Event Horizon - Am Rande des Universums [1997]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 13. Mai 2008
Genre: Science Fiction / Horror
Originaltitel: Event Horizon
Laufzeit: 97 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 1997
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Paul W.S. Anderson
Musik: Michael Kamen, Orbital
Darsteller: Laurence Fishburne, Sam Neill, Kathleen Quinlan, Joely Richardson, Richard T. Jones, Jack Noseworthy, Jason Isaacs, Sean Pertwee, Peter Marinker, Holley Chant, Barclay Wright, Noah Huntley
Kurzinhalt:
Im Jahr 2040 verschwand die Event Horizon, ein experimentelles Forschungsraumschiff mit einem neuartigen Antrieb an Bord, um mit Überlichtgeschwindigkeit zu fliegen, in der Nähe des Neptun spurlos. Nun, sieben Jahre später, empfängt die Erde ein Signal von jenem Schiff, ohne dass danach wieder Kontakt hergestellt werden könnte.
So wird Captain Miller (Laurence Fishburne) vom Bergungsraumschiff Lewis & Clark zusammen mit seiner sechsköpfigen Crew bestehend aus Peters (Kathleen Quinlan), Starck (Joely Richardson), Cooper (Richard T. Jones), Justin (Jack Noseworthy), D.J. (Jason Isaacs) und Smith (Sean Pertwee) losgeschickt, die Lage der Event Horizon und ihrer Crew zu untersuchen. Dabei soll sie Dr. Weir (Sam Neill) unterstützen, der die Event Horizon mit gebaut hat und auch mit ihrem Antrieb vertraut ist.
Doch als die Lewis & Clark bei der scheinbar unbeschädigten Event Horizon eintrifft, findet sie ein Geisterschiff vor, die Crew scheint verschwunden oder brutal ermordet, und schon nach kurzer Zeit plagen seltsame Visionen die Bergungscrew. Nach einem verheerenden Zwischenfall muss gar die gesamte Besatzung auf das Forschungsschiff evakuiert werden, wo jedoch der Luftvorrat in wenigen Stunden knapp werden wird. So bleibt Captain Miller und seiner Crew wenig Zeit, die Lewis & Clark wieder flugtauglich zu machen, und die Event Horizon zu verlassen – doch es hat ganz den Anschein, als würde das Schiff, oder etwas, das es von seiner siebenjährigen Reise mitgebracht hat – nicht zulassen wollen, dass irgendjemand die Event Horizon wieder verlässt ...
Kritik:
Auch wenn die Videospieladaption Mortal Kombat [1995] von der Kritik und den Zuschauern in der Luft zerrissen wurde, war der Film insbesondere in den USA ein großer Erfolg und ebnete dem damals 30jährigen, britischen Filmemacher Paul W.S. Anderson den Weg nach Hollywood. Bis er dort allerdings sein erstes Projekt angehen durfte, verging viel Zeit, und auch wenn Anderson sich bei Event Horizon schon mit der Konzeption beschäftigt hatte, wurde der Film vom Studio erst sehr spät genehmigt – nämlich nur 10 Monate vor Kinostart. In zwei Monaten mussten somit die Kulissen aufgebaut und auch die zahlreichen und aufwändigen Spezialeffekte sollten im Eiltempo fertig gestellt werden.
Nicht nur angesichts dieser Tatsache kann man den Machern zum Endergebnis nur gratulieren, an der Umsetzung des Science Fiction-Horror-Films gibt es nichts zu bemängeln. Die größten Probleme liegen vielmehr wie so oft in der literarischen Vorlage begründet, die ganz offensichtlich (und ohne es verstecken zu wollen) viele Anleihen an bekannte Genrefilme beinhaltet.
Drehbuchautor Philip Eisner, für den dies ebenfalls die erste Hollywood-Arbeit darstellte, bedient sich munter bei Klassikern wie 2001: Odyssee im Weltraum [1968], Solaris [1972], Das Schwarze Loch [1979], Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt [1979], Shining [1980] und vor allem dem Robert Wise-Klassiker Bis das Blut gefriert [1963], wobei Anderson sein hauptsächliches Interesse an dem Projekt damit bekundet, dass er eine Geistergeschichte an Bord eines Raumschiffes erzählen wollte.
Das gelingt in der ersten Filmhälfte auch ganz gut, zumal sich die Story schnell entfaltet und immer wieder (wie bei dieser Art Film üblich) durchblitzen lässt, dass sich hinter der Event Horizon, die gelungen als eine eigener Charakter etabliert wird, weit mehr verbirgt, als ein verlassenes Geisterschiff.
Dass die Figuren dabei gerade einmal das Mindestmaß an Tiefe und Charakter besitzen, damit man als Zuschauer mit ihnen mitfiebern kann, ist schon ärgerlich, denn mit einer längeren Laufzeit und einer längeren Exposition wäre es auch möglich gewesen, zwei oder drei Charaktere weiter auszubauen, ohne die übrigen zu vernachlässigen, anstatt wie nun alle nur ein wenig vorzustellen. Schwerwiegender ist allerdings, dass die Story selbst relativ abrupt einen Knick erfährt, der den überwiegend aus atmosphärischem Aufbau und Erschreck-Momenten bestehenden Film zu einem Fest für Splatterfans werden lässt. Diese plötzliche Wandlung zum Finale hin scheint nicht so recht passen zu wollen, zumal die entscheidenden Fragen nicht beantwortet werden und den Figuren auch keine Möglichkeit gegeben wird, sich gegen die übermächtigen Kräfte, die hier am Werk sind, zu wehren. Interessanter wäre es doch gewesen, wenn sich eine Möglichkeit gefunden hätte, dass sich das Schiff gegen sich selbst wendet – oder zu zeigen, worauf die Event Horizon denn überhaupt aus ist? Darauf, ihre "neue Crew" zu massakrieren kann es ja kaum sein, denn dann hat sie früher oder später wieder keine Seelen an Bord. Die Story deutet immer wieder an, was mit dem Schiff in den sieben Jahren seiner Abwesenheit geschehen ist, ohne es aber wirklich aufzulösen.
So überschlagen sich eine halbe Stunde vor Schluss die Ereignisse, ohne dass man als Zuseher wirklich mitgerissen wäre; der langsame Aufbau der Figuren wird jäh dadurch gestört, dass sie schon das Zeitliche segnen, bevor ihr Hintergrund richtig durchleuchtet wird und ausgerechnet diejenigen am Schluss 'überleben', über die man überhaupt gar nichts erfahren hat.
Die Vorlage bleibt damit trotz der interessanten Ausgangslage weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, wenn sie auch durchweg unterhaltsam gelungen sein mag. Mit einem ausgefeilteren Skript wäre aber definitiv viel mehr möglich gewesen.
Die Darsteller haben dementsprechend nicht allzu viel zu tun, obgleich sie sich merklich Mühe geben, ihren Figuren wenigstens ein wenig Charisma zu verleihen. Am besten gelingt dies wie nicht anders zu erwarten Laurence Fishburne, dem die Rolle des geheimnisvollen, autoritären Vorgesetzten auf den Leib geschrieben scheint. Er brilliert als Kommandant, der mit ansehen muss, wie ihm seine Crew nach und nach genommen wird, ohne dass er etwas dagegen tun könnte.
An seiner Seite mimt mit dem für ihn gewohnten Grad an Improvisation Sam Neill, der allerdings nur in der ersten Filmhälfte zu überzeugen weiß – später spielt er zwar nicht schlecht, doch hat man als Zuschauer jeglichen Bezug zu seinem Charakter verloren.
Kathlen Quinlan macht ihre Sache wirklich gut, wirkt aber unterfordert, ebenso Jason Isaacs, der aber ebenso im Gedächtnis bleibt wie der stark unterforderte Sean Pertwee. Gerade seine Rolle hätte man sich bedeutend größer gewünscht, denn was seine Ausstrahlung angeht, stellt er viele der übrigen Cast-Mitglieder in den Schatten.
Darunter auch Joely Richardson, die zwar überzeugt, aber keine wirklich frischen Akzente zu setzen vermag. Das liegt aber zu einem beträchtlichen Teil daran, dass ihre Figur kaum etwas zu tun bekommt, mitten im Film urplötzlich verschwindet und später nur spärlich auftaucht.
Ähnlich ergeht es Richard T. Jones, der aber die wichtige Aufgabe übernehmen darf, das Publikum zu repräsentieren. So stellt er in der Crew all diejenigen Fragen, die man sich als Zuschauer auch stellt und reagiert mitunter ebenso verwundert und verärgert über manche Entwicklungen auf der Event Horizon. Er spielt wirklich gut, ist aber zu wenig zu sehen und bekommt vor allem keinerlei Hintergrund zugeschrieben.
Eine bemerkenswerte Darstellung zeigt auch Jack Noseworthy, der zwar nur wenig zu sehen ist, aber allein durch seine Mimik und Gestik für Gänsehautstimmung sorgt. Ebenso wie Holley Chant, deren Rolle man sich aber dennoch anders angelegt gewünscht hätte.
Die Besetzung ist namhaft zusammen gestellt und zeigt merklich motiviert, wenn auch unterfordert immer eine routinierte Leistung. Schon dadurch hebt sich Event Horizon von vielen Genrekollegen ab.
Der britische Cinematograph Adrian Biddle war zwar bereits in den 1970er Jahren bei Filmproduktionen vertreten, leitete aber bei Aliens – Die Rückkehr [1986] zum ersten Mal selbst die Kamera; seither war er an zwei Dutzend Produktionen beteiligt, darunter auch James Bond 007 - Die Welt ist nicht genug [1999] und Thelma & Louise [1991], für den er sogar eine Oscarnominierung erhielt. Event Horizon prägte der damals 45jährige mit einer sehr düsteren, klaustrophobischen Optik, die glücklicherweise nichts von Paul Andersons visuellem Kaugummi-Stil bei Mortal Kombat durchscheinen lässt.
Die Bilder fangen die beeindruckenden, großen Sets gekonnt ein und unterstützen auch die Erschreck-Momente überaus effektiv. Dass der eher besonnene Stil der Kameraführung auch bei den Spezialeffekt-Aufnahmen erhalten bleibt, ist lobenswert, und erzeugt gerade durch den gut gelungenen Schnitt von Martin Hunter eine weitaus beunruhigendere Stimmung als viele vergleichbare Produktionen, die stattdessen auf schnelle Szenenwechsel setzen.
Ein Highlight des Films sind zweifelsohne die zahlreichen Spezialeffekt-Aufnahmen, die zugegebenermaßen nicht alle den sehr hohen Standard halten können, den jedoch die meisten Szenen im Film vorgeben. So sind insbesondere die Außenaufnahmen der Event Horizon und der Lewis & Clark schlicht beeindruckend und übertreffen viele Hollywood-Produktionen heutiger Zeit bei weitem. Auch der neunte Star Trek-Film Der Aufstand [1998] wies weit weniger überzeugende Spezialeffekte auf.
Die Modellarbeit ist den Machern dabei ebenso gut gelungen, wie die digitalen Effekte, wie man beim brandgefährlichen Finale beobachten kann. Auch die immens detaillierten Sets, die sich bisweilen ewig hinzuziehen scheinen verschlagen einem als Zuschauer den Atem. Ganz offensichtlich ließen sich die Filmemacher von anderen Genrevertretern beeinflussen und der schmutzigere Look kann diese Parallelen auch nicht überdecken, doch weist gerade die Event Horizon ein ebenso überzeugendes wie fremdartiges Design auf, dessen Herkunft (der Regisseur ließ sich von der Notre-Dame inspirieren) man aber beim besten Willen nicht vermuten würde.
Glücklicherweise jeweils nur sehr kurz zu sehen sind die vielen Maskenarbeiten innerhalb des Films, die gerade beim Finale ihren Höhepunkt erreichen. So ekelhaft das im letztendlichen Film aussehen mag, man kann den Verantwortlichen nur zu ihrer Arbeit gratulieren; die sehr schnell geschnittenen Splatterszenen zum Schluss sind exzellent gemacht und gerade deshalb stellenweise schlichtweg abstoßend.
Einen Großteil der Atmosphäre verdankt Event Horizon der sehr ungewöhnlichen Musik von Michael Kamen, die im Film selbst mit mehreren bestimmten, minimalistischen Motiven aufwarten kann, die jeweils die Event Horizon und die Lewis & Clark begleiten.
Wer jedoch mit viel Glück eines der Exemplare des veröffentlichten Soundtracks sein Eigen nennt, wird feststellen, dass prinzipiell weit mehr Musik der britischen Techno-Band Orbital (bestehend aus den Brüdern Paul und Phil Hartnoll) zu hören ist, die schon den Anfang des Films mit ihren harten Rhythmen einleiten. Der Score ist im Endeffekt eine Mischung der beiden Stilrichtungen, wobei es im ersten Moment etwas seltsam anmutet, Techno mit klassischem Orchester mischen zu wollen. Dies gelingt in Event Horizon aber deswegen so gut, weil sich die Beats im Film mit dem ständigen Hintergrundbrummen der beiden Schiffe vermischen und insofern lediglich für das Tempo verantwortlich sind, aber kaum so auffallen.
Für den Soundtrack an sich bedeutet das aber ein sehr uneinheitliches Klangbild, dem das rare Kunststück gelingt, den Zuhörer mit vollkommen atypischen Klängen in eine sehr verstörende, beunruhigende Stimmung zu versetzen. In einem abgedunkelten Raum mit wenigen Lichtquellen (oder besser noch, geschlossenen Augen) gehört, provoziert der Score ein wahres Kaleidoskop an Bildern vor dem geisten Auge des Zuhörers und erreicht damit weit mehr als viele andere Soundtrack-Alben aus dem Genre. Die Musik von Kamen/Orbital passt im Film ausgezeichnet und macht viel von der Gruselstimmung aus – für sich allein genommen verbirgt sich hinter den Kompositionen und ihrer Zusammenstellung einer der ungewöhnlichsten Gänsehaut-Scores überhaupt, den man erst beim mehrmaligen Hören vollends wertschätzen kann. Dass aber gerade das einprägsame, flotte Thema des Vorspanns nicht enthalten ist, ist für die Käufer mehr als nur ärgerlich.
Für schwache Nerven ist Paul Andersons Film sicherlich nicht gedacht; daraus macht der Regisseur auch gar keinen Hehl, immerhin schlug er das Angebot, X-Men [2000] zu inszenieren aus, um nach Mortal Kombat endlich einen Film für ein erwachsenes Publikum zu drehen.
Die Erschreck-Effekte sind dabei zwar billig im Sinne von wenig einfallsreich (beispielsweise laute Geräusche oder absehbare Schnitte), aber nichtsdestoweniger effektiv. Ein Augenschmaus sind die bemerkenswert detaillierten Sets und die meistens hervorragenden Spezialeffekte, wohingegen die Ekel erregenden Maskenarbeiten ihrem Anspruch voll und ganz gerecht werden. Die ungewohnte musikalische Begleitung macht die alptraumhafte Rettungsmission schließlich bis zu dem Moment perfekt, an dem das Drehbuch jeglichen stimmungsvollen Aufbau der ersten 60 Minuten über Bord wirft und an dessen Stelle ein arg gehetztes Splatterfinale setzt. Wenngleich immer noch erstklassig gemacht verliert der Film damit diejenigen Zuschauer, die in regelmäßigen Abständen zuvor erschrocken sind.
Dass die Figuren und die Story durchweg nie das Niveau von Genreklassikern wie Alien erreichen, fällt ohnehin kaum ins Gewicht, denn dank der einfallsreichen Umsetzung und dem verblüffenden Design unterhält Event Horizon auch, wenn man als Zuschauer nicht wirklich mitdenken muss.
Fazit:
Dass das mit einem beträchtlichen Budget versehene Horror-Werk von Paul Anderson an den Kinokassen unterging, verwundert etwas, immerhin bietet Event Horizon alles, was man von einem solchen Genrefilm erwarten würde. Dank der überwältigenden Kulissen und den nicht minder beeindruckenden Spezialeffekten erzeugen die Macher von Beginn an eine gelungene Atmosphäre und "verwöhnen" den Zuschauer mit gruseligen Bildern und stimmungsvollen Eindrücken eines lebendig gewordenen Alptraums.
Dass das Drehbuch jene Stimmung nicht zu halten vermag, sondern das Finale stattdessen in eine Splatterorgie verkommen lässt, ist zwar bedauerlich, trübt im Rückblick den durchweg hohen Unterhaltungswert aber nur wenig. Die Darsteller sind zweifelsohne zu wenig gefordert, aber immerhin motiviert, und nicht zuletzt auf DVD entfaltet der Film durch eine gelungene Bildschärfe und einen sehr ausgewogenen Surround-Sound sein volles Potential.
Das ist aus auf die Geschichte bezogen zwar nicht ausgeschöpft, empfehlenswert ist Event Horizon für Fans des Genres aber durch seine tadellose Umsetzung dennoch.