Final Call - Wenn er auflegt, muss sie sterben [2004]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. Juni 2005
Genre: Action / Thriller

Originaltitel: Cellular
Laufzeit: 94 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: David R. Ellis
Musik: John Ottman
Darsteller: Kim Basinger, Chris Evans, William H. Macy, Jason Statham, Richard Burgi, Adam Taylor Gordon, Noah Emmerich, Rick Hoffman, Eric Etebari, Jessica Biel, Eric Christian Olsen, Caroline Aaron, Chantille Boudousque, Brendan Kelly


Kurzinhalt:
Kurz nachdem die Lehrerin Jassica Martin (Kim Basinger) ihren Sohn Ricky (Adam Taylor Gordon) zum Schulbus gebracht wird, dringen bewaffnete Männer in ihr Haus ein, und entführen sie. In ein altes Dachgewölbe eingeschlossen, zerstört der Anführer der Bande, Ethan (Jason Statham) ein Telefon, das an einem Pfeiler im Raum angebracht war.
Ohne zu wissen, weswegen sie festgehalten wird, und in Sorge um die Sicherheit ihres Sohnes, versucht Jessica, das Telefon zu reparieren – nach einigen Versuchen bekommt sie tatsächlich eine zufällige Verbindung und landet bei dem kindgebliebenen Ryan (Chris Evans), der den verzweifelten Hilferuf der Frau für einen Scherz hält. Doch als er die Entführer im Hintergrund mit der wehrlosen Frau streiten hört, schlägt seine Skepsis um, und in der Tat, als Ryan auf Jessicas Drängen hin zur Schule ihres Sohnes fährt, kann er gerade noch beobachten, wie Ricky ebenfalls entführt wird. Nun beginnt für Ryan eine Verfolgungsjagd um das Leben der Familie Martin, denn einerseits muss er den Entführern auf den Fersen bleiben, andererseits sollte er ihnen auch einen Schritt voraus sein – denn wenn sie erst einmal bekommen, was sie wollen, werden sie die Martins mit Sicherheit töten.
Dabei ermittelt der alternde Polizist Mooney (William H. Macy), der von Ryans ungewöhnlichen Straftaten in den Nachrichten erfährt, in einer anderen Richtung und kommt einer größeren Verschwörung auf die Spur.


Kritik:
Während man in Frankreich zum Schutz der französischen Muttersprache gar Gesetze eingeführt hat und sogar für alltägliche Begriffe wie "Computer" künstliche rein französische Begriffe erfunden wurden, scheint es bisweilen, als gehe die deutsche Sprache andere Wege. Dabei stammt ein heute häufig gebrauchtes Wort, dem man gerne angelsächsische Wurzeln attestiert gar nicht aus dem englischen Sprachgebrauch – das "Handy" ist eine rein deutsche Erfindung und stammt nicht, wie man meinen könnte, aus dem Englischen. Dort gibt es mehrere Worte für das inzwischen zum Allround-Gerät gewandelte tragbare Telefon; beliebt ist einerseits "mobile" oder "mobile telefone", oder aber "cell", wobei selbes eine Abkürzung für "cellular" darstellt. Da sich die deutschen Kinozuschauer unter dem Filmtitel Cellular allerdings eine Fortsetzung zu einem Jennifer Lopez-Film, als einen Thriller mit einem Mobiltelefon vorstellen können, wurde im Anflug wahnwitzigen Erfindungsreichtums ein neuer deutscher Titel generiert, der mit Final Call zwar wieder eine englische Einleitung beherbergt, aber dank des Untertitels Wenn er auflegt, muss sie sterben immerhin halbwegs erklärt, worum es im Film geht. Den offensichtlichen Titel Das Handy hat der deutsche Verleih seltsamerweise stillschweigend übergangen.
Wie dem auch sei, verbirgt sich hinter Cellular ein bisweilen sehr einfallsreicher, kurzweiliger, aber stets unterhaltsamer Actionthriller, der dank einer sehr guten und gut gelaunten Besetzung und eines soliden Skripts deutlich besser in Erinnerung bleibt, als man das auf den ersten Blick vermuten würde.

Dass die Grundstory selbst ansich kaum für einen Hollywoodfilm herhält scheinen die Autoren wohl gewusst zu haben und versuchen gar nicht, der B-Film-Beschränkung der Ausgangslage zu entkommen, sondern verstecken in den knapp 90 Minuten allerlei spannende, actionreiche, aber auch witzige und innovative Szenen; die Kritik am leider immer noch vorhaltenden Handy-Wahn und den daraus entstehenden Konsquenzen spielt dabei eine nicht zu leugnende Rolle.
Autor und Story-Lieferant Larry Cohen kam die Idee zum Film dabei, während er gerade versuchte, das Skript von Nicht auflegen! [2002] an ein Studio zu verkaufen – doch während bei jenem Film der Protagonist ans Telefon gefesselt ist und sich dabei nicht bewegen kann, hat Hauptfigur Ryan hier alle Möglichkeiten der Welt – darf jedoch nur die Verbindung nicht verlieren. Dabei sind Tunnel oder geschlossene Gebäude verständlicherweise sehr hinderlich und gerade aus diesen Szenen zieht der Film sein Unterhaltungspotential – die ansich ernste Grundstory, die auf der DVD auch mit einer Featurette über die Rampart-Division (eine Spezialeinheit der Polizei in Los Angeles, die wegen Korruptionsvorwürfen in einem skandalösen Prozess vor Gericht stand) bedacht wird, mag angesichts des hanebüchenen Auftakts zwar verwundern, wird aber dezent verwoben und erhöht die Spannung im Laufe des Films ungemein, einige Überraschungen inbegriffen, auch wenn ein vermeintlicher Storytwist für Filmfans lange vorher absehbar ist.
Was Autor Chris Morgan wirklich gut gelungen ist, sind seine Figuren, denn während Jessica mit verständlichen und nicht übertriebenen Reaktionen aufwartet, ist es eine Freude, Ryans Einfällen beizuwohnen, mit denen er sich ständig aus der Patsche helfen muss. Das Tüpfelchen auf dem i sind jedoch die Szenen mit dem alternden Cop Mooney, der zwar prinzipiell nicht über das Genreklischee hinaus geht, aber so exzellent verkörpert wird, dass seine Auftritte die Highlights von Cellular darstellen – zusammen mit den realistisch gehaltenen Actionszenen.
So stellt Final Call das Paradebeispiel einer ansich hauchdünnen Story dar, die dank eines witzigen, einfallsreichen und charmanten Skripts stets unterhaltsam bleibt und mit sympathischen Charakteren aufwarten kann.

Doch das simple Skript dementsprechend umzusetzen war Aufgabe der Darsteller, die ihre Rollen zu genießen scheinen und von einer einmal mehr sehr guten Kim Basinger angeführt werden, die der eigentlich kleinen Rolle der Jessica Martin viele Facetten abringt. Ob sie nun in Tränen versucht, ihre Wut zu kontrollieren, sich gegen ihre Angreifer wehrt, oder aber den ahnungslosen Ryan zur Hilfe überreden muss, Basinger gelingt stets eine glaubhafte Verkörperung, die ihre Kollegen ebenfalls zu guten Leistungen anzuspornen scheint.
Der mit seinem jugendlichen Charme auftrumpfende Chris Evans steht dabei zwar sowohl der Hauptdarstellerin, als auch seinem Kollegen William H. Macy nach, macht seine Sache aber wirklich gut und überzeugt in allen Szenen ohne Schwierigkeiten.
Macy macht den Film aber auch für diejenigen sehenswert, die mit der Story selbst nichts anfangen können, denn ihn mit einer grünen Gesichtsmaske, oder (mit seinen immerhin 54 Jahren) actionreif durch die Luft hechten zu sehen, ist eine Freude für die Augen, seine lakonischen und sarkastischen Kommentare (insbesondere sein letzter) so witzig, wie man ihn sich nach ernsten Rollen im Stile von Pleasantville - Zu schön, um wahr zu sein [1998] oder Fargo - Blutiger Schnee [1996] nie hätte vorstellen können; doch auch die ernsten Momente gelingen ihm gut und auch er verleiht seiner Figur bedeutend mehr Tiefe, als man am Drehbuch sehen könnte.
Dies unterscheidet ihn von Darstellern wie Jason Statham, der zwar als Bösewicht wirklich überzeugt und seine Sache überaus gut macht, aber über seine Rolle nicht hinauszuwachsen vermag. Richard Burgi, ansonsten als Hauptdarsteller in B-Actionstreifen zu sehen, ist hier einmal als Unterdrückter gecastet worden, kommt jedoch zu kurz, auch wenn seine Szenen – auch beim Finale – gut gespielt sind.
Für ein Lächeln bei versierten Zuschauern sorgen die Auftritte von Noah Emmerich und Rick Hoffman, die beide nicht übermäßig viel zu tun haben, aber ihren Rollen gerecht werden und zur stimmigen Atmosphäre des Films beitragen, ebenso wie der übrige Cast, der solide besetzt wurde.

Regisseur David R. Ellis, der zuletzt mit dem überaus brutalen Final Destination 2 [2003] in den Kinos zu sehen war, ist im Filmgeschäft kein Neuling; lange Zeit als Stunt-Coordinator zuständig (unter anderem bei Die Stunde der Patrioten [1992] und Gorky Park [1993]), ist er auch immer noch als Second-Unit-Director zuständig (beispielsweise bei Matrix: Reloaded [2003] oder Deep Blue Sea [1998]), hat für das nächste Jahr jedoch zwei eigene Filme geplant.
Was seine Inszenierung auszeichnet sind ausgeklügelte Kameraeinstellungen, eine sehr routinierte und gute Schnittarbeit, so wie eine stete Übersicht bei den Actionszenen. Zeitlupen werden in Cellular kaum eingesetzt, was bei dem Erzähltempo des Films (der innerhalb eines halben Tages spielt) auch nicht ratsam wäre – stattdessen bezieht Ellis die Umgebungen, Straßen und Gebäude stets mit ein, fängt das Geschehen in interessanten Bildern ein und wechselt auch nicht zu schnell oder zu selten zwischen den beiden Hauptfiguren hin und her.
Sehr gut gelungen sind seine actionreichen Verfolgungsjagden und Autorfahrten, die hin und wieder mit speziellen Kameraperspektiven aufwarten, die man unter anderem bei der BMW-Film-Reihe The Hire [2001/2002] zu sehen bekam – dass Final Call trotz seines geringen Budgets von 25 Millionen Dollar aufwändig gefilmt ist, sieht man dem Endergebnis an, und so wirkt Ellis Regie-Arbeit auch deutlich teurer, als sie ist. Ursprünglich hätte dies übrigens das Regiedebut von Produzent Dean Devlin (Stargate [1994], Independence Day [1996]) werden sollen, ehe er sich entschied, doch lieber als Produzent zu fungieren.
Handwerklich gibt es jedenfalls nichts auszusetzen, so dass Cellular zu einem der bestfotografierten und geschnittenen Unterhaltungsfilme der letzten Zeit gezählt werden kann.

Dass trotz einiger gesungener Musikeinlagen ausgerechnet bei Final Call ein ausschließlicher Score auf die CD gepresst wurde, überrascht, auch wenn John Ottmans Soundtrack im Film wirklich sehr gut passt und auch in den richtigen Szenen zur Geltung kommt. Zwar bleibt die Musik nicht lange im Gedächtnis, doch die Melodie, die der Komponist für die Martins schrieb, klingt nicht nur schön, sondern hebt sich auch deutlich von der bedrohlich-agressiven Stimmung des übrigen Scores ab.
Dabei gibt es einige Stücke, die mit der eigenwilligen Instrumentenauswahl und den rhythmisch-angehauchten Themen ein wenig an den verstorbenen Jerry Goldsmith erinnern. Manch andere Tracks kommen Kennern von Ottmans Werken ebenfalls bekannt vor und lassen Erinnerungen an X-Men 2 [2003] aufkommen.
Insgesamt kann man Ottman zu seinem Score nur gratulieren, er wirkt nicht nur stimmig, sondern fügt sich auch exzellent zu den Bildern, ohne negativ aufzufallen, überrascht aber positiv mit einigen einfallreichen Motiven.

Zu behaupten, dass das gezeigte Nokia-Handy der eigentliche Hauptdarsteller wäre, ist sicher übertrieben, und doch wurde selten so geschickt Product-Placement betrieben, wie hier. Dass die Darsteller großteils ihre eigenen Stunts spielten, allen voran Chris Evans, der wochenlanges Fahrtraining über sich ergehen ließ, ist nicht nur löblich, sondern hebt die actionreiche Autoraserei auch sichtlich von filmischen Gurken wie New York Taxi [2004] ab.
Aber auch sonst kann Cellular auf ganzer Linie überzeugen, auch wenn die Story einer genaueren Betrachtung sicher nicht Stand hält. Doch die sympathischen Darsteller, die von einer souveränen Kim Basinger und einem unschlagbaren William H. Macy angeführt werden machen den unkomplizierten Sommerfilm ebenso sehenswert, wie die gekonnte Inszenierung, die nicht nur temporeich geraten ist, sondern mit wirklich spannenden und gut choreografierten Sequenzen aufwarten kann.


Fazit:
Für seine dritte, alleinige Regiearbeit suchte sich Regisseur David R. Ellis sicher kein oscarverdächtiges Script aus, doch eines, das wie kaum ein anderes in letzter Zeit selbige wie im Flug vergehen lässt. Die Ausgangslage ist dabei zwar arg gekünstelt, doch das schmälert den Unterhaltungswert insofern nicht, als dass die Autoren ihre flott erzählte Geschichte mit vielen guten Ideen, gelungene Dialogen und sympathischen Figuren garnieren.
Dank der sehr guten Inszenierung, die sowohl in den bedrohlichen, als auch actionreichen Szenen voll zur Geltung kommt, den charmanten Darstellern genügend Raum gibt, und einem sehr gut aufgelegten Cast – allen voran Macy und Basinger –, mausert sich Final Call zu einem überaus kurzweiligen und amüsanten Actionthriller, der zwar auch sehr ernste Momente hat, sich aber doch nie zu ernst nimmt.