ihre Entscheidung, auch wenn sie für ihren Entschluss, ihr Leben Gott zu widmen, selbst von den Beamten bei der Einreise nur ungläubige Blicke erntet. Das Kloster der „Leidensschwestern“ ist eine Zuflucht für ältere Nonnen, die dort ihren Lebensabend verbringen. So sehr sich viele über den Neuzugang freuen, insbesondere die junge Schwester Isabelle tritt Cecilia gegenüber ablehnend auf. Eine andere rät ihr sogar, ihr Gelübde nicht abzulegen und abzureisen. Doch Cecilia schwört Gehorsam, Armut und Enthaltsamkeit und wird in das Kloster aufgenommen. Ungeachtet ihres schnellen Einlebens plagen die Novizin verstörende Alpträume, nachdem sie von der Ehewürdigen Mutter eingeweiht wird, was für eine besondere, heilige Reliquie in den Klostermauern aufbewahrt wird. Cecilia, die zum Glauben fand, da sie der Überzeugung ist, sie wurde von Gott aus einem bestimmten Grund bei einem Unfall vor dem Tod bewahrt, lässt sich von alledem nicht abbringen. Doch als der ansässige Mediziner feststellt, dass die unbefleckte Cecilia schwanger ist, ändert sich alles für sie. Für den Erzbischof und Pater Tedeschi ist es ein Wunder. Viele Schwestern verehren Cecilia dafür, auserwählt worden zu sein, aber es gibt auch andere Stimmen.

Wohin sich der mit einer Laufzeit von eineinhalb Stunden kompakte Immaculate von hier aus entwickelt, sei nicht verraten. Nur so viel, dass Cecilias Leben in Gefahr ist. Nur gibt es mehr als eine Bedrohung und die Situation ist nicht, wie sie scheint. Der inhaltliche Kniff, was es mit alledem auf sich hat, ist dabei zwar nicht neu, aber durchaus einfallsreich und als Ausgangspunkt für einen Horror-Thriller, der ein wenig an eine Mischung aus Rosemaries Baby [1968] und Das Omen [1976] erinnert, durchaus vielversprechend. Auch zeigt Regisseur Michael Mohan durchaus Talent, wenn es um den Aufbau einer Furcht einflößenden Stimmung geht. Die Ausstattung ist tadellos, das Gebäude und die Räumlichkeiten des zeitlos erscheinenden Klosters bilden einen hervorragenden Rahmen und die schummrige Beleuchtung im Kerzenschein sorgt für das Übrige. Doch erscheint das erste Drittel, als wären die Bilder mit einem Grauschleier überzogen und sind derart dunkel geraten, dass man mitunter kaum etwas erkennen kann. So stimmig die Atmosphäre, dass sämtliche Schreckmomente mit lauten Geräuschen und überdies meist mit einem Schnittwechsel einhergehen, sorgt zwar für einen Pulssprung, aber es schadet der eigentlichen Stimmung. Die langen Einstellungen, in denen sich mitunter im Hintergrund unscharf Dinge abspielen, sind weitaus beunruhigender. Und so lobenswert es ist, dass Immaculate nicht vollends den Weg eines übernatürlichen Horrorfilms beschreitet, wenn eine Figur mit einer dämonisch verzerrten Stimme spricht, bedient der Moment nur ein weiteres Klischee, von denen es zahlreiche gibt.

Dass Cecilia, deren Motivation, ihr Leben Gott zu widmen, früh vorgestellt wird, in großer Gefahr schwebt, ist ab dem Moment offensichtlich, dass sie in dem Auto, das sie abholt, durch das große Tor gefahren wird, an dem die Nonnen sie flankieren. Hierzu bräuchte es auch den Prolog nicht, der einem nichts verrät, was Cecilia später entdecken würde. Ihr in den letzten 20 Minuten zuzusehen, wie sie versucht, der Situation zu entkommen, ist auch durchaus packend und von Hauptdarstellerin Sydney Sweeney, die darüber hinaus als Produzentin fungiert, mitreißend wie aufreibend gespielt. Doch wiegt das nicht auf, dass die gezeigte Gewalt beinahe ausschließlich Frauen angetan wird und die epische Breite, in der man diese um Hilfe oder um ihr Leben schreien hört, keinen anderen Sinn und Zweck verfolgt, als dass das Publikum das miterleben kann. Was Immaculate fehlt, ist ein tieferer Sinn, weshalb Cecilia all das durchleiden muss. Mit dem religiösen Thema im Hintergrund gäbe es genügend Möglichkeiten und auch eine Verurteilung von religiösem Fanatismus würde sich anbieten. Umso mehr, da die Frauen der Geschichte gleich in mehrerlei Hinsicht nicht über ihren eigenen Körper entscheiden dürfen und lediglich als Gefäß dessen angesehen werden, wofür Männer sie benutzen wollen. Aber nichts davon ist der Fall. Es ist vielmehr, dass die Pein der Frauen Teil der Geschichte ist, weil dies das Publikum ansprechen soll. Erschreckend ist dabei vor allem, dass es hierfür durchaus ein Publikum gibt.


Fazit:
Filmemacher Michael Mohan pendelt in vielen Aspekten seines religiös angehauchten Horrorfilms zwischen den Extremen. Während manche Bilder geradezu abstoßen brutal geraten, zeugen andere Aufnahmen von einer malerischen Komposition. Wenn Cecilia nach ihrem Gelübde im Untergeschoss des Konvents die Reliquie entdeckt oder nach ihrer Schwangerschaft statuenartig dekoriert und verehrt wird, beispielsweise. Die Optik ist eines der Highlights des Films, wenn die Szenen nicht so dunkel geraten, dass das Gezeigte kaum zu entziffern ist. Die eigentliche Idee dessen, was Cecilia hinter den Klostermauern aufdeckt, ist durchaus passend und gelungen, doch demgegenüber stehen die zahlreichen Klischees, die das Drehbuch bedient, was bis hin zu wörtlich vorhersagbaren Dialogen und vermeintlich überraschenden Wendungen führt. All das mündet in einem Finale, in dem Sydney Sweeney eine Stärke und einen schauspielerischen Mut beweist, den man so kaum erwarten würde. Handwerklich in vielerlei Hinsicht gelungen und durchweg tadellos, ist Immaculate ein atmosphärischer und toll ausgestatteter Horrorfilm, dessen brutale Spitzen an die Hochzeit des Genres vor Jahrzehnten erinnern. Es ist ein Film, wie man dieses Jahr kaum einen zweiten sehen wird. Die Frage ist nur, ob man bei der geradezu voyeuristischen Darstellung der Gewalt gegen Frauen, überhaupt hinsehen will, geschweige denn sollte.