Imaginary [2024]

Wertung: 2.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. März 2024
Genre: Horror / Fantasy

Originaltitel: Imaginary
Laufzeit: 104 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Jeff Wadlow
Musik: Bear McCreary
Besetzung: DeWanda Wise, Pyper Braun, Taegen Burns, Tom Payne, Betty Buckley, Verónica Falcón, Matthew Sato, Dane DiLiegro


Kurzinhalt:

Obwohl sie ihre Alpträume bereits in preisgekrönten und erfolgreichen Kinderbüchern verarbeitet hat, wird Autorin und Zeichnerin Jessica (DeWanda Wise) ihre beängstigenden Träume nicht los. Ihr Mann Max (Tom Payne) schlägt darum vor, dass sie früher als gedacht an den glücklichsten Ort zurückkehren, den Jessica kennt: ihr Elternhaus. Zwar musste sie dort weggehen, als sie erst fünf Jahre war, ihr Vater ist jedoch dort geblieben und nachdem er inzwischen in einer Einrichtung für betreutes Wohnen untergebracht ist, können Max und Jessica neben Max’ Kindern aus erster Ehe, Taylor (Taegen Burns) und Alice (Pyper Braun), in die Vorstadt ziehen. Tatsächlich schläft Jessica dort ruhiger und auch wenn Teenagerin Taylor und die junge Alice es ihr immer noch schwer machen, Vertrauen zu ihnen aufzubauen, sie leben sich langsam ein. Im Keller findet Alice einen Stoffbären, den sie Chauncey nennt. Ihren imaginären Freund nimmt sie überall hin mit und unterhält sich unentwegt mit ihm. Zu spät erkennt Jessica, dass es eine Verbindung von Alice imaginärem Freund zu einem Erlebnis in ihrer eigenen Kindheit gibt, das sie verdrängt hat …


Kritik:
Jeff Wadlows Fantasy-Horror-Film Imaginary hinterlässt den Eindruck, den man von einer Blumhouse-Produktion allgemein erwartet. Das klingt nach einer Abwertung, besagt aber am Ende nur, dass den Verantwortlichen ein handwerklich solider Genrefilm gelungen ist, der mit einigen durchaus interessanten Ideen aufwartet. Doch die Präsentation wiegt kaum die Klischees auf, die das Drehbuch nicht bereit ist, zu umgehen. Vor allem ein jüngeres Publikum kann sich dabei trotzdem unterhalten und gruseln lassen.

Die Erzählung beginnt direkt mit einem Alptraum, von dem Jessica seit langem immer wieder verfolgt wird. Darin flieht sie aus einer kleinen Tür in einem Hausgang vor einem spinnenartigen Monster. Um den Traum zu verarbeiten, hat die erfolgreiche Zeichnerin sogar ein Kinderbuch geschrieben. In der Hoffnung, den bösen Träumen entkommen zu können, schlägt ihr Mann Max vor, den ohnehin geplanten Umzug aus der Stadt in Jessicas Elternhaus in der Vorstadt vorzuziehen. Ihr pflegebedürftiger Vater befindet sich inzwischen in einer Einrichtung für betreutes Wohnen und als sie das Haus nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder betritt, fühlt sich Jessica sofort wieder zuhause. Kurz nach dem Einzug findet ihre jüngere Stieftochter Alice in einer Abstellkammer im Keller einen Stoffteddybären, den sie Chauncey nennt. Mit dem imaginären Freund verbringt Alice viel Zeit und gerät zunehmend in dessen Bann. Sie bemerkt nicht, wie Chauncey sie dazu bringt, schlimme Dinge zu tun und Jessica muss erkennen, dass es eine Verbindung zu ihrer eigenen, traumatischen Kindheit gibt.

Dass es diese Verbindung gibt und welcher Art sie vermutlich ist, darauf wird das Publikum von Imaginary sehr früh und sehr offensichtlich hingewiesen. Dabei sind erzählerische Details bedeutend interessanter, die teilweise ausgesprochen werden, mitunter aber auch nicht. Da wäre einerseits, dass mehrmals erwähnt wird, dass Jessica ihre Mutter früh verloren hat und danach allein mit ihrem Vater in dem Haus lebte, in das sie nun zurückkehrt. Ob der Tod der Mutter mit den anderen Ereignissen ihrer Kindheit zusammenhängt, wird dabei nicht weiter geklärt. Wie Jessica selbst, hat auch Alice eine Narbe am Arm. Ob ihr diese von ihrer leiblichen Mutter zugefügt wurde, von der Max geschieden ist, kann man bestenfalls mutmaßen. Auch Jessicas kreative Kinderbücher, in denen nicht zuletzt eine Spinne einem Tausendfüßler nachstellt, scheinen auf den ersten Moment einen Bezug zu ihren Alpträumen und eben dem Mysterium zu haben, das sich in ihrem Elternhaus abspielt. Doch statt in Jessicas Kreativität eine Lösung für die Welt anzubieten, in der Film später eintaucht, wird auch dieses Element nicht mehr herangezogen.

Dafür wartet Regisseur Jeff Wadlow in der ersten Hälfte mit zahlreichen unheimlichen Momenten auf, die, obwohl sie im Aufbau der jeweiligen Szenen allesamt vertraut sind, eine durchaus gruselige Atmosphäre entfalten. Anstatt die Spannung durch viele Schnittwechsel zum Erliegen zu bringen, setzt der Filmemacher längere Kamerafahrten ein, zwingt das Publikum in eine Perspektive oder zeigt bedrohlich schemenhafte Figuren unscharf im Hintergrund. So gelungen das handwerklich ist, die jeweiligen Szenen enden in aller Regel mit einem plötzlichen Geräusch oder dem Einsatz lauter Musik. Das sorgt zwar dafür, dass der eigene Puls kurzfristig ansteigt, es ist aber weder inhaltlich einfallsreich, noch nachhaltig, was die beunruhigende Stimmung anbelangt.

Dabei scheint es, als würde Imaginary seine Stärken entdecken, wenn Nachbar Liam eine Begegnung mit dem beunruhigenden Teddybären Chauncey hat, dessen Gesichtsausdruck sich im Übrigen immer wieder verändert. Aber nicht nur, dass diese Sequenz in Anbetracht des wirklich tollen Twists der Story keinen Sinn ergibt, kurz darauf betritt eine Figur die Bühne, die mit nicht enden wollenden Erklärungen auf plumpste Art sämtliche Gesetzmäßigkeiten des Mysteriums um den imaginären Freund erläutert, dass auch die schnippischen Kommentare von Jessicas älterer Stieftochter Taylor, zu der sie kein gutes Verhältnis hat, die mitunter unfreiwillige Komik nicht aufwiegen können. Anstatt eine tatsächlich einfallsreiche Lösung zu präsentieren, lässt die Erzählung kein Klischee aus und übersieht dabei, dass es in Anbetracht der eingestreuten Informationen zu den Figuren so viel mehr gegeben hätte, das zu erkunden lohnenswert gewesen wäre. Da Nebenfiguren wie Jessicas Mann Max gar nicht definiert werden und ab einem Moment schlicht keine Rolle mehr spielen, kann man nicht einmal von verschenktem Potential sprechen. Die Auflösung und Erklärungen mehrmals zu wiederholen, als hätte das Publikum sie beim ersten Mal noch nicht verstanden, geschweige denn kommen sehen, macht es dabei nicht besser.

Einen Horrorfilm „harmlos“ zu nennen, klingt negativ, dabei beschreibt es im Grunde nur, dass eine unheimliche, gruselige Atmosphäre an sich keine ausufernde Gewaltdarstellung benötigt. In Anbetracht einiger Szenen mag die FSK-Freigabe berechtigt sein, ein Publikum ab 13 Jahren, wie die amerikanische Freigabe empfiehlt, stellt am Ende aber eben diejenige Altersspanne dar, in der Filmemacher Wadlow seine Zuschauerinnen und Zuschauer vermutet. Die werden vermutlich noch nicht so viele Filme des Genres gesehen haben, dass sie den Verlauf vieler Sequenzen vorhersagen können und die lockeren Sprüche in an sich unheimlichen Momenten mögen sie nicht derart stören. Für dieses Publikum eignet sich Imaginary am ehesten. Dabei spiegelt der Film manche Absurditäten von Traumwelten durchaus gekonnt wider. Hat man allerdings schon genügend Filme dieser Art gesehen, ist allein die Vorstellung eines Alptraums beunruhigender als alles, was die Verantwortlichen hier auf die Leinwand bringen.


Fazit:
Es gibt einen Abschnitt am Ende des zweiten Aktes, kurz vor Beginn des Finales, in dem Regisseur Jeff Wadlow unerwartet viele gute Ideen zusammenträgt. Darunter ist eine Erkenntnis, die Jessicas Welt völlig auf den Kopf stellt, wodurch die Erzählung schnell an Tempo gewinnt. Vielleicht waren diese Ideen der Ausgangspunkt für die gesamte Geschichte, die weder zuvor diesen Einfallsreichtum und Tiefe erkennen lässt, noch danach. Vielmehr bedienen sich die Verantwortlichen durchweg und in allen Belangen bei vielen anderen Genrevertretern und präsentieren so viele Erklärungen für das Mysterium hinter alledem, dass es unfreiwillig komisch klingt. Währenddessen bleiben die Charaktere auf der Strecke und zusammen mit teilweise überzeugenden, mitunter aber eher mäßigen Trickeffekten zerfällt die Illusion der Fantasywelt beim Finale zusehends. Anstatt das Publikum das Fürchten zu lehren, beobachtet dieses eher ungläubig, was sich jederzeit vorhersehbar vor ihm abspielt. Imaginary ist kein schlechter Film und besitzt sogar einige wirklich gute Ansätze. Auch die handwerkliche Umsetzung überzeugt, ebenso die Besetzung, angeführt von einer engagierten DeWanda Wise. Es bleibt nur das Gefühl, als bestünde der Film mehr aus einer Idee, als einer erzählerischen Prämisse. Das ist letztlich schlicht zu wenig.