Grand Prix [1966]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 16. Oktober 2011
Genre: Drama

Originaltitel: Grand Prix
Laufzeit: 176 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1966
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: John Frankenheimer
Musik: Maurice Jarre
Darsteller: James Garner, Eva Marie Saint, Yves Montand, Toshirō Mifune, Brian Bedford, Jessica Walter, Antonio Sabato, Françoise Hardy, Adolfo Celi, Claude Dauphin, Enzo Fiermonte, Geneviève Page, Jack Watson


Kurzinhalt:
Der Formel 1-Rennfahrer Pete Aron (James Garner) ist mitverantwortlich für einen schweren Unfall, bei dem sein Team-Kollege Scott Stoddard (Brian Bedford) schwer verletzt wird. Daraufhin wird Aron vom Rennstall gefeuert und versucht sich als Sportmoderator. Der japanische Rennstallleiter Yamura (Toshirō Mifune) tritt an ihn heran und bittet ihn, für sein Team zu fahren, was Aron nicht ausschlagen kann. Unterdessen lässt er sich auf eine Affäre mit Stoddards entfremdeter Frau Pat (Jessica Walter) ein.
Der erfolgreiche Fahrer Jean-Pierre Sarti (Yves Montand) beginnt eine Beziehung mit der Reporterin Louise Frederickson (Eva Marie Saint), was von seiner Team-Leitung jedoch nicht gern gesehen wird. Statt kampflos aufzugeben, nimmt sich Sarti vor, diese Saison mit dem Titel zu beenden und dann selbst zu entscheiden, was er tun wird. Stoddard erholt sich, angetrieben vom eisernen Willen wieder Rennen fahren zu wollen, erstaunlich schnell. Es läuft auf ein entscheidendes Rennen hinaus, bei dem für alle alles auf dem Spiel steht ...


Kritik:
Der Großteil des Publikums eines Formel 1-Rennens sieht nicht zu, weil es daran interessiert ist, einen Sieger zu sehen. Es geht selten um die Sportler. Es geht um das Spektakel. Wie stark brechen die Zuschauerzahlen nach dem Start ein, wenn in der ersten Runde kein verheerender Unfall das Rennen prägt? Und wie schnell steigen die Quoten, nachdem sich im Rennverlauf ein solcher Unfall ereignet hat? Ein Rennen ohne Überholmanöver ist langweilig, eines ohne Unfälle ist ereignislos. Es scheint ein hartes Urteil, die Zuseher auf ein solches Verhalten zu reduzieren, doch ertappt man sich auch selbst dabei. Wie Grand Prix zeigt, ist dies kein neumodisches Phänomen, sondern war wohl schon immer so gewesen. Das Bild, das John Frankenheimers erster Farbfilm vom internationalen Rennsport zeichnet, wirkt dabei nicht zynisch oder kalt, sondern lediglich, als würde er es beobachten, beinahe schon dokumentieren.

Das Drama folgt dem Rennfahrer Pete Aron, der beim Eröffnungsrennen, dem Großen Preis von Monaco, mit einem Fahrfehler seinen Teamkameraden Scott Stoddard, beinahe das Leben kostet. In einer Zeit vor dem inzwischen sogar zum Mithören mitunter freigegebenen Bordfunk, obliegt es den Fahrern, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Während Aron nur ein paar Kratzer abgekommen hat, wird Stoddard schwer verletzt. Vom Rennstall vor die Tür gesetzt, versucht sich Aron als Reporter bei den Rennen. Was die restlichen zweieinhalb Stunden lang geschieht, teilt sich auf verschiedene Fahrer auf.
Der erfahrene Jean-Pierre Sarti (Yves Montand), so hören wir, lebt in einer Ehe, die lediglich auf dem Papier existiert und lässt sich mit der amerikanischen Reporterin Louise Frederickson (Eva Marie Saint) ein, die einen mehrteiligen Bericht über die Formel 1 verfassen soll.
Der junge, hitzköpfige Nino Barlini (Antonio Sabato) erfüllt das klassische Klischee eines Sonnyboy, der nicht weiß, was er will – außer, dass er Rennen gewinnen möchte. Dabei ist er jedoch so selbstbezogen, dass er nicht einmal erkennt, wenn seine Beziehung zur jungen Lisa zu Ende, oder gar, dass er selbst dafür verantwortlich ist.
Aron und Stoddard (Brian Bedford) sind sich dabei in ihrem Wesen sehr ähnlich, weswegen es Stoddards Frau Pat (Jessica Walter) wohl so leicht fällt, sich nach dem Unfall ihres Mannes Aron zuzuwenden, um später jedoch wieder zu Scott zurückzukehren. Aron zieht es zu den Rennen, weswegen er ein Angebot des japanischen Rennstallleiters nicht abschlagen kann, für ihn ins Cockpit zu steigen. Stoddard ist dagegen nur von dem Gedanken getrieben, wieder fahren zu können; es scheint alles, was ihn am Leben hält, selbst wenn es ihm nur mit größten Anstrengungen gelingt. So gebrochen er äußerlich auch erscheint, innerlich wirkt er in seinem Vorhaben bestärkter denn je.

Es scheint charakteristisch für einen solchen Sport, dass sich die Fahrer über die Unfälle nicht wirklich unterhalten. Sie wahren eine Distanz, als wäre es ansteckend, als würde man eher darin verwickelt, wenn man es an sich heranlässt. Die Presse stürzt sich wie das Publikum auf die tragischen Unfälle, die viele Rennen begleiten. Während manche von dieser Oberflächlichkeit des Sports abgestoßen werden, wie beispielsweise Sarti selbst und vor allem Louise, finden andere wie Lisa oder Pat Gefallen am Adrenalin und der Dynamik, selbst wenn man es nur von der Seitenbank aus miterlebt. Grand Prix beleuchtet jene Figuren mit einer ruhigen Erzählweise, begleitet sie über viele Monate und hält fest, wie sie sich verändern. Wie Sarti, mitunter mitfühlend und vom Sport angewidert, es sich zum Ziel setzt, diese Saison zu gewinnen, ehe er vom Rennstall aus in Rente geschickt wird. Stoddard fährt, um sich selbst etwas zu beweisen, wohingegen Aron für den japanischen Entwickler gewinnen möchte, weil er nicht weiß, was er sonst im Leben anfangen soll. Es läuft auf ein den Weltmeistertitel entscheidendes Rennen in Monza hinaus, in dem sich erneut ein tragisches Unglück ereignet. Das wirkt aus heutiger Sicht, von den Rennen abgesehen, nicht sehr spektakulär, doch stehen weniger die Rennen, als die Fahrer im Vordergrund. Diese Charaktere werden erstaunlich nüchtern eingefangen und der Sport selbst auch nicht verteufelt. Er wird vielmehr entmystifiziert und so als das bloßgestellt, was er ist.

Grand Prix scheint nicht weniger aufwändig gefilmt als heutige Produktionen. Die Farben leuchten in der vertrauten Palette und die Rennszenen sind heute mitreißender kaum zu drehen. Im Gegenteil, während aktuelle Produktionen Geschwindigkeit meist durch schnelle Schnitte zu erzeugen suchen, konnte sich Regisseur Frankenheimer durchsetzen, die Szenen nicht langsamer zu drehen und später zu beschleunigen, sondern sie tatsächlich so schnell mit der Kamera einzufangen. Wenn man auf diese Weise eine Runde an der Stoßstange mitgefahren ist, vermittelt es einen bedeutend realistischeren Eindruck der Geschwindigkeit jener Rennwagen, als es heute erreicht wird. Dass das Material des Nürburgrings auf rechtlichen Druck nicht verwendet werden konnte ist bedauerlich, und Hauptdarsteller James Garner hat insbesondere in der zweiten Filmhälfte erstaunlich wenig zu tun, doch erweist sich Grand Prix mit seiner Aussage zum Rennsport als universell gültig und auch nach 45 Jahren noch so aktuell wie damals.


Fazit:
Mit beinahe drei Stunden ist Grand Prix zugegeben recht lang, wenn auch nicht langweilig. Weiß man im Voraus, dass es um die Fahrer, ihre Charaktere geht, weniger um die Rennen, kann man sich darauf auch einstellen. Führt man sich das Entstehungsjahr des Dramas vor Augen, sorgt es angesichts der Rennszenen für Staunen. Mit einem Gespür für packende Bilder, einem ungeheuren, beinahe schon beängstigenden Tempo und einer gelungenen Choreografie erzeugt John Frankenheimer eine einnehmende Rennatmosphäre.
Dies mag sich stellenweise wiederholen (wie es bei Rundkursen nicht anders sein kann), doch mit einem Regenrennen oder den Steilkurven in Monza (die damals allerdings bei der Formel 1 schon nicht mehr benutzt wurden) wird für Abwechslung gesorgt. Was dazwischen geschieht ist mitunter melancholisch, mitunter aufschlussreich, aber nicht sehr mitreißend. Als filmisches Bonbon sind auf der Heimvideoveröffentlichung zusätzlich die jeweils mit einem Standbild und Musik untermalte Ouvertüre und Intermission eingebettet – wie lange ist es her, dass Filme so zivilisiert präsentiert wurden?