Furiosa: A Mad Max Saga [2024]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 16. Mai 2024
Genre: Action / Thriller

Originaltitel: Furiosa: A Mad Max Saga
Laufzeit: 149 min.
Produktionsland: Australien
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: George Miller
Musik: Tom Holkenborg
Besetzung: Anya Taylor-Joy, Alyla Browne, Chris Hemsworth, Tom Burke, Lachy Hulme, Goran D. Kleut, Nathan Jones, Josh Helman, John Howard, Angus Sampson, Charlee Fraser, Quaden Bayles, Daniel Webber


Kurzinhalt:

Als kleines Mädchen wird Furiosa (Alyla Browne) vom Grünen Ort der vielen Mütter von Bikern des Warlords Dementus (Chris Hemsworth) geraubt. Der verspricht seiner Horde an Gefolgsleuten inmitten des Ödlands, dass er sie zu dem Ort des Überflusses führen wird. Auf seinem Weg dorthin entdeckt Dementus die Zitadelle, wo Immortan Joe (Lachy Hulme) nicht nur Nahrungsmittel anbauen lässt und darum bemüht ist, Nachwuchs zu zeugen, der keine Zeichen der durch die Strahlung ungastlich gewordenen Erde trägt. Er hat auch eine Heerschar an Kämpfern versammelt, die ihm auf dem Weg nach Valhalla bedingungslos folgen. Nach einem Coup von Dementus kommt Furiosa zu Immortan Joe und findet sich Jahre später in einem Kampf der beiden Tyrannen um die wenigen Ressourcen des Ödlands wieder. Auf ihrem Weg zurück nach Hause kämpft Furiosa (Anya Taylor-Joy) dabei nicht nur um ihr eigenes Überleben …


Kritik:
Furiosa: A Mad Max Saga ist gleichermaßen eine Erweiterung des zuletzt mit Mad Max: Fury Road [2015] erzählten Endzeitszenarios, wie es den Neueinstieg darin ermöglicht. Filmemacher George Miller schildert hier den Werdegang der Titel gebenden Furiosa, deren Flucht aus der von Immortan Joe geführten Kolonie Zitadelle Teil des letzten Films war. Ihre Geschichte gleicht dabei weniger einem fiebrigen Alptraum, als einer ebenso packenden wie düsteren, dystopischen Überlebensmär.

Die unterschiedliche Herangehensweise erklärt auch, weshalb Furiosa trotz des sichtbaren Aufwands und der einprägenden Optik stilisierter und künstlicher erscheint, als Fury Road. Die in fünf Kapitel unterteilte Story setzt zwar an, nachdem die Welt bereits „untergegangen“ ist und die Gesellschaft zusammengebrochen, so dass sich die Überlebenden in einem ausgedorrten Land nicht nur Wasser- und Nahrungsmangel gegenübersehen, sondern auch kein Treibstoff zur Verfügung haben. Gleichzeitig liefert die Erzählung Erläuterungen, was geschehen ist, sowie Einblicke, wie die rudimentäre Ökonomie dieser postapokalyptischen Gesellschaft funktioniert, in der Lebensmittel, Waffen und Kugeln unter den Herrschern der jeweiligen Festungen getauscht werden, die diese kommandieren. Die junge Furiosa wächst in jener Welt auf und ist womöglich besser an sie angepasst, als ihre eigene Mutter. Herangewachsen in einer Oase inmitten der Wüste, entdeckt sie eine marodierende Gang, die diese Zuflucht ebenfalls entdeckt hat. Furiosa wird entführt und zu dem Warlord Dementus gebracht, der alles daran setzen will, den Ort des Überflusses, von dem Furiosa stammt, zu finden. Es ist ein Geheimnis, das sie bereit ist, mit ins Grab zu nehmen.

Dass Dementus fälschlicherweise glaubt, die Zitadelle sei dieser Ort, und deshalb einen Kampf mit Immortan Joe beginnt, arbeitet das Drehbuch kaum heraus. Das Geschehen wird vielmehr überwiegend aus Furiosas Blickwinkel auf die Ereignisse gezeigt. Dass sie selbst nach einem starken Auftritt in der ersten Stunde, die gewissermaßen ihre Kindheit beschreibt, kaum aktiv eingreifen kann, macht es beinahe ein wenig schwer, sich in dieser Welt zurecht zu finden. In der sind die Menschen aus Hunger oder Verzweiflung bereit, alles zu tun, selbst wenn es heißt, ihren Herrschern blind in den Tod zu folgen. Dementus, der stets darum bemüht ist, sein Gefolge zu vergrößern, fährt in einem Motorrad, das mit Zügeln wie ein römischer Streitwagen versehen ist. Immortan Joe regiert von einem hohen Felsen aus, während sich seine Untertanen in unterirdischen Höhlen verkriechen. Beide schicken ihre Soldaten in den Tod, wissend, dass nur ihre eiserne Herrschaft ihre Zukunft sichern kann. Furiosa: A Mad Max Saga fängt viele Bilder ein, die auch auf Grund des sichtbaren künstlerischen Stils den Eindruck erwecken, sie seien Gemälde direkt aus der Hölle. Anstatt das Ende der Welt zu beschreiben, rückt Miller eine postapokalyptische Gesellschaft ins Zentrum.

In der wird Furiosa, als Kind Immortan Joe im Rahmen eines Handelsvertrages von Dementus übergeben, zu einer Kriegerin, die nie ihre Herkunft vergisst und stets darum bemüht ist, das letzte Versprechen an ihre Mutter zu erfüllen: Den Weg nach Hause zu finden, egal, wie lange es dauert. Insoweit rückt Furiosa ihren Einsatz und ihre Hoffnung in Fury Road in ein neues Licht und verleiht der Figur eine spürbar facettenreichere Dimension. Mit einer Bildersprache, die biblische Motive ebenso bedient, wie epische Westernweiten, ist nicht nur auf Grund der deutlich umfangreicheren Dialoge Chris Hemsworth als Warlord Dementus die größte Überraschung. Inszeniert er sich anfangs als Heilsbringer vor seinen Anhängern, zeigt er sich trotz seines Größenwahns im richtigen Moment politisch, um seine Ziele zu erreichen. Zwar verschwindet die Figur überraschend lange von der Bildfläche, doch sieht man ihn in der zweiten Hälfte wieder, ist er noch grausamer und verrückter als zuvor. Vor dem Hintergrund einer hoffnungslosen Welt ist er gleichermaßen ein Bösewicht, der sich ohne Hoffnung auf Erlösung in Grausamkeit flieht und dies vor sich selbst damit rechtfertigt, dass die Umstände der Welt ihn so gemacht hätten.

Es ist eine Darbietung, die ebenso mitreißt, wie diejenige von Anya Taylor-Joy als Furiosa, selbst wenn sie erst nach einer Stunde zum ersten Mal zu sehen ist. Obwohl Furiosa: A Mad Max Saga nicht von demselben Adrenalinstoß vorangetrieben wird, wie Fury Road zuletzt, könnte ihr Auftritt kaum gelungener sein. Die große Actionsequenz mit einem Lebensmittel-Truck kommt beinahe ohne Worte aus und ist doch optisch wie akustisch geradezu überwältigend umgesetzt. Selbst wenn Miller sichtbar und bedauerlicherweise deutlich mehr auf digitale Trickeffekte als praktische Stunts setzt, die Choreografie und die Ideen hinter den sichtbar aufwändigen Szenen sind wie nichts, was man in den letzten beinahe zehn Jahren auf der großen Leinwand gesehen hat. Passend dazu untermalt der Filmemacher das Geschehen mit einer Klangkulisse, bei der sowohl bei der Musik als auch den Motorengeräuschen selbst der größte Kinosaal einem Erdbeben gleich zu zittern beginnt. Es ist eine Präsentation, die man auf der größtmöglichen Leinwand erlebt haben sollte.

Ob Fans enttäuscht oder angenehm überrascht sind, dass Furiosa nicht nur ein anderes Erzähltempo als der Vorgänger besitzt, sondern trotz der vergleichbaren Thematik eine andere Stimmung, wird letztlich von einer und einem jeden selbst abhängen. Während Fury Road trotz der erschreckend alptraumhaften Ideen auf Grund der stilisierten Umsetzung durchaus Spaß macht, ist dieses inhaltlich erstklassige Prequel ein atmosphärisch dichtes wie bedrückendes Endzeitszenario. Das heißt nicht, dass man nicht mitgerissen wird, ganz im Gegenteil. Doch es ist ein Film, der einen nicht aufgeputscht entlässt, sondern einem stattdessen ein Gefühl für den konstanten Überlebenskampf der Titel gebenden Figur verleiht. Bis hin zu einer Einstellung ganz am Ende, bei der man sich fragen muss, ob Furiosa ebenso der Grausamkeit dieser Welt erlegen ist, wie der Mann, der ihr alles genommen hat – oder ob sie biblische Gerechtigkeit walten lässt.


Fazit:
Anstatt „lediglich“ ein weiteres, hochprozentiges Actioninferno zu präsentieren, entscheidet sich Filmemacher George Miller, seine Biografie von Furiosa getragener und mit Bedacht zum Leben erwecken. Mehr Bilder als zuletzt erwecken einen stark stilisierten und künstlichen Eindruck, doch passt dies zu den Themen, die das Drehbuch der Titelfigur als Reiterin der Apokalypse mit auf den Weg gibt. Getragen von zwei starken, wie alle übrigen sichtbar kräftezehrenden Darbietungen, ist die zum Leben erweckte Welt beinahe beängstigender und beunruhigender, als zuvor, da ihr die alptraumhafte Präsentation fehlt. In einer Gesellschaft ohne Hoffnung entfesselt Furiosa: A Mad Max Saga mit überwältigendem Aufwand eine gelungene Erweiterung des bekannten Mad Max-Universums, das hier ebenso vertieft wird, wie Furiosa als Hauptfigur. Als unmittelbares Prequel zu Mad Max: Fury Road ebenso gelungen, wie als düstere Endzeitactionballade, ist dies beeindruckendes Kino auf jede erdenkliche Weise. Selbst dann, wenn die zu Beginn des Abspanns eingestreuten Szenen verdeutlichen, dass dem Vorgänger das noch ein wenig besser gelungen ist.