Evil Dead Rise [2023]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. April 2023
Genre: Horror

Originaltitel: Evil Dead Rise
Laufzeit: 97 min.
Produktionsland: Neuseeland / USA / Irland
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 18 Jahren

Regie: Lee Cronin
Musik: Stephen McKeon
Besetzung: Lily Sullivan, Alyssa Sutherland, Gabrielle Echols, Morgan Davies, Nell Fisher, Mia Challis, Tai Wano, Jayden Daniels, Billy Reynolds-McCarthy


Kurzinhalt:

An sich hat Ellie (Alyssa Sutherland) mehr als genug Sorgen, als ihre Schwester Beth (Lily Sullivan) urplötzlich vor der Tür steht. Ellies Mann hat sie und die drei Kinder Bridget (Gabrielle Echols), Danny (Morgan Davies) und Kassie (Nell Fisher) verlassen und als wäre das nicht genug, wird das alte Haus, in dem ihre Wohnung liegt, im nächsten Monat abgerissen, so dass sie eine neue Bleibe brauchen. Nachdem einem schweren Erdbeben entdeckt Danny im Keller ein Loch im Boden, das einen uralten Bereich des Gebäudes freilegt. Dort findet er unter anderem ein altes Buch, das mit Fangzähnen versehen ist und das Bilder voller Grausamkeiten enthält. Auf Schallplatten, die er ebenfalls mitnimmt, entdeckt er eine Aufzeichnung, die 100 Jahre alt ist. Ein Priester berichtet darin vom „Buch der Toten“ und rezitiert einen Spruch, der einen Dämon freisetzt – und der nun einen Horror direkt aus der Hölle über Beth, Ellie und die Kinder bringt …


Kritik:
Der inzwischen fünfte Beitrag im Evil Dead-Franchise beginnt wie Sam Raimis Genre definierender erster Teil Tanz der Teufel [1981] in einer abgeschiedenen Hütte im Wald, in der ein Dämon Besitz einer jungen Frau ergreift. Der Auftakt setzt nicht mehr als den Ton für einen Horrorfilm, der in einer anderen Art von Isolation spielt, einem baufälligen Hochhaus in Los Angeles, das in Kürze abgerissen wird. Evil Dead Rise setzt dabei wie die anderen Teile der Reihe nicht auf Subtilität, sondern auf immens brutalen, grafischen Horror.

Einen Ausblick darauf geben die ersten Minuten, die nicht nur symptomatisch hinsichtlich der Art der dargestellten Gewalt sind, sondern in einer Hinsicht im restlichen Verlauf nicht mehr erreicht werden. Denn dadurch, dass das Publikum zu Beginn buchstäblich ins kalte Wasser geworfen wird, weiß man nicht, weshalb dies den Figuren widerfährt. Die Gewalt ist nicht nur abstoßend, sie ist unerklärlich und daher umso beunruhigender. Wie es dazu kommt, schildert Filmemacher Lee Cronin anschließend, wenn die Sängerin Beth ihre Schwester Ellie und deren drei Kinder in Los Angeles besucht. Obwohl Beth an sich zu Ellie gekommen ist, um selbst Halt zu finden, muss sie feststellen, dass ihre Schwester vor wenigstens ebenso großen Unsicherheiten steht, wie sie. Ellies Mann hat sie verlassen und da sie die Wohnung in Kürze verlieren werden, weiß sie nicht, wo sie mit ihren Kindern Bridget, Danny und Kassie bleiben soll. Als ein Erdbeben die Stadt erschüttert, entdeckt Danny ein Loch, das sich im Boden der Tiefgarage aufgetan hat. Es führt zu einem alten Banktresor und obwohl die Räume mit unzähligen Kruzefixen und Rosenkränzen verhangen sind, nimmt Danny ein Buch und zwei Schallplatten an sich, die er dort unten findet.

Er ahnt nicht, dass es sich dabei um das mit Menschenblut geschriebene „Naturon Demonto“ handelt, ein Buch der schwarzen Magie, das nicht nur Runen und grauenvolle Bilder beinhaltet, sondern das zusammen mit den Sprüchen, die auf den 1923 aufgenommenen Schallplatten enthalten sind, uralte Dämonen heraufbeschwört. Die ergreifen von Ellie Besitz, die fortan Grausamkeiten über Beth, die drei Kinder und die wenigen anderen verbliebenen Bewohner des Hochhauses bringt. Wer bei Evil Dead Rise dem Dämon als erstes zum Opfer fällt, überrascht dabei nicht, immerhin erfährt man von den Nachbarn kaum auch nur die Namen. Unerwartet ist allerdings, wie viele von ihnen es auf einmal betrifft. Filmemacher Cronin ist alles andere als subtil hinsichtlich der Art von Film, die er erzählen möchte und kommt dabei auch ohne Weiteres zum Punkt. Doch es gibt zwei Dinge, die hieran zum Teil auch störend auffallen.

Zum einen der Umstand, dass sich die Gewalt weit überwiegend und auch im Detail gegen Frauen richtet. Zum anderen die Tatsache, dass es sehr lange dauert, ehe Beth überhaupt nur beginnt, Gegenwehr zu zeigen und sich herauskristallisiert, dass die Opfer des grausigen Massakers nicht wie Lämmer zur Schlachtbank geführt werden müssen. Gefühlt die erste Stunde der knappen, dicht gepackten Laufzeit besteht aus Momenten, in denen Beth und die Kinder nur reagieren und sich dabei doch meist nicht nachvollziehbar verhalten. Wenn sie beispielsweise die Tür öffnen, da die mit besessener Stimme sprechende Ellie es ihnen sagt, oder stehen bleiben, anstatt wegzulaufen. Überhaupt ist der Fluchtreflex bei allen Beteiligten erstaunlich schwach ausgeprägt. Nichtsdestotrotz überzeugt Evil Dead Rise als das, was er sein will, auf eine geradezu alptraumhafte Art und Weise.

Nicht nur die optische Präsentation mit ihren so interessanten wie unheilvollen Perspektiven, auch die Ausstattung jenes abrissbereiten Hauses ist beeindruckend getroffen. Ebenso die Masken- und Trickeffekte, die Momente wie aus einem fiebrigen Alptraum widerspiegeln. All das trägt zu einer Stimmung bei, die von der ersten Minute an bedrückend wirkt und dieses Gefühl lässt auch nicht nach, wenn der Abspann zu rollen beginnt. Hinzu kommt, dass die beiden Hauptdarstellerinnen Lily Sullivan und Alyssa Sutherland ebenso wie die jungen Darstellerinnen und Darsteller bemerkenswert spielen. Umso unverständlicher erscheinen mitunter die unnatürlichen Verhaltensweisen der Figuren. Letztendlich ist dies ein zu vernachlässigender Kritikpunkt in Anbetracht dessen, was Evil Dead Rise so eindrucksvoll gelingt. Vorausgesetzt, das erwachsene Publikum hat einen Magen, der stabil genug ist, sich dem zu stellen.


Fazit:
Zelebriert ein Horrorfilm Gewalt lediglich, ohne dass die Identifikationsfigur daraus am Ende stärker hervorgeht, ist dies so abscheulich wie verachtenswert. Bis sich abzeichnet, dass Beth hier eine Entwicklung erfährt und an Stärke gewinnt, dauert es sehr lange, weshalb sich die erste Filmhälfte, ungeachtet des schockierenden Auftakts, schwieriger anfühlt. Dass Kinder und Schwangere hier Ziel oder Opfer der Gewalt werden, macht es nicht einfacher. Doch zeigt Regisseur Lee Cronin nicht (nur) Horror um der Brutalität Willen. Sein Evil Dead Rise ist ein handwerklich perfekt gemachter, toll ausgestatteter und erstklassig inszenierter, immens harter Horrorfilm, der seine Atmosphäre nicht als psychologischen Horror durch das erzeugt, das man nicht sieht, sondern bei dem die Bedrohung durch eine wahnsinnig blutige, gewaltsame Umsetzung erzeugt wird. Hierfür gibt es ein Publikum und dieses wird bestens bedient. Doch über den visuellen Schockwert hinaus, lässt einen der übernatürliche Dämonenhorror, der viele bekannte Elemente aufbereitet, emotional erstaunlich kalt.