Hasch mich - ich bin der Mörder [1971]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. Januar 2023
Genre: Komödie / Krimi

Originaltitel: Jo
Laufzeit: 71 min.
Produktionsland: Frankreich
Produktionsjahr: 1971
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Jean Girault
Musik: Raymond Lefebvre
Besetzung: Louis de Funès, Claude Gensac, Michel Galabru, Bernard Blier, Guy Tréjan, Ferdy Mayne, Yvonne Clech, Florence Blot, Micheline Luccioni, Christiane Muller, Paul Préboist, Jacques Marin, Carlo Nell, Jean Droze, Roger Lumont


Kurzinhalt:

Da der bekannte Theaterschriftsteller Antoine Brisebard (Louis de Funès) in finanziellen Schwierigkeiten steckt, will er sein Anwesen an ein englisches Paar verkaufen. Antoines Frau Sylvie (Claude Gensac), selbst eine bekannte Theaterdarstellerin, ist damit auch einverstanden, doch was sie nicht ahnt, Antoine will nur verkaufen, um einen Erpresser bezahlen zu können, der droht, Sylvies Familiengeheimnis zu veröffentlichen, was ihre Karriere beenden könnte. So ersinnt Antoine einen Plan, den Erpresser Jo (Roger Lumont) zu ermorden. Seine umfangreichen Vorbereitungen tarnt er als Proben für ein neues Theaterstück und sucht sich als Ruheplatz der Leiche das Fundament des Pavillons aus, den seine Frau ihm zum Geburtstag schenkt. Doch die Leiche ist schwerer loszuwerden, als Antoine vermutet und was die Situation zusätzlich komplizierter macht, ist der berühmte Inspektor Ducros (Bernard Blier), der Antoine aufsucht, da sein Name auf einer Liste stand, die bei dem ermordeten Monsieur Jo kürzlich gefunden wurde. Das heißt aber auch, dass wer immer in Antoines Garten liegt, nicht Monsieur Jo ist …


Kritik:
Ein Merkmal, das die darstellende Kunst beispielsweise von der Literatur abhebt, ist die Fähigkeit, das Publikum als Kollektiv mitzunehmen und zu begeistern. Dieses Publikum kann ein ganzer Theatersaal sein, oder die Gruppe einer Familie vor dem heimischen Fernseher. Nicht selten überträgt sich das Große ins Kleine hinein, wie wenn unzählige Haushalte sich in Tradition bei Dinner for One oder Der 90. Geburtstag [1963] am Silvesterabend amüsierten, trotz der einzelnen Einheiten doch im Kollektiv der Zuschauerschaft vereint. Ein solches Phänomen begleitete mich bereits in Kindertagen mit Louis de Funès’ Hasch mich - ich bin der Mörder, auch bekannt als Louis mit dem Leichentick. Denn wann immer die schwarzhumorige Komödie im Fernsehen lief, versammelte sich die Familie, um sich köstlich unterhalten zu lassen. Inzwischen sind die Instanzen solcher Zusammenkünfte nicht nur höchst selten geworden, auch das persönliche Verständnis des Mediums Films hat sich inzwischen stark gewandelt. Das bedeutet nicht, dass ich mich nicht immer noch herrlich dabei amüsieren könnte, wenn der wuselige Drehbuchautor Antoine Brisebard die Leiche seines zwar geplanten, aber unfreiwillig durchgeführten Mordes verschwinden zu lassen versucht. Aus heutiger Sicht fallen jedoch viele Elemente stärker auf, die den Unterhaltungswert wenn auch nicht trüben, zumindest manche Aspekte interessanter werden lassen, als den Film an sich.

Der bereits vor 40 Jahren verstorbene Louis de Funès hat wie kaum ein europäischer Darsteller das Gesicht des Komödiengenres geprägt. Mit einer Mischung aus Verbal- und Situationskomik, gepaart mit einem ansteckend cholerischen Auftreten, dominierte er nicht nur sein Fach, sondern spürbar auch die Filme, in denen er mitwirkt. Hasch mich - ich bin der Mörder ist hier keine Ausnahme, so dass sämtliche Szenen und Dialoge auf ihn zugeschnitten erscheinen. Er schlüpft in die Rolle des Theaterautors Antoine Brisebard, dessen Frau Sylvie eine bekannte Schauspielerin ist. Dass ihr Vater ein berüchtigter Räuber war, ist ein wohlgehütetes Geheimnis, mit dem ein Monsieur Jo Antoine erpresst. Da der Erpresser immer mehr Geld für sein Schweigen fordert, entschließt sich Antoine, Jo zu ermorden. Seine Vorbereitungen tarnt er als Recherche für ein neues Theaterstück und eher unfreiwillig liegt eines Abends eine Leiche vor Antoine. Die versteckt er unter dem Fundament eines Pavillons, den Sylvie ihm zum Geburtstag schenkt. Bei der zugehörigen Party sucht Inspektor Ducros Antoine auf – er untersucht den Mord an Monsieur Jo, der kürzlich gefunden wurde. So stellt sich für Antoine die drängende Frage, wen er unter dem Pavillon begraben hat, der unter den Augen der Partygäste einzustürzen droht.

Die wechselhafte Stimmung von Antoine, der fröhlich und manisch Gäste unterhält, während er im nächsten Moment mit ernster Miene einen Mord vorbereitet, ist de Funès ebenso auf den Leib geschrieben, wie die Momente, in denen er dem Nervenzusammenbruch nahe verzweifelt versucht, die Leiche wieder loszuwerden, während Polizei und Hauskaufinteressenten sein Anwesen heimsuchen. Dass die quirlige Stimmung so gut funktioniert, liegt an den begrenzten räumlichen Möglichkeiten bei Hasch mich - ich bin der Mörder, die das Geschehen auf nur wenige Schauplätze verdichten. Angefangen vom Wohn- und Arbeitszimmer des Autors bis hin zum Garten nebst dem unglücklichen Pavillon. Es erklärt auch ein wenig, weshalb die Geschichte mit nur ein wenig mehr als einer Stunde Laufzeit so knapp geraten ist, denn es gibt in den wenigen Kulissen nur so viel, was die Personen darin tun können.

Aber sieht man über die überbordende Energie des Hauptdarstellers hinweg, der die allermeisten Szenen dominiert, ob er darin nun aufbraust, oder vollkommen verzweifelt wie ein Häufchen Elend neben der Leiche steht und nicht weiß, wie er sie in einen viel zu kleinen Koffer bekommen soll, dann fallen viele inhaltliche Entscheidungen von Filmemacher Jean Girault auf, die einen unfertigen Eindruck hinterlassen. Hierzu zählt zuallererst, weshalb erst stückweise und im Nachgang aufgeklärt wird, weshalb Antoine überhaupt tut, was er tut. Das Publikum lernt ihn als einen Mann kennen, der einen kaltblütigen Mord plant. Was dem vorausgegangen ist, welcher Art die Erpressung, und dass er das Haus nur verkaufen möchte, um das notwendige Geld für den Erpresser zusammen zu bekommen, wird erst im Verlauf der Story aufgeklärt. Das macht es schwer, wirklich mit Antoine mitzufiebern, dessen Handlungen für sich genommen nicht die Sympathien auf seine Seite ziehen. Dann scheint die Tatwaffe zu Beginn einmal mit Platzpatronen, dann wieder mit wirklichen geladen zu sein, ohne dass Antoine hierzu etwas vorbereiten würden. Bedenkt man, dass er Monsieur Jo letztlich gar nicht erschießen möchte, versteht man auch nicht, weshalb er sich nicht einmal ansieht, wen er denn mitten in der Nacht getroffen hat. Mit Details wie dem Hut des Toten werden außerdem kompromittierende Beweismittel angekündigt, die aber letztlich keine wirkliche Rolle mehr spielen.

Es ist beinahe, als würden die Verantwortlichen in etwa der Hälfte der Erzählung von Hasch mich - ich bin der Mörder vergessen, eine stimmige Geschichte erzählen zu wollen, und sich stattdessen auf die Darbietung des unumwundenen Stars verlassen, den Film über die Ziellinie zu retten. Dass sich die in einer letzten Szene manifestiert, die inhaltlich vollkommen losgelöst erscheint, als hätten Antoine und Sylvie ihren gemeinsam gefassten Plan, die Leiche verschwinden zu lassen, aufgegeben, unterstreicht den unrunden Eindruck nur noch, wobei es keinen Mangel an Vorlagen gab. Es erklärt vielleicht auch, weshalb der Komödie in Frankreich seinerzeit kein großer Erfolg beschieden war. Erscheint Louis mit dem Leichentick insbesondere aus deutscher Sicht wie ein französischer Genreklassiker, basiert die Geschichte auf einem englischsprachigen Theaterstück von Alec und Myra Coppel, das zuvor bereits unter dem Titel Die Nervensäge [1959] von Regisseur George Marshall mit Glenn Ford and Debbie Reynolds verfilmt worden war. Die kammerspielartige Ausgangslage kommt daher nicht von ungefähr und sie ist auch der Grund, weshalb man die nicht zu übersehende Studioatmosphäre hier akzeptiert, beispielsweise beim Garten mit den gemalten Bäumen als Hintergrund. Doch gerade in Anbetracht der Ausgangslage und mit dem so vielseitigen wie komödiantischen Talent von Louis de Funès, hätte man gehofft, dass die Verantwortlichen am Ende eine stimmigere Krimikomödie erzählen, als es ihnen gelingt.


Fazit:
Dialoge wie „Nein!“ – „Doch!“ – „Ohhh!“ haben es in den täglichen Sprachgebrauch geschafft und machen deutlich, welchen Stellenwert Jean Giraults Komödie beim heimischen Publikum seinerzeit eingenommen hat. Das ist insbesondere dank des Charismas von Louis de Funès verständlich und auch gerechtfertigt, denn ihm zuzusehen, wie er alle Höhen und Tiefen seines Plans durchlebt, ist ein Fest einerseits und eine Herausforderung für die Lachmuskeln andererseits, sofern man sich von dem cholerischen Slapstick mitreißen lassen kann. Aber wäre es nicht um die Darbietung im Zentrum, würde die Erzählung selbst auseinander fallen. Der Krimiaspekt ist ebenso halbherzig umgesetzt, wie zahlreiche Elemente keinen rechten Sinn ergeben. Antoine selbst ist weder wirklich sympathisch, noch das Gegenteil und insbesondere die aufgesetzte Schlussszene kostet das Kammerspiel einiges an Charme. Lässt man sich von der klamaukigen Situationskomik aber mitreißen, ist Hasch mich - ich bin der Mörder auch dank der spritzigen deutschen Synchronisation ein so schwarzhumorig unterhaltsames wie kurzweiliges Vergnügen, das von seinem quirligen Elan nichts verloren hat. Ein Klassiker des Genres, wenn auch kein Meilenstein.