Gefährten [2011]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 16. April 2012
Genre: Drama / Kriegsfilm

Originaltitel: War Horse
Laufzeit: 146 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2011
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Steven Spielberg
Musik: John Williams
Darsteller: Jeremy Irvine, Peter Mullan, Emily Watson, Niels Arestrup, David Thewlis, Tom Hiddleston, Benedict Cumberbatch, Celine Buckens, Toby Kebbell, Patrick Kennedy, Leonard Carow, David Kross, Matt Milne, Robert Emms, Eddie Marsan, Nicolas Bro, Rainer Bock, Hinnerk Schönemann, Gary Lydon, Geoff Bell, Liam Cunningham


Kurzinhalt:
1912 in Devon, England, beobachtet der junge Albert (Jeremy Irvine) die Geburt eines Vollblutpferdes. Als das Tier ausgewachsen ist, ersteigert sein Vater Ted (Peter Mullan) das Tier für die Arbeit auf der Farm, obwohl es ein Rennpferd ist. Auf den Namen Joey getauft, unternimmt es Albert, das Tier zu trainieren, gegen Einwände seiner Mutter Rose (Emily Watson), die an dem überteuerten Preis beinahe verzweifelt. Doch allen Bemühungen zum Trotz wird Ted gezwungen, Joey zu verkaufen. England ist in Krieg mit Deutschland getreten ist und die britische Armee wirbt in den Dörfern um Soldaten und Pferde. Albert ist am Boden zerstört und kündigt an, sich freiwillig melden zu wollen, auch wenn er dafür noch zu jung ist.
So kommt Joey bei der Armee in die Obhut von Captain Nicholls (Tom Hiddleston), der von ihm ebenso fasziniert ist wie Albert. Doch schon der erste große Angriff auf ein Lager deutscher Soldaten bedeutet für Joey eine weitere Veränderung. Später wird Joey nicht nur das Leben des französischen Mädchens Emilie (Celine Buckens) und ihres Großvaters (Niels Arestrup) verändern, sondern in den Gräben an der Front eine Reihe von Soldaten auf beiden Seiten dazu bringen, über einander nachzudenken. Dabei scheint es, als wäre es ihm vorbestimmt, in den Menschen gerade angesichts der Zerstörung und Verzweiflung Hoffnung zu wecken ...


Kritik:
Nach seinen prägenden Filmen, die Themen des Zweiten Weltkriegs behandelten wie Schindlers Liste [1993] und Der Soldat James Ryan [1998], liegt der Schluss nahe, dass Regisseur Steven Spielberg sich in Gefährten nun auf ähnliche Weise dem Ersten Weltkrieg widmen würde. So verwundert es auch nicht, dass viele Zuseher die Filme miteinander vergleichen und das, obwohl Gefährten etwas ganz anderes aussagen möchte. Statt die Schrecken des Krieges in den Mittelpunkt zu stellen, geht es der Romanverfilmung darum aufzuzeigen, wie verschiedene Menschen durch die Begegnung mit dem Pferd Joey verändert werden. Sei es der junge Mann, Albert, der ihn aufzieht und trainiert, oder aber das französische Mädchen Emilie und ihr Großvater. Bis hin zu einer surrealen Begegnung auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs, bei der beide Seiten ihre Menschlichkeit wiederentdecken. Es scheint Spielberg weniger ein Anliegen zu sein, die Hoffnungslosigkeit der Beteiligten auszudrücken, als ein Symbol der Hoffnung in und durch Joey zu setzen. Selbst, wenn er hierfür Glaubwürdigkeit opfert und sich am Ende in Klischees verfängt.

Dass Joey der eigentliche Star des Films ist erkennt man bereits daran, dass die Geschichte mit seiner Geburt beginnt und seinen Werdegang beschreibt. Da es verständlicherweise schwer ist, die Gefühlslage des Pferdes zum Ausdruck zu bringen, überlässt es der Film Komponist John Williams, ihm durch die Musik eine Stimme zu verleihen. Mit einem einfühlsamen, mitunter melancholischen, bisweilen überraschend heiteren Score gelingt ihm das Kunststück, selbst Momenten ohne oder mit kaum Dialog ein Gewicht zu verleihen, wie es ohne die Musik nicht möglich wäre. Sein Soundtrack zu War Horse, so der Originaltitel, ist berührend, ohne rührselig zu sein und eines der Details, die man auch nach dem Film in Erinnerung behält.

Hierzu zählen auch jene Szenen, die Joey für den Rest seines Daseins prägen. Von Ted Narracott auf einer Auktion für einen viel zu hohen Preis ersteigert, setzt der junge Albert alle Hoffnungen in das Pferd, das er schon zuvor über den Zaun des Anwesens hinweg beobachtet hatte. Was Ted in Joey sieht ist dem Publikum lange ein Rätsel, doch sein Potential, seine Bedeutung, wird später offensichtlich. Gegen alle Widrigkeiten gelingt es Albert, Joey zu trainieren und mit ihm ein kleines Wunder auf einem von Steinen übersäten Acker zu vollbringen. Doch das Pech, das Ted von seinen Kriegsjahren mit nach Hause gebracht zu haben scheint, macht auch nun nicht vor der Familie halt und so muss er Joey verkaufen. Da England in den Krieg mit Deutschland getreten ist, kann er einen guten Preis erzielen und so wechselt Joey zum ersten Mal den Besitzer. Zu behaupten, Gefährten – der Titel ist der Romanvorlage Schicksalsgefährten [1982] wohl entnommen – würde eine durchgehende Geschichte erzählen, ist nicht ganz richtig. Stattdessen stellt Regisseur Steven Spielberg eine Reihe von Figuren vor, die allesamt Hoffnung in Joey setzen und diese zumindest für eine gewisse Zeit erfüllt sehen. Darunter auch zwei deutsche Brüder, die als Soldaten im Krieg kämpfen, oder der ebenfalls deutsche Soldat Friedrich, der sich um die eingesetzten Tiere kümmert. Als Lastentiere ziehen sie schwere Geschütze über unwegsame Böden. Ihre Überlebenschancen sind verschwindend gering: Von einer Million Pferde, die England während des Ersten Weltkrieges bereitstellte, kehrten nur 62.000 zurück. Dass sich am Ende der Kreis gleich für zwei Schicksale schließt, die man als Zuseher mitverfolgen konnte, mag einem Bemühen Hollywoods geschuldet sein, ein trotz des deprimierenden Hintergrunds halbwegs frohes Ende aufzuzeigen. Wobei es sich Spielberg nicht nehmen lässt, den kriegserfahrenen Vater dem ehemals idealistischen Sohn gegenüber zu stellen, der nun seine eigenen Erfahrungen um Leben und Tod gemacht hat – und sie beide nunmehr als Silhouette gegen einen als Hommage getränkten Himmel zu stellen.

Dass Steven Spielberg ein Meister seines Faches ist, hat er unzählige Male bewiesen. Und Gefährten ist hier keine Ausnahme. Es ist einzig bedauerlich, dass er nicht mutiger ist; scheute sich Regisseur Clint Eastwood in seinem Drama Hereafter - Das Leben danach [2010] nicht, Szenen, die in anderer Sprache als Englisch gesprochen waren, lediglich zu untertiteln, hört man viele Deutsche und Franzosen in Gefährten lediglich mit leichtem Akzent Englisch sprechen. Dies erscheint wie ein Kompromiss, um ein breiteres Publikum anzusprechen, doch kostet es den Film merklich an Authentizität. Dass manche Szenen eine beinahe künstliche Ausleuchtung besitzen, insbesondere die Szenen auf der Farm zu Beginn, kann man hingegen einer künstlerischen Interpretation zuführen, die sich womöglich sogar an das gleichnamige Theaterstück anlehnt.


Fazit:
So farbenfroh und unbeschwert die Naturlandschaften sowohl in Dartmoor zu Beginn, oder in Frankreich während einer ruhigen Episode des Films sind, so erschreckend sind die späteren Kriegsschauplätze – und das, obwohl Regisseur Spielberg kaum etwas zeigt. Es mag erträglich sein durch den Hoffnungsschimmer, den er in Form von Joey in den Mittelpunkt stellt, während sich die Welt um ihn herum selbst zerstört.
Zwar mag man sich dessen immer bewusst sein, dass abseits des Gezeigten Grausamkeiten geschehen, die man sich kaum vorzustellen vermag, doch es lässt Gefährten auch in gewissem Sinne so erscheinen, als würde der Film ein Kernthema nur streifen, anstatt es zu erzählen. Handwerklich tadellos und künstlerisch umgesetzt, gliedert sich die Story in verschiedene Abschnitte, die doch nur bedingt zusammenhängen. Auszusetzen gibt es daran nur, dass das Publikum kein zweiter Soldat James Ryan erwartet, sondern stattdessen eine Geschichte, die trotz des Hintergrunds des Ersten Weltkriegs Hoffnung macht. Dem mag nur durch zu viele Zufälle so sein, und es ist womöglich auch nicht so zeitlos prägend wie die eingangs genannten Meisterwerke, doch ist es ebenso bewegend.