Flightplan – Ohne jede Spur [2005]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 26. Oktober 2005
Genre: Thriller

Originaltitel: Flightplan
Laufzeit: 98 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Robert Schwentke
Musik: James Horner
Darsteller: Jodie Foster, Peter Sarsgaard, Sean Bean, Kate Beahan, Michael Irby, Assaf Cohen, Erika Christensen, Shane Edelman, Mary Gallagher, Marlene Lawston


Kurzinhalt:
Noch immer vom Unfalltod ihres Ehemannes traumatisiert, macht sich die Ingenieurin Kyle Pratt (Jodie Foster) mit ihrer Tochter Julia (Marlene Lawston) auf den Weg nach New York, um den Sarg ihres Gatten zu überführen.
Doch als die beinahe voll besetzte Maschine die Flughöhe von zehn Kilometern erreicht und Kyle aus einem kurzen Schlaf erwacht, ist ihre Tochter verschwunden. Schlimmer noch, weder die übrigen Passagiere, noch die Flugbegleiterinnen Stephanie (Kate Beahan) und Fiona (Erika Christensen) scheinen sie je gesehen zu haben. Kyles Panik nimmt noch zu, als eine vom Piloten Rich (Sean Bean) angeordnete Suche im ganzen Flugzeug ohne Erfolg bleibt. Da sie in ihrem aufgeregten Zustand eine Gefahr für die übrigen Fluggäste darstellt, wird Kyle vom Air-Marshall Carson (Peter Sarsgaard) an ihren Platz begleitet – doch als sie glaubt, etwas zu entdecken, was ihre Tochter vor ihrem Verschwinden hinterließ, beschließt Kyle, das Flugzeug in ihre Gewalt zu bringen, und selbst nach ihrer Tochter zu suchen ...


Kritik:
Es scheint beinahe so, als wäre Roland Emmerich nicht mehr der einzige Schwabe in Hollywood – mit dem in Stuttgart geborenen Robert Schwentke, der für seine beiden letzten Regiearbeiten Tattoo [2002] und Eierdiebe [2003] viel Lob erhielt, macht dem Independence Day [1993]-Regisseur Konkurrenz, wenn auch nicht an der Kinokasse. Schwentkes erste Hollywood-Regie brachte bislang knapp 90 Millionen Dollar in die Kassen der Produktionsfirma, das ist ansehnlich, doch nicht bedeutend mehr, als die Produktionskosten, von der offensichtlichen und international groß angelegten Werbekampagne ganz abgesehen.
Die gemischten Eindrücke von Zuschauern und Kritikern sind dabei wohl berechtigt, denn während Flightplan handwerklich problemlos in der oberen Liga vergleichbarer Hollywood-Filme mithalten kann und Kamera wie Schnitt bisweilen beeindruckend und spannend geraten sind, vermag das Drehbuch diese Anstrengungen nicht zu rechtfertigen. Die Ausgangslage ist sicherlich bedrohlich und beunruhigend, und je weiter sich der Film entfaltet, umso sicherer wird man sich als Zuschauer, dass Julia Pratt das Flugzeug in der Tat nie betreten hat – bis das Skript im letzten Drittel des Films Kapriolen schlägt, die allenfalls mit phantasievoll schmeichelnd umschrieben werden können.

Die Ausgangslage des von Peter A. Dowling und Shattered Glass [2003]-Regisseur Billy Ray verfassten Drehbuchs bietet zweifelsohne Möglichkeiten für einen interessanten und bedrückenden Thriller, der auf Grund der Enge eines Flugzeugs klaustrophobische Züge annehmen kann. In den ersten 60 Minuten gelingt es den beiden Autoren auch gut, die Verzweiflung von Kyle Pratt immer weiter zu steigern, sie an ihrer geistigen Verfassung zweifeln zu lassen und die Passagiere an Bord einmal ihre Seite, dann die der Gegenpartei annehmen zu lassen.
Bis zu dem Moment, in dem Kyle Pratt sich entschließt, das Flugzeug in ihre Gewalt zu bringen, wirken auch die Figuren großteils sehr natürlich, allen voran Kyle und Flugkapitän Rich, der hier im Gegensatz zum Genreklischee nicht als allwissender, unterkühlter und kontrollierter Pilot geschildert wird, sondern in seinem Gebaren Unsicherheit und auch unterdrückte Unruhe zum Ausdruck bringt. Einzig der Air-Marshall Carson erscheint in seinem Verhalten nicht nachvollziehbar.
Doch ist der Wendepunkt der Story erreicht und steuern die Autoren auf eine Erklärung hin, erinnert der weitere Verlauf nicht nur stark an den erfolgreichen Jodie Foster-Film Panic Room [2002], sondern gerät auch von Minute zu Minute abstruser, bis hin zu einer Auflösung die derart gekünstelt mit hanebüchenen Erklärungen gespickt erzählt wird, dass man mehr als einmal den Blick unglaubwürdig gen Decke richten wird. Da hilft es auch nicht, dass der Film mit einem richtigen und angenehm ruhigen Epilog aufwartet, in dem die fälschlicherweise von Kyle beschuldigen Araber jedoch keine Entschuldigung zu hören bekommen, was aufgeschlossenen Zuschauern übel aufstoßen wird.
So vermag das Skript nur in der ersten Hälfte des Films zu überzeugen, erzeugt in dieser Zeit eine kühle, aber verständlich panische Stimmung und bringt einem die von Jodie Foster verkörperte Figur merklich nahe. Der inhaltliche Sturzflug beginnt jedoch mit dem Einsetzen von Erklärungen für die gesamte Situation, die derart weit hergeholt und unlogisch erscheinen, dass es die Atmosphäre des Films beinahe gänzlich zerstört.

Dies brauchen sich die Darsteller angeführt von einer sehr soliden Jodie Foster sicher nicht sagen lassen; in ihrem ersten Hollywood-Film seit Panic Room zeigt sich die inzwischen 43jährige Schauspielerin körperlich und mimisch in bester Spiellaune, kleidet ihre nach außen starke innerlich gebrochene Figur in so ruhige wie subtil wirksame Momente, die einem Kyle Pratt in ihren Handlungen zwar verständlich machen, doch dabei nicht sympathischer. Bringt sie mehr als 400 Passagiere in Gefahr, kann man als Zuseher ihre Handlungen nicht mehr gut heißen und verliert darum in der zweiten Filmhälfte die vorher aufgebaute Beziehung zu ihr. Sicherlich ist das nicht der Darstellerin anzulasten, die sich merklich Mühe gibt, ihrer ansich nicht weit ausgebauten Figur charakterliche Tiefe zu verleihen, es bleibt einem jedoch ebenso im Gedächtnis wie ihre routinierte und überzeugende Darbietung.
Etwas anders sieht es hingegen bei Peter Sarsgaard aus, der in Shattered Glass eine ausgezeichnete Leistung zeigte und Anfang nächsten Jahres in der Golf-Kriegs-Satire Jarhead [2005] zu sehen sein wird. Was ihn dazu bewog, die erste Filmhälfte mit halb geschlossenen Augen zu spielen, als stünde er unter Medikamenteneinfluss, verstehe wer will – erst wenn er zum Finale hin "aufwacht", kann er zeigen, dass er Jodie Foster schauspielerisch gewachsen ist, wenn auch nicht lange. Er hinterlässt einen gemischten Eindruck, der den Unterhaltungswert des Films jedoch nicht merklich schmälert.
Eine wirklich gute und erfrischend andersartige Rolle wird von Sean Bean sehr gut zum Ausdruck gebracht, der nach Die Insel [2005] hier wieder mehr gefordert ist. Die unterschwellige Unruhe seiner Figur kommt sehr gut zum Ausdruck und hebt ihn erfreulich von ähnlich gelagerten Rollen in ähnlichen Produktionen ab. Man kann hoffen, dass er seine Rollenauswahl in Zukunft ähnlich vielseitig halten wird.
Einen guten Eindruck hinterlassen auch die bislang meist in Nebenrollen und TV-Filmen zu sehende Kate Beahan und Erika Christensen (bekannt aus Traffic – Die Macht des Kartells [2000]), die zwar beide nicht sehr viel zu tun haben, sich aber sichtlich Mühe geben.
Ebenfalls überzeugend, wenn auch nicht sonderlich gefordert, scheint Marlene Lawston als Julia Pratt im Film, für die dies die erste Filmproduktion darstellt. Ihre unterkühlte Ausstrahlung und beinahe apathische Reaktion auf ihre Umwelt passen sehr gut zur Rolle und machen sie trotz ihrer kurzen Auftritte sehr sympathisch.

Mit einem gut eingespielten und durchweg routiniert erscheinenden Cast schuf sich Regisseur Robert Schwentke eine solide Basis für seinen Thriller, der auch von deutscher Hand inszeniert wird: Florian Ballhaus, Sohn von Kameralegende Michael Ballhaus zeichnet für die Optik verantwortlich, die stellenweise wirklich beeindruckend geraten ist.
Mit vielen Kamerafahrten, dezent eingesetzten Zeitlupen, einer sehr guten Setausleuchtung und vielen einfallsreichen Perspektiven überzeugt Flightplan in handwerklicher Hinsicht auch, wenn der Film inhaltlich nicht das hält, was er verspricht; so gehört auch das spannend umgesetzte Finale zu den Hightlights des Films, auch wenn die Spezialeffekte gerade in diesen Szenen allzu offensichtlich sind und auf ein unzureichendes Budget hindeuten. Dank dem sehr guten Schnitt von Thom Noble (Die Maske des Zorro [1998], Vertical Limit [2000]) erhält man durchweg das Gefühl, die Figuren würden sich innerhalb des Flugzeugs bewegen, auch wenn sich die einzelnen Sets der Passagierkabinen, der Ladedecks und anderer für normale Fluggäste unzugängliche Orte in ihrem Design gänzlich unterscheiden.
Kamera und Schnitt kleiden Schwentkes Regie in eine edle und doch überraschend düster-schmutzige Optik, die Flightplan merklich über den Durchschnitt hinweg hebt.

Die Musik aus der Feder von James Horner tut ihr Übriges, um die Klaustrophobie von Kyle Pratt zu schüren, mit minimalistischen Klängen, einem wiederkehrenden Thema und einer gekonnten, wenngleich von Horner bekannten Klaviersteigerung beim Verschwinden von Julia Pratt.
Der Score erinnert in Sachen Instrumentierung und Melodie ohne Zweifel an Die Vergessenen [2004], birgt jedoch ebenso viel Ähnlichkeit mit Kopfgeld – Einer wird bezahlen [1996] und überraschenderweise mit Howard Shores Soundtrack zum Thriller-Klassiker Das Schweigen der Lämmer [1991].
Deswegen wirken Horners Motive nicht weniger effektiv, sie erscheinen nur weniger einfallsreich, als man dies womöglich erwartet hätte. Eine bessere Begleitung zu den Bildern hätte man sich aber kaum wünschen können, auch wenn Soundtrack-Kennern bei dieser Art Film immer die Frage kommt, wie Jerry Goldsmith den Film vertont hätte.

Man hat als Zuseher beinahe das Gefühl, als wären sich die Produzenten zweier Dinge bewusst gewesen: zum einen, dass der Film gerade in der zweiten Hälfte viel von dem einbüßt, was ihn in der ersten Hälfte auszeichnet, zum anderen jedoch auch, dass der letzte Eindruck entscheidend ist. Aus diesem Grund gestalteten die Macher dann den Abspann des Films so einfallsreich und ansehnlich, wie man es schon seit langer Zeit nicht mehr gesehen hat.
Und doch lässt sich damit das Gefühl nicht täuschen, dass aus Flightplan viel mehr hätte werden können, hätten sich die Autoren nicht für ein actionbetontes Finale entschieden, sondern einen unangenehmeren Ansatz im Stile von Fight Club [1999] gewählt. Was somit in Erinnerung bleibt ist ein handwerklich sehr gut gefilmter, mit exzellenten Sets versehener und gut gespielter Thriller, der inhaltlich letztlich aber durch seine Auflösung enttäuscht. Angesichts des ebenso gut gefilmten aber deutlich besser geschriebenen Red Eye [2005] stellt sich nur die Frage, weswegen man Flightplan unbedingt im Kino gesehen haben sollte.


Fazit:
Stellt man Flightplan Michael Bays Die Insel gegenüber, fällt eine Gemeinsamkeit auf: Sean Bean. Abgesehen davon liegen die Produktionen jedoch aus unterschiedlichen Gründen an entgegengesetzten Enden einer Ebene; während Die Insel mit einer guten Story und einer bisweilen haarsträubenden Inszenierung die Zuschauer vergraulte, überzeugt Flightplan mit einer exzellenten Optik, vermag inhaltlich die klischeebeladene Story nicht um neue Aspekte zu erweitern, sondern trumpft mit einer Erklärung auf, die mehr Logiklöcher in das vorangehende Skript reißt, als dieses auszuhalten vermag.
Schade ist dies zum einen auf Grund der handwerklichen Finesse, mit der Regisseur Schwentke sein Hollywood-Debut versieht, und auf Grund der Darsteller, die allesamt überzeugen können und sich sichtlich Mühe geben, die inhaltlichen Schwächen zu überspielen.
So bleibt der Film zwar durchweg unterhaltsam, verfällt jedoch bald in vorhersehbare Handlungsstränge und eine Auflösung, bei der man als Zuseher viele Abstriche machen muss, um die durchweg sehr gute Inszenierung noch genießen zu können.