Game of Thrones: Staffel 6 [2016]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 11. Juni 2022
Genre: Fantasy / Drama

Originaltitel: Game of Thrones: Season 6
Laufzeit: 555 min. (10 Episoden)
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Jeremy Podeswa, Daniel Sackheim, Jack Bender, Mark Mylod, Miguel Sapochnik
Musik: Ramin Djawadi
Besetzung: Peter Dinklage, Nikolaj Coster-Waldau, Lena Headey, Emilia Clarke, Kit Harington, Liam Cunningham, Sophie Turner, Maisie Williams, Carice van Houten, Natalie Dormer, Indira Varma, Conleth Hill, Alfie Allen, Gwendoline Christie, Jonathan Pryce, Michiel Huisman, Michael McElhatton, Iwan Rheon, Iain Glen, Nathalie Emmanuel, Kristofer Hivju, Tom Wlaschiha, Dean-Charles Chapman, Isaac Hempstead Wright, John Bradley, Hannah Murray, Aidan Gillen, Rory McCann, Jerome Flynn


Kurzinhalt:

Nach der Meuterei innerhalb der Nachtwache gegen Kommandant Jon Schnee (Kit Harington), ist Sir Davos (Liam Cunningham) darum bemüht, Jon gegenüber treue Brüder an der Mauer zu vereinen, während Samwell Tarly (John Bradley) seine Reise zur Zitadelle fortsetzt und mit Goldie (Hannah Murray) bei seinem Familiensitz Halt macht. In Daenerys’ (Emilia Clarke) Abwesenheit versucht Tyrion (Peter Dinklage) zusammen mit Varys (Conleth Hill) in Meereen, einen zerbrechlichen Frieden mit den Meistern zu schließen. Unterdessen endet die Flucht von Sansa (Sophie Turner) und Theon (Alfie Allen) vorzeitig, während die Rote Priesterin (Carice van Houten) erkennen muss, dass ihr Irrtum fatale Folgen hatte. Von dem neuerlichen Verlust tief getroffen, entsendet Cersei Lannister (Lena Headey) ihren Bruder Jamie (Nikolaj Coster-Waldau), um im Norden von Westeros die Machtverhältnisse zu regeln. Dabei übernehmen die Fanatiker der Spatzen in Königsmund immer mehr die Macht, so dass ihr Anführer, der Hohe Spatz (Jonathan Pryce) selbst König Tommen (Dean-Charles Chapman) gebrochen hat, der um die Freilassung von Königin Margaery (Natalie Dormer) bemüht ist. Während Königsmund zusehends auf eine blutige Auseinandersetzung zusteuert, hadert Arya (Maisie Williams) bei den gesichtslosen Männern damit, deren tödliche Befehle auszuführen – was sie schließlich selbst zum Ziel macht …


Kritik:
Mit Staffel 6 holt die Fantasy-Serie Game of Thrones die verfügbaren Romanvorlagen von Das Lied von Eis und Feuer [seit 1996] ein. Durch den Austausch mit Buchautor Autor George R. R. Martin kannten die Drehbuchautorinnen und -autoren zwar das Ziel der Entwicklung der Geschichte sowie der Figuren, im Weg dorthin sind sie aber freier. Das führt dazu, dass sich manche Erzählstränge spürbar beschleunigen, selbst wenn andere weiterhin kaum vorankommen.

Die Staffel setzt unmittelbar nach den Ereignissen des letzten Finales an und löst dieses – wenn auch mit einer gewissen Wartezeit – in einer allzu absehbaren Manier auf. Dafür wartet Staffel 6 mit zwei in jeder Hinsicht herausragenden Episoden am Ende auf. „Die Schlacht der Bastarde“ schließt einen über weite Strecken unangenehmen Handlungsstrang endlich ab und wartet zuvor mit einem weiteren Auftritt von Daenerys’ Drachen auf, der einmal mehr einlöst, was von der ersten Staffel an versprochen wurde, als von diesen Kreaturen nur ehrfürchtig gesprochen wurde. Das Staffelfinale jedoch, „Die Winde des Winters“, beginnt mit einer so hervorragend choreografierten Sequenz in Königsmund, dass man sich beinahe wünschen würde, die Verantwortlichen würden die Season damit abschließen. Denn was darauf folgt ist zwar durchweg inhaltlich gelungen, nur ist es kaum neu und daher nicht ansatzweise so mitreißend aufgebaut.

Was den Inhalt anbelangt, hat es in der Tat den Anschein, als wäre Game of Thrones im letzten dramaturgischen Drittel angekommen. Anstatt immer neue Erzählebenen zu eröffnen, neue Fraktionen in dem Geflecht der sieben Königslande vorzustellen, kreuzen sich hier mehr Wege, als sich trennen, so dass am Ende die Fronten des künftigen Krieges um den Eisernen Thron klar definiert sind. Es werden Allianzen geschmiedet zwischen scheinbar unvereinbaren Häusern, während andere weiter isoliert werden. Dabei erkennt lediglich eine Partei, dass die größte Bedrohung für die Zukunft von Westeros nicht im Innern liegt, sondern in den weißen Wanderern, die sich mit dem hereinbrechenden Winter immer weiter ausbreiten. Deren Ursprünge werden zwar ebenfalls erläutert, stimmig scheint dies bislang jedoch nicht und man darf hoffen, dass diesbezüglich noch eine Erklärung folgt, denn sonst wäre es besser gewesen, ihre Hintergründe vollständig offen zu lassen.

Kenner der ersten Stunde werden dabei nicht nur mit einigen berührenden Momenten um den Handlungsstrang von Bran, Hodor und Meera belohnt, sie erhalten auch einen Einblick in die Vergangenheit der Familie Stark, der Manches auf den Kopf stellt. Allerdings, und dies ist ein Manko, das sich immer deutlicher abzeichnet, sind sich die Autorinnen und Autoren ihrer Sache oftmals sehr sicher, was dazu führt, dass die handwerklich tadellos aufgebauten Szenen in ihrem Ablauf früh absehbar sind. Die darin liegenden Überraschungen verpuffen damit, wenn das Publikum schon eine halbe Minute früher ahnt, worauf die Sequenz hinauslaufen wird. Doch das ändert nichts daran, dass insbesondere zum Ende der sechsten Staffel hin, wenn die Figuren auf dem großen Schachbrett zusammengezogen werden, Varys’ Vision der Zukunft von Westeros und welche Fäden er dafür zieht sich herauskristallisiert, oder aber die verschiedenen Herrscher im Norden, die lange Zeit nur am Rande erwähnt wurden, wichtig werden, einige der stärksten Momente schlummern. Ganz zu schweigen von Aryas Entwicklung, die sich immer weiter ihrem Ziel nähert. Game of Thrones überzeugt insbesondere durch das Ensemble an Figuren, wie den von Liam Cunningham toll verkörperten Sir Davos oder Iain Glens Jorah Mormont, die die Geschichte ungemein bereichern. Dass auch Carice van Houten als rote Priesterin Melisandre vertieft wird, sowohl was ihren Hintergrund anbelangt als auch ihre tiefe Überzeugung und wie ihre Entscheidungen sie belasten, ist ein gelungener Aspekt.

Sieht man diesen Kampf um die Macht in den sieben Königslanden und die faszinierenden Verstrickungen, die sich daraus ergeben, fragt man sich durchaus, ob die Bedrohung durch die weißen Wanderer und die Armee der Toten dramaturgisch notwendig ist bzw. diesen am Ende die Zeit eingeräumt wird, die sie im Grunde verdienen würden. Nach den wenigen Begegnungen haben sie bislang jedenfalls nicht den Stellenwert eingenommen, den man erwarten würde. Auch Figuren wie der tragische König Tommen oder der Hohe Spatz erhalten nicht die Aufmerksamkeit, die man sich wünschen würde. So werden manche Erzählstränge zwar abgeschlossen, doch zu Ende erzählt wirken sie mitunter nicht. Ob andere Storybögen, zu denen auch derjenige um Samwell Tarly und Goldie zählt, in der Detailtreue dabei notwendig sind, wird sich weisen. Allzu viel Zeit bleibt den Verantwortlichen nicht, ihre große Hintergrundgeschichte zu einem Abschluss zu bringen. Der kristallisiert sich zwar immer stärker heraus, wie er ausgehen wird, mag man aber derzeit kaum vorhersagen.

Handwerklich ist Staffel 6 weiter über jeden Zweifel erhaben. Die zum Leben erweckten Königreiche in Westeros und Essos könnten detailreicher kaum sein und sieht man die vielen Schlachten, die hier erneut in Szene gesetzt werden, kann man kaum anders, als verwundert die Augen zu reiben, wie dies in einer Fernsehproduktion in dieser Größenordnung möglich ist. Aber auch bei der „Schlacht der Bastarde“ wiederholen sich manche Einstellungen spürbar, die Sequenz – so packend sie in manchen Momenten ist – scheint länger, als sie sein müsste. Doch über diese Schwächen sieht man gern hinweg, wenn man sich vor Augen führt, wie konsequent viele Aspekte der Geschichte hier zusammengetragen werden, wenn Erzählungen, was der Irre König einst plante, um Königsmund dem Erdboden gleichzumachen, hier aufgegriffen werden und sich ein weiterer Kreis somit schließt. Es ist, als würde sich die lange Vorbereitung der einzelnen Handlungsstränge in Game of Thrones spürbar auszahlen. Umso höher setzen die Verantwortlichen selbst den Maßstab, ein Finale zu präsentieren, das den Erwartungen auch gerecht wird.


Fazit:
Anstatt neue Schauplätze zu eröffnen und immer noch mehr Figuren vorzustellen, beginnen die Verantwortlichen, losgelöst von der literarischen Vorlage, die Handlungsfäden merklich zusammenzuführen und auf ein lange angekündigtes Ende hinzuarbeiten. Das bedeutet, wie in den vergangenen Staffeln, dass sich das Publikum von etablierten Figuren verabschieden muss. Bei manchen fällt dies leichter als bei anderen. Ob all diese Charaktere dabei wirklich am Ende ihrer Entwicklung angekommen waren, sei in dem Moment dahingestellt. Von der ersten Staffel an konfrontierte Game of Thrones sein Publikum stellenweise mit einer unmenschlich anmutenden Grausamkeit. So brutal manche Abschnitten in Staffel 6 sind, sie erscheinen nicht in dem Maße grausam, wie die Serie es bereits darstellte, selbst wenn nicht alle Darstellungen notwendig sind. Die inhaltliche Entwicklung schreitet bei manchen Storyfäden schneller voran als bei anderen und wie gehabt, würde man sich wünschen, manchen Figuren würde mehr Raum gegeben. Doch gerade die großen Schritte, die verschiedene Häuser in den letzten Episoden gehen, vermitteln eine Aufbruchsstimmung, die ein merklich höheres Erzähltempo für die kommende Season verspricht. Handwerklich tadellos und in vielerlei Hinsicht beeindruckend (bis hin zu den Details der Kostüme oder Banner), beweist die Besetzung einmal mehr, dass sie preiswürdig zusammengestellt ist. Als Vorbereitung für ein episches Serienfinale bereitet Game of Thrones: Staffel 6 spürbar den Weg und wartet vielerorts mit einer sichtbar gesteigerten, erzählerischen Finesse auf, selbst wenn manche Überraschungen allzu absehbar sind. Doch die damit an das Ende geknüpften Erwartungen zu erfüllen, wird für die Verantwortlichen gleichermaßen eine Herausforderung.