Im Tal von Elah [2007]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 23. Mai 2011
Genre: Drama / ThrillerOriginaltitel: In the Valley of Elah
Laufzeit: 121 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Paul Haggis
Musik: Mark Isham
Darsteller: Tommy Lee Jones, Charlize Theron, Jason Patric, Susan Sarandon, James Franco, Barry Corbin, Josh Brolin, Frances Fisher, Wes Chatham, Jake McLaughlin, Mehcad Brooks, Jonathan Tucker, Wayne Duvall, Victor Wolf, Brent Briscoe, Greg Serano
Kurzinhalt:
Eines Morgens erhält Hank Deerfield (Tommy Lee Jones) einen Anruf von der Kaserne seines Sohnes Mike (Jonathan Tucker). Mike war im Irak stationiert, ist seit kurzem wieder zurück, wovon Hank nichts wusste, aber inzwischen unerlaubt abwesend. Weder Hank noch seine Frau Joan (Susan Sarandon) können sich erklären, was ihren Sohn zu einer solchen Pflichtverletzung veranlassen könnte. Darum fährt Hank zur Kaserne und nimmt – auf seinen Hintergrund der Militärpolizei zurückgreifend – die Suche nach seinem Sohn auf.
Doch dort möchte man die Dinge selbst regeln, und auch die Polizistin Emily Sanders (Charlize Theron) sieht keine Veranlassung, eine Vermisstenanzeige aufzunehmen, dies sei eine Militärangelegenheit. Dann wird eine Leiche gefunden und die Ermittlungen nach dem Täter lassen Hank wie Emily und Joan an der Welt verzweifeln ...
Kritik:
Im Tal von Elah basiert grob auf wahren Begebenheiten. Das Drama handelt im Kern vom Krieg im Irak, den die jungen Soldaten bei ihrer Heimkehr mit sich bringen, und der sie auf eine Art und Weise verändert, wie man es sich nicht vorstellen kann. Viele Filme haben dieses Thema aufgegriffen, aus der Sicht der Soldaten die Schrecken des Krieges geschildert. Regisseur und Autor Paul Haggis erzählt die Geschichte aus einer anderen Perspektive und macht damit die Aussage noch hoffnungsloser – und umso realistischer für diejenigen Menschen, deren Leben vom Kriegsgeschehen nur passiv zerstört wird.
Der Film beginnt mit einem Anruf bei Hank Deerfield, ein eigenbrötlerischer Mann, bei dem es nicht überraschen würde, würde er tief im Wald leben. Er spricht nur, wenn er etwas zu sagen hat. Beim einzigen Mal, bei dem ihm etwas über die Lippen kommt, das dem Gegenüber nicht angemessen ist, ist er so aufgebracht, dass Hank beinahe an jemandem Rache nehmen würde, der nichts für sein Leid kann. Hank wird vom Stützpunkt seines Sohnes Mike darüber informiert, dass dieser zwar vom Auslandseinsatz im Irak zurückgekehrt, aber unerlaubt abwesend ist. So packt Hank seine Sachen und verspricht seiner Frau Joan, dass er Mike finden wird. Dort angekommen entdeckt er beim Stützpunkt erste Hinweise, doch die Polizistin Emily Sanders, bei der er eine Vermisstenanzeige aufgeben will, scheint kaum interessiert. Dass so eigentlich verfahren werden muss, weiß Hank aus eigener Erfahrung, beiläufig erfahren wir, dass er selbst lange bei der Militärpolizei gearbeitet hat. Erst als Mikes stark verstümmelte Leiche entdeckt wird, hört ihm Emily zu. Doch die Suche nach den Tätern führt in verschiedene Richtungen und was Hank dabei über seinen Sohn erfährt, lässt ihn verzweifeln und das Publikum ebenso.
Es gibt nicht viele Regisseure, die den Mut hätten, ein solches Dialogdrama, in dem Vieles nicht ausgesprochen wird, so zu erzählen. Dass Paul Haggis für die Hauptrolle Clint Eastwood im Sinn hatte, dieser aber dankend ablehnte, wirkt stimmig. Es unterstreicht aber auch, wie sehr sich Eastwood und Tommy Lee Jones in ihrer Präsenz ähneln können. Was letzterer mit der Figur des Hank Deerfield anstellt, ist erdrückend und erschütternd zugleich. In der unterdrückten Mimik, den kontrollierten Bewegungen und dem subtilen Augenausdruck verbirgt sich ein vielschichtiger Charakter, bei dem man immer wieder Mosaiksteine seines Innersten gezeigt bekommt. Beispielsweise, wenn man erfährt, wie Hank Joan vom Tod ihres Sohnes erzählen muss. Wie er sie begleitet, nachdem sie die Leiche unbedingt nochmals sehen wollte. Oder wie er selbst reagiert, als er durch Handy-Videos von Mikes Mobiltelefon erfährt, was im Irak geschehen ist – und was dort Mike geschehen ist. Befragungen im Stützpunkt bei den anderen Soldaten von Mikes Einheit geben Einblick in die Dynamik und die Psyche dieser Männer, die mit einem Trauma heimkehren, das anders als offensichtliche Verletzungen nicht zu sehen ist, sie aber nichtsdestoweniger prägt. Im Tal von Elah zeigt auch, wodurch solche Persönlichkeitsveränderungen entstehen können, und dass diejenigen Soldaten, die sie erfahren, keine schlechten Menschen sein müssen – manche wurden einfach dazu gemacht durch das, was sie erlebten. Hank Deerfield muss mit einer wütend machenden Ohnmacht erkennen, nicht nur, was aus Mike geworden ist, sondern auch, dass es zu spät ist, daran irgendetwas zu ändern. Ob er an den Krieg oder den Grund dahinter glaubt, wird nicht gesagt, der Film behält es sich vor, dazu keine Meinung zu äußern. Über die Auswirkungen jedes Kriegseinsatzes trifft das Drehbuch eine klare Aussage, die in einer auf den Kopf gestellt aufgehängte US-Flagge am Ende kulminiert – ein Hilfesignal, dass sich das Land vollkommen übernommen hat.
Wodurch sich Filmemacher Paul Haggis auszeichnet ist eine so überlegte Inszenierung, dass sich kein Moment findet, der nicht notwendig wäre. Jede Figur, die vorgestellt wird, hat ihren Sinn, jeder Moment ist da, um etwas auszusagen oder später wieder aufgegriffen zu werden. Und jede Einstellung, die der Regisseur zeigt ist genau so lang, wie sie sein sollte. So lässt sich in jeder Szene etwas entdecken, manchmal das, was in einer langen Einstellung gezeigt wird und ein anderes Mal, was darin fehlt. So kann sich Haggis auf die Figuren konzentrieren und schildert dabei die Suche nach den Tätern als besonnenes Drama um Schuld und Unschuld, und die Ohnmacht, etwas dagegen unternehmen zu können. Das ist wichtig, aber bedrückend und von allen Beteiligten hervorragend und erschreckend glaubwürdig verkörpert. Auch dass die Starbesetzung nicht als solche agiert, dass Charlize Theron, Jason Patric, Susan Sarandon, James Franco oder Josh Brolin nicht da sind, um zu spielen, sich ins Rampenlicht zu rücken, sondern lediglich, um mit ihren Figuren Hank Deerfield zu unterstützen, ist ein Verdienst des Regisseurs, der sein Augemerkt nicht auf die Stars, sondern auf die Figuren legt.
Fazit:
Durch Hank Deerfield zu erleben, was seinem Sohn widerfahren ist, zuerst im Einsatz im Irak, wo er zu Dingen fähig war, bei denen sich seine Eltern vor Scham abwenden würden, und schließlich in der Nacht, in der er ums Leben kam, ist auf ungeschönte Weise bewegend. Man kann Hanks Wut, die er so gut verschließt, schon deshalb verstehen, weil er daran nichts mehr ändern kann. Tommy Lee Jones spielt in Im Tal von Elah einen Vater, der seinen Sohn zwei Mal verliert. Einmal durch den Mord, zum zweiten durch den Krieg zuvor. Es ist eine kraftvolle Darbietung, die im Gegensatz zu der ruhigen Erzählweise steht, und sie doch erst möglich macht.
Regisseur Paul Haggis versammelt eine erlesene Besetzung und spricht sich offen für die Soldaten aus, die in jedem Krieg so viel verlieren. Das Drama ist entsprechend ruhig und überlegt erzählt, in ausgewählten Bildern eingefangen und nicht nur auf Grund des anspruchsvollen Inhalts an ein erwachsenes Publikum gerichtet. Wenn dieses in der Lage ist, sich auf das angemessen bedachte Tempo einzustellen, erwartet es ein exzellentes und treffendes Plädoyer, das erst zum Schluss vollends ausgesprochen wird.