House of Gucci [2021]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. November 2021
Genre: Drama / Krimi / Biografie

Originaltitel: House of Gucci
Laufzeit: 157 min.
Produktionsland: Kanada / USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Ridley Scott
Musik: Harry Gregson-Williams
Besetzung: Lady Gaga, Adam Driver, Al Pacino, Jeremy Irons, Jared Leto, Jack Huston, Salma Hayek, Alexia Murray, Vincent Riotta, Gaetano Bruno, Camille Cottin, Youssef Kerkour, Reeve Carney


Kurzinhalt:

Im Jahr 1978 in Mailand arbeitet die junge Patrizia (Lady Gaga) als Sekretärin beim Transportunternehmen ihres Vaters. Bei einer Party lernt sie den unscheinbaren Studenten Maurizio Gucci (Adam Driver) kennen und sieht für sich die Möglichkeit, Teil einer der einflussreichsten italienischen Dynastien zu werden: Derjenigen, die hinter der Modemarke Gucci steht. Durch ihre Beharrlichkeit gelingt es ihr, Maurizio für sich zu gewinnen, dessen Vater Rodolfo (Jeremy Irons) Patrizias Absichten durchschaut und mit seinem Sohn bricht. Einige Jahre später, nicht zuletzt durch Patrizias steten Kontakt mit Maurizios Onkel Aldo (Al Pacino), dem die Hälfte der Firma Gucci gehören und der über seinen eigenen, untalentierten Sohn Paolo (Jared Leto) als Firmenerben sehr unglücklich ist, findet Maurizio den Weg zurück in das Modeimperium. Doch als er sich von Patrizia abwendet, sinnt diese auf Rache …


Kritik:
In House of Gucci schildert Filmemacher Ridley Scott von den Machtkämpfen und Intrigen hinter den Kulissen eines der erfolgreichsten Modehäuser der Welt, hauptsächlich in den 1980er-Jahren. Doch er entscheidet sich dabei nicht, welche Art Film er eigentlich erzählen möchte. So fühlt sich der mit einer exzellenten Besetzung und geradezu erschlagender Ausstattung versehene Film an, wie ein auf Hochglanz poliertes all inclusive Buffet. Von Drama zu überzeichnet präsentiertem Slapstick-Humor bis hin zu Mord ist alles vertreten. Nur ein roter Faden fehlt bei alledem.

Die Erzählung beginnt in Mailand im Jahr 1978, wo die ebenso ehrgeizige wie zielstrebige Tochter eines Transportunternehmers, Patrizia Reggiani, bei einer Party den zurückhaltenden Jurastudenten Maurizio Gucci kennenlernt und die Chance ihres Lebens sieht. Offenbar ist sie sich dessen bewusst, was dem Publikum bis dahin vorenthalten wurde: Wie mächtig und vermögend die aus der Toskana stammende Familie Gucci ist. Es wäre überaus hilfreich, würde das Drehbuch vorstellen, dass die Marke bereits Anfang der 1920er-Jahre gegründet wurde und wie erfolgreich sie damals war. Stattdessen sieht man das Leuchten in Patrizias Augen, ohne dass man dies wirklich einschätzen könnte. Sie setzt alles daran, Maurizios Frau zu werden, was auch gelingt, selbst wenn Maurizios Vater Rodolfo die junge Dame durchschaut und sich mit seinem Sohn überwirft. Es dauert einige Jahre, ehe Maurizio wieder zur Firma zurückkehrt, dank Patrizia mit dem Ziel, die alleinige Herrschaft über den Modenamen Gucci zu erhalten. Doch das bedeutet, dass er einen Weg finden muss, seinem Onkel Aldo sowie seinem Cousin Paolo ihre Firmenanteile abzunehmen.

Man kann also erahnen, dass es im Hause Gucci genügend Potential für Intrigen und verletzte Eitelkeiten gibt. Doch bis sich dieser Aspekt herauskristallisiert, lässt sich Regisseur Ridley Scott erstaunlich lange Zeit. Hat es anfangs den Anschein, als würde House of Gucci die Geschichte von Patrizia erzählen, was in Anbetracht des Endes auch irgendwie stimmt, rückt im Verlauf immer stärker Maurizio ins Zentrum, ebenso wie seine unmittelbare Familie um Aldo und Paolo, denen aus unerfindlichen Gründen bedeutend mehr Zeit eingeräumt wird, als die Story rechtfertigen würde. Erst in der zweiten Hälfte des zweieinhalbstündigen Films, nimmt das Firmenimperium überhaupt einen Platz ein. Die Zusammenhänge und Auswirkungen hier zu verstehen, fällt schon deshalb schwer, weil nie ersichtlich ist, welchen Stand die Marke Gucci in der Welt hat. Reden die Figuren davon, Gucci in das neue Jahrhundert zu holen (das damals bereits in seinen letzten Jahrzehnten lag), fehlt mangels Einordnung, ob die Popularität der Marke abgenommen hat, schlicht eine Hintergrundinformation, mit der Aussage etwas anfangen zu können. Im Vorbeigehen werden Persönlichkeiten wie Sophia Loren oder Modeschöpfer Tom Ford in die Geschichte gebracht, ohne dass ihre Namen anfangs überhaupt erwähnt würden. Man fragt sich daher lange, weswegen der Modeschau eines jungen Designers, der Gucci modernisieren soll, so viel Platz eingeräumt wird und wird das dann klar, ist die Bedeutung des Moments bereits lange verpufft.

Filmemacher Scott präsentiert diesen ganzen Hintergrund und ist daran doch nicht interessiert. Für ihn sind die Figuren es wert, die Geschichte zu erzählen, angefangen von Patrizia, die sich noch so sehr in teure Kleidung hüllen kann und doch nie die Ausdrucksfähigkeit oder das Allgemeinwissen besitzt, über das die der Oberschicht angehörenden Familienmitglieder verfügen. Insofern ist sie Paolo nicht unähnlich, der so untalentiert wie einfältig dargestellt wird. Was für eine Rolle er in dem Gesamtgebilde spielt, ist lange unklar und ob dies in der Breite hätte dargestellt werden müssen, sei dahingestellt. Überhaupt finden sich in House of Gucci viele Szenen, die entweder wiederholen, was zuvor bereits vermittelt wurde, oder die für sich genommen viel zu lange ausgedehnt sind. Sei es die Trauung zwischen Maurizio und Patrizia, bei der mehrmals herausgestellt wird, dass nur ihre Familie anwesend ist, oder was den extravaganten Lebensstil der Guccis anbelangt. Hier finden sich zahlreiche Momente, die bei anderen Produktionen auf dem Boden des Schneideraums gelandet wären.

Schade wäre das in diesen Fällen allenfalls um die Besetzung, die nicht nur erlesen zusammengestellt ist, sondern durchweg angespornt auftritt. Adam Driver bietet als zurückhaltender, leicht unterschätzter Gucci-Erbe einen Gegenpol zu der fantastisch spielenden Lady Gaga, die in der Rolle der ebenso ehrgeizigen wie berechnenden Patrizia preiswürdig hervortritt. Als Paolo oder Wahrsagerin Giuseppina Auriemma spielen auch Jared Leto und Salma Hayek sehenswert, nur scheinen beide Darbietungen wie Karikaturen überzeichnet und einer Komödie entsprungen. Bei den Charakterisierungen gibt es keinen roten Faden und dies prägt die uneinheitliche Stimmung des biografischen Dramas deutlich.

Das ändert freilich nichts daran, dass Ridley Scott seinen Film in fantastische Bilder kleidet, sei es hinsichtlich des Designs der Kostüme, der Ausstattung der Gebäude und Räumlichkeiten, oder den malerischen Landschaftsaufnahmen in der Toskana. House of Gucci sieht aus, als würde man einen Modekatalog durchblättern. Auch die atmosphärische Musik mit vielen bekannten Songs von damals versetzt das Publikum in eine zeitgemäße Stimmung.
Doch das kann nur bedingt überdecken, dass es hier keine einzige durchweg sympathische Figur gibt, mit der das Publikum mitfiebern würde. Man wohnt alledem nur bei, ohne wirklich ein Teil der Erzählung, oder gar davon mitgenommen zu werden. Dazu tragen auch die vielen zeitlichen Sprünge bei, die nie näher thematisiert werden, sondern allenfalls am Alter von Patrizias und Maurizios Tochter ersichtlich werden. Gleichzeitig legt der Filmemacher jedoch besonderen Wert darauf, um wie viel Uhr sich der entscheidende Moment am Ende zuträgt. All dies passt nur wenig zusammen und unterstreicht den Eindruck, als wären die Verantwortlichen an der Story selbst wenig interessiert. So wird es auch das Publikum nicht.


Fazit:
Zahlreichen von Ridley Scotts früheren Filmen haftet nicht zu unrecht der Ruf an, dass sie trotz einer zum Nachdenken anregenden Geschichte und einer prägenden Präsentation emotional kühl sind. Ähnlich verhält es sich hier. Die Ausstattung ist eine Wucht, handwerklich tadellos dargebracht und voll überragend gekleideter Figuren, die von einer tollen Besetzung zum Leben erweckt werden – aber in keinem Moment emotional zugänglich sind. Aus diesem Grund gerät auch die Erzählung selbst nie dramatisch. Die Charakterisierungen schwanken zwischen zurückhaltend und exorbitant überzeichnet, manche Figuren treten gar auf, als handelte es sich dabei um Karikaturen. Inhaltlich mit zahlreichen Momenten ausgeschmückt, die die Story nicht voranbringen, ist das nicht nur viel zu lang. So relevant Scotts The Last Duel [2021], so wenig erinnernswert ist House of Gucci. Nicht auf Grund der Art wie, sondern welche auf wahren Gegebenheiten basierende Geschichte erzählt wird. Das ist nicht nur in Anbetracht der Beteiligten enttäuschend.