Free Guy [2021]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 6. August 2021
Genre: Action / KomödieOriginaltitel: Free Guy
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: USA / Kanada / Japan
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Shawn Levy
Musik: Christophe Beck
Besetzung: Ryan Reynolds, Jodie Comer, Lil Rel Howery, Joe Keery, Taika Waititi, Utkarsh Ambudkar, Camille Kostek, Kimberly Howe, Matty Cardarople, Alex Trebek, Tait Fletcher, Britne Oldford, Leah Procito
Kurzinhalt:
Eigentlich könnte sich Guy (Ryan Reynolds) sein Leben kaum schöner vorstellen: Jeder Tag beginnt mit einem hervorragenden Kaffee und sein Job in der Bank ist der beste, den er sich wünschen kann. Dass die Bank täglich überfallen wird, Schießereien in seiner Heimatstadt Free City trotz des herrlichen Wetters an der Tagesordnung sind und die Stadt beinahe täglich in Schutt und Asche gelegt wird, stört ihn nicht. Am nächsten Morgen ist alles wie immer. Zwar hat Guy das Gefühl, als würde in seinem Leben etwas fehlen, doch er kann nicht sagen, was – bis er Molotov Girl (Jodie Comer) begegnet, eine von den zahlreichen Sonnenbrillenträgerinnen, die jeden Tag in die Stadt kommen. Sie ist auf der Suche nach, doch um zu verstehen, worum es geht, muss Millie, wie Molotov Girl im wirklichen Leben heißt, Guy erklären, dass seine ganze Welt nur ein Onlinevideospiel ist und Guy kein Mensch. Verantwortlich für das Spiel ist der Entwickler Antwan (Taika Waititi), der dafür Code gestohlen hat, den Millie zusammen mit Keys (Joe Keery) geschrieben hatte. Im Spiel ist ein Hinweis darauf versteckt, den Millie zu finden hofft. Aber je dichter sie dem Hinweis kommt, umso mehr Gegenwehr erwartet sie. Und nicht nur, dass Guy ihre beste Chance ist, er scheint zu weit mehr im Stande, als Nichtspielerfiguren in Free City normalerweise können …
Kritik:
Auch wenn die Filmvorschau von Free Guy einen ziemlichen guten Eindruck dessen vermittelt, was das Publikum erwartet, macht die Actionkomödie um einen Videospielcharakter, der sich nicht mehr an seine Programmierung hält, bedeutend mehr Spaß, als man vermuten würde. Das liegt nicht zuletzt am Charme von Hauptdarsteller Ryan Reynolds, der derart unschuldig in seiner Rolle aufgeht, dass man regelrecht davon eingenommen wird. Aber auch daran, dass Regisseur Shawn Levy nicht zurückhält, das absurde Potential der Story auszuloten.
Dabei sei betont, dass es nicht nur die zahlreichen absurden Momente sind, die hier zünden, sondern gerade diejenigen, in denen der Film die Grenze zwischen Videospiel und Wirklichkeit aufhebt und dessen Gesetze auf unsere Welt anwendet. Im Zentrum der Erzählung steht Guy, gespielt von Reynolds, der in Free City lebt, der einzigen Stadt, die er kennt und in der jeder Tag so beginnt wie der vorige. Er wacht in seinem aufgeräumten Apartment auf, begrüßt seinen Goldfisch, zieht ein blaues Hemd und Krawatte an, kauft denselben Kaffee im Café an der Ecke und geht zur Arbeit in die Bank, die mindestens einmal am Tag überfallen wird. Auf der Straße sieht er Autoverfolgungsjagden und Panzer, am Himmel fliegen Kampfjets und Hubschrauber, und zu alledem sagt sich Guy, dass dies kein guter Tag ist – es ist ein großartiger Tag! Jeden Tag.
Was Guy nicht ahnt: Er ist eine Figur in einem Onlinevideospiel und diejenigen, die die Überfälle verüben, die die Autos fahren und Hubschrauber fliegen, sie alle tragen Sonnenbrillen und sind Spielerinnen und Spieler in dieser Welt, die Punkte durch eben solche Missionen sammeln. Guy, sein Freund Buddy und alle anderen Charaktere in der Stadt sind vom Spiel erzeugt, sogenannte NPCs (Nichtspielerfiguren). Trotz dieser seltsamen Umgebung könnte für Guy das Leben kaum schöner sein, obwohl er das Gefühl hat, dass etwas fehlt. Das ändert sich, als er Molotov Girl erblickt, eine Sonnenbrillenfrau, die ihn vom ersten Moment fasziniert. Auf der Suche nach ihr stellt er sich einem Spieler in den Weg und als er dessen Sonnenbrille aufzieht, erblickt er seine Welt mit neuen Augen.
So verlässt Guy seine Programmierung, bleibt dabei aber seinen Charakterzügen, ein guter Kerl zu sein, treu. Doch sein Verhalten bleibt nicht unbemerkt und er zieht die Aufmerksamkeit von zwei der Programmierer auf sich, Keys und Mouser. Sie arbeiten für Antwan, dessen Software-Firma mit dem Onlinespiel „Free City“ unglaublich erfolgreich geworden ist. In Kürze soll die Fortsetzung starten, weswegen Molotov Girl alias Entwicklerin Millie händeringend in der Spielwelt den Beweis sucht, dass Antwan ihren Code gestohlen hat. So erzählt Free Guy überraschenderweise eine Geschichte auf mehreren Ebenen, mit Guy auf der einen sowie Millie und Keys auf der anderen Seite des Bildschirms. Dabei präsentiert Filmemacher Levy viele Ausdrücke und Besonderheiten, die in Videospielen gang und gäbe sind. Von dem fallschirmspringenden „Helden“ zu Beginn, über den Blick hinter die Avatare in die Gesichter der wirklichen Spieler, bis hin zu Power-ups, Nebenmissionen und kostenpflichtigen In-Game-Käufen. Dabei präsentiert der Filme Guys Welt vollkommen natürlich als in sich abgeschlossenen Kosmos, in dem Guy die absurden Gesetzmäßigkeiten auch zu seinem Vorteil nutzen kann.
So amüsant all dies ist, in manche Figuren wie wenn der von Taika Waititi gespielte, egoistische Firmenchef Antwan seinen Plan enthüllt, überdehnt die Komödie ihre komödiantischen Muskeln mitunter spürbar und nicht alle Gags landen hier im Zentrum. Dafür ist der Sozialkommentar, den Free Guy beinhaltet, auch wenn er selten offen angesprochen wird, kaum zu übersehen. Angefangen davon, wie sich die Menschen in Onlinespielen oftmals verhalten, über die bloße Tatsache, dass die meisten dieser Spiele egoistisches Verhalten oder die blanke Ausübung von Gewalt (auch gegenüber NPCs) belohnen. Wenn Guy die NPCs versammelt und sie fragt, ob sie weiter in einer Welt leben wollen, in der Waffengewalt an der Tagesordnung ist, ihre Häuser täglich zerstört werden, sie nicht in Frieden leben und nie mehr aus ihrem Leben machen können, dann fällt es schwer, Parallelen zu übersehen. So wird Guys Befreiungskampf Stück für Stück auch zu dem des Publikums, was dazu führt, dass man auch am Ende mehr mitgenommen wird, als man erwarten würde.
Sieht man, wie die klassische Nebenfigur des netten Typen in Form von Guy hier zum Held seiner eigenen Geschichte wird, kann man sich damit überraschend schnell identifizieren. Free City ist mit den absurden Kombinationen unterschiedlichster Geschöpfe und Fahrzeuge toll zum Leben erweckt und da dies eine Computerspielwelt sein soll, verzeiht man auch gern, dass nicht alle Trickeffekte vollkommen überzeugen können. Obwohl nicht alle Witze zum Lachen gut sind, vor allem Film- und Spielefans werden aus dem Schmunzeln über weite Strecken kaum herauskommen. Von den zwei fantastischen Gastauftritten beim Finale ganz zu schweigen, die in den Kinos für Applaus sorgen dürften. Free Guy ist ein unerwartet spaßiger Film, der, wenn auch etwas zu lang, mit spürbar Herz erzählt ist und sich doch nicht scheut, dem Publikum ein wenig den Spiegel vorzuhalten.
Fazit:
Die Idee einer künstlichen Figur, die sich ihrer selbst bewusst wird, ist nicht neu. Doch finden die Drehbuchautoren hier eine schlüssige Begründung dafür und bauen mit einer Story außer- und innerhalb der Onlinespielewelt eine interessante Geschichte auf, die ineinandergreift. In welchen Bahnen der Humor verläuft, ist oft absehbar und selbst wenn nicht alle Gags zünden wie erhofft, in vielen Momenten treffen die Verantwortlichen den Nagel auf den Kopf. Am Ende ist Free Guy eine Geschichte über die transformierende Kraft der Liebe und den freien Willen gleichermaßen, eingebettet in teils herrlich überzogene, teils selbstbewusst doofe und witzige Actionmomente, die bedeutend mehr Spaß machen, als man erwarten würde. All das mag nur wenig Neues zum Genre beitragen, aber es ist so stimmig und einnehmend sympathisch präsentiert, dass man sich gern mit Guy auf sein Abenteuer begibt. Gerade, weil er mit dem Finger manchmal sprichwörtlich auf das Publikum zeigt.
Klasse!