Enterprise: "Aufbruch ins Unbekannte" [2001]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 07. März 2003
Genre: Science Fiction

Originaltitel: Enterprise: "Broken Bow"
Laufzeit: 86 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2001
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: James L. Conway
Musik: Dennis McCarthy
Darsteller: Scott Bakula, Jolene Blalock, John Billingsley, Linda Park, Anthony Montgomery, Dominic Keating, Connor Trinneer


Kurzinhalt:
Das Jahr 2151 – es sind 90 Jahre vergangen, seit Zefram Cochrane (James Cromwell) seinen ersten Flug mit Warpgeschwindigkeit meisterte und die Vulkanier auf die Erde aufmerksam gemacht hat. In diesen 90 Jahren haben die Vulkanier die Menschen auf der Erde begleitet, ihnen Wege und Mittel gezeigt, Armut, Krankheiten und Kriege zu beseitigen, und der Welt so eine Ära des Friedens zu schenken.
Zwar betreibt die Menschheit seit einigen Jahrzehnten mit Frachtern Handel mit außerirdischen Spezies, und die Sternenflotte existiert schon seit einiger Zeit, sogar das erste Warp 5-taugliche Raumschiff mit dem Namen Enterprise steht zum Abflug bereit. Doch fast ein Jahrhundert lang haben die Vulkanier die Menschen auf der Erde festgehalten und immer wieder Ausreden gefunden, wieso sie das Weltall noch nicht erforschen sollten, da sie noch nicht dazu bereit seien.
Als jedoch ein klingonisches Raumschiff auf der Erde abstürzt und der Pilot zwei weitere Außerirdische, die der Spezies der Suliban angehören und ihn verfolgen, tötet, ist die Zeit der Menschen gekommen.
Die Vulkanier sind dagegen, dass Captain Archer (Scott Bakula), dessen Vater Henry (Mark Moses) die Enterprise mitentwickelte, den Klingonen Klaang (Tiny Lister, Jr.) auf seine Heimatwelt zurückbringt. Aber Sternenflotten-Admiral Forrest (Vaughn Armstrong) stimmt Archer zu, dass die Menschen endlich auf eigenen Beinen stehen sollten.
Die Enterprise startet unter dem Kommando von Jonathan Archer aus dem Raumdock. Seine Brückencrew umfasst die Vulkanierin T'Pol (Jolene Blalock), die zur Unterstützung und quasi als Aufpasserin dient, den denobulanischen Doktor Phlox (John Billingsley), ebenfalls ein Außerirdischer, Kommunikationsoffizierin Fähnrich Hoshi Sato (Linda Park), den für die Navigation verantwortlichen Fähnrich Travis Mayweather (Anthony Montgomery), den Taktik- und Waffenoffizier Malcolm Reed (Dominic Keating) und Charles Tucker III (Connor Trinneer), den Ingenieur des Schiffes.
Die Reise der Enterprise nach Kronos, dem Heimatplaneten der Klingonen, wird jäh unterbrochen, als die Suliban angreifen und Klaang entführen.
Archer versucht, mit seiner jungen Crew, den Klingonen zurückzuholen, sieht sich allerdings einem völlig unbekannten Universum mit viel mehr Feinden, als Freunden gegenüber.


Kritik:
"Skandal! Star Trek ohne Star Trek im Titel, Transporter, die rein experimentell benutzt werden, ein Universalübersetzer, der nicht vernünftig funktioniert, eine Crew, die deutlich jünger scheint als alle bisherigen, Uniformen mit Hosentaschen (!!), keine Titelhymne mehr, sondern ein gesungenes Lied und Vulkanier, die die Menschen gängeln – und das soll Star Trek sein?"
So lauteten mancherorts Vorwürfe, nachdem 12 Millionen Menschen in den USA den Pilotfilm gesehen hatten. Und anscheinend kennen sich all diejenigen, die laut aufschreien, mit der Materie und dem Star Trek-Universum überhaupt nicht aus, ein Armutszeugnis!

Enterprise schlägt die Brücke zwischen Star Trek: Der erste Kontakt [1996] und Raumschiff Enterprise [1966-1969], und das sehr erfolgreich. Dabei wird die Entstehung des bekannten Star Trek-Universums, mit der Sternenflotte, den verschiedenen Spezies und ihren Beziehungen untereinander portraitiert.
Dass einige Fans rufen, es sei nicht das Star Trek, das sie kennen, ist kein Beweis für das Scheitern der Macher, sondern für ihren Erfolg. Enterprise bietet den Fans die Möglichkeit, die Grundlage für ihre Lieblingsserien entstehen zu sehen und zu erkennen, wie aus unserer Welt diejenige, wie zu Zeiten von Captain Kirk & Co., werden kann. Gleichzeitig bekommen all diejenigen eine Chance, die Star Trek noch nie gesehen haben – sie können nun in chronologisch fast richtiger Reihenfolge miterleben, was Star Trek zu dem Phänomen gemacht hat, das es Mitte der 1990er war.

Der Entschluss, die Serie sogar noch vor der Kirk-Ära spielen zu lassen, war von den Autoren äußerst mutig – viele sagen sogar, tollkühn. Die Zuschauerzahlen beim Pilotfilm waren beachtlich, doch danach ging es leider schnellen Schrittes bergab, sogar unter bisherige Tiefstmarken. Das lag jedoch nicht daran, dass die Episoden schlecht gewesen wären, im Gegenteil: Sogar bei einigen wirklich ausgezeichneten Folgen lag die Zuschauerbeteiligung so niedrig wie nie zuvor.

Es mag sein, dass einige der Langzeitfans angesichts des Zeitrahmens und der gezeigten Technologie, die gegenüber Kirk, Picard, Sisko und Janeway noch in den Kinderschuhen steckt, den Kopf schütteln werden, doch all diejenigen sollten besser zweimal hinsehen, um nicht einige Dinge aus dem Auge zu verlieren.
So wird von vielen Seiten bemängelt, dass die Technik in Enterprise derjenigen in Raumschiff Enterprise schon vom Aussehen her nicht sehr ähneln würde. Aber, mal im Ernst: Was würden die Zuschauer heute sagen, wenn der Arzt die Patienten mit einem Salzstreuer behandeln würde? Vom Aussehen her hat sich sicherlich einiges verändert und scheint nicht 100%ig mit dem Bekannten in Einklang zu liegen. Was die Technologie jedoch bewirkt, beziehungsweise welche technischen Möglichkeiten der Crew zur Verfügung stehen, dahingehend leistet sich Enterprise beinahe keinen Fehler. Für Fans ist das natürlich ein Fest: Den roten Alarm gibt es nicht, Transporter werden nur im Notfall eingesetzt, Schutzschilde sind noch nicht erfunden ... hieraus ergeben sich für die Macher so viele Möglichkeiten und Begrenzungen, dass ihnen die Ideen nicht ausgehen sollten.

Als Hintergrundgeschichte für die Serie haben die Macher den Temporalen Kalten Krieg auserkoren, der ansich bislang die Menschen zu Archers Zeit nicht betroffen hatte. Die Sternenflotte mischt sich erst in den Konflikt ein, als Archer den Klingonen nach Kronos bringt. Worum es beim Temporalen Kalten Krieg geht, ist schwierig zu erzählen, da die Verwicklungen sehr komplex geraten sind.
Es sei allerdings verraten, dass mehrere Fraktionen um die Vorherrschaft im Universum rangeln, darunter auch die Suliban, die Informationen aus der Zukunft bekommen und sich dadurch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil verschaffen. Unter anderem versucht eine temporale Behörde, die die Sternenflotte erst in vielen hundert Jahren ins Leben rufen wird, dem entgegenzuwirken und schickt gelegentlich Mitarbeiter in die Vergangenheit, die darauf achten sollen, dass die Suliban die Zukunft nicht verändern. Die Enterprise gelangt in Aufbruch ins Unbekannte mitten in die Auseinandersetzung und sieht sich damit übermächtigen Gegnern entgegen – immerhin ist es bislang das einzige Schiff der Sternenflotte.
Das Drehbuch von Rick Berman und Brannon Braga versteht es dabei, das Interesse für den Konflikt zwischen den Fraktionen zu wecken, ohne den Fokus auf das erste Schiff der jungen Sternenflotte zu verlieren.
Was sehr gut zur Geltung kommt, ist die Unsicherheit, mit der die Menschen den neuen Situationen und Gefahren gegenübertreten, sie sind die ersten Menschen so weit draußen im All, ohne Hilfe auf Unterstützung, ohne Nachschub in brenzligen Situationen und stetig die Vulkanier im Nacken, die nur auf ein Scheitern der Mission hoffen.
Die Hauptgeschichte wird spannend erzählt, beinhaltet einige Überraschungen und zeigt neben vielen neuen Gesichtern und Darstellern auch interessante Referenzen auf das bisherige Trek-Universum. So hat James Cromwell beispielsweise einen kurzen (Video-)Auftritt als Zefram Cochrane, den er bereits in Der erste Kontakt verkörperte. Auch Vaughn Armstrong war schon etliche Male bei Star Trek zu sehen – interessanterweise nun zum ersten Mal in menschlicher Gestalt.
Ob die Fans (diejenigen, die so laut schreien) allerdings bemerken, dass Commander Williams, Admiral Leonard, und Admiral Forrest nach den drei Hauptdarstellern der Originalserie, William Shatner, Leonard Nimoy und DeForest Kelley, benannt wurden? Selbst der Vulkanier Tos trägt den Namen des offiziellen Kürzels der ersten Star Trek-Serie, TOS (The Original Series).

Aber neben der interessanten Hintergrundstory, die viele Handlungsfäden für kommende Episoden einleitet, sind es vor allem die Hauptcharaktere, die überzeugen können, und das nicht nur vom Schauspielerischen her, denn wovon eine solche Serie natürlich in erster Linie lebt, ist die Crew; und hier ist den Autoren das gelungen, was man lange für unmöglich hielt, eine stimmige Gruppe mit Interaktionen untereinander, Beziehungen und Freundschaften und sogar einem Haustier: Archers Beagle Porthos.
Scott Bakula war für die Rolle des Captains ein wahrer Glücksgriff, auch wenn ihn manche Zuschauer als eine blanke Kopie von William Shatner empfinden. Seine Mimik und Gestik wirkt angepasst, auch wenn sie zu Beginn impulsiv erscheint. Die Tatsache, dass ausgerechnet er mit einer Vulkanierin zusammenarbeiten soll (seiner Meinung nach waren die Vulkanier daran schuld, dass sein Vater den Jungfernflug der Enterprise nicht mehr selbst erleben konnte, da die spitzohrigen Helfer den Start immer wieder verzögerten), bietet nicht nur im Pilotfilm viel Zündstoff. Doch auch er muss lernen, dass die Vulkanier auf der Erde keine leichte Aufgabe hatten, und dass er T'Pols Hilfe öfter benötigt, als ihm lieb ist. Zusammen mit seinem Hund Porthos, ist er ein großer Pluspunkt für die Crew, die nicht übertrieben auf ihn ausgerichtet ist, sich aber an ihm orientiert.
Auch wenn viele Frauen darüber lachen, den meisten Männern nach zu urteilen sind die spitzen Ohren der Vulkanierin T'Pol mit das Faszinierendste und zugleich erotischste Attribut der Darstellerin Jolene Blalock, die sich mit ihrem restlichen Auftreten allerdings nicht verstecken muss. Auf den ersten Blick wurde sie vorrangig auf Grund ihrer Figur für die Rolle ausgewählt – in späteren Folgen wird man allerdings sehen, dass sie auch eine sehr gute Darstellerin ist. Insbesondere im Pilotfilm wirkt ihre "Interpretation" der vulkanischen Frau etwas flachs, zu ausschweifend sind ihre Bewegungen, etwas zu belebt ihre Mimik. Das gibt sich allerdings in den ersten Episoden, ganz abgesehen davon bekommt der Zuschauer später auch erklärt, dass die vulkanische Kultur bei weitem nicht so radikal gegliedert ist, wie man es aus Raumschiff Enterprise gewohnt ist, auch wenn schon jetzt Emotionen zu den "niederen Instinkten" zählen. In der Tat gibt es sogar eine Splittergruppe in den Reihen der Vulkanier, deren Hintergrundgeschichte in der ersten Staffel fortgesponnen wird. Dass die eingefleischten Trek-Fans der Serie zum Vorwurf machen, es würde zuviel auf Sex und Erotik gesetzt (angesichts einiger "Haut"-Szenen in den Episoden und dem offensichtlich engen Kleid von Jolene Blalock kein unbegründeter Vorwurf), ist zwar nicht verwunderlich, dass aber die gleichen Leute bei Jeri Ryan als Seven of Nine in Star Trek - Raumschiff Voyager [1995-2001] sabbernd vor dem Fernseher saßen, da auch ihre offensichtlichsten Attribute als Zuschauerfang benutzt wurden, ist ansich unverständlich. Irgendwie scheinen die Fans nach Gründen zu suchen, nicht mehr einschalten zu müssen.
Als ewiger Optimist präsentiert sich John Billingsley in der Rolle des Doktor Phlox. Ungewohnt ist seine etwas laute und direkte Art, aber auch er spielt seine Rolle sehr gut, wovon man sich in einer der besten Episoden der ersten Staffel, Lieber Doktor, selbst überzeugen kann. Hin und wieder gibt es kleine Infos zu seiner Herkunft, die Denobulaner sind bislang im Star Trek-Universum unbekannt gewesen.
An Linda Park scheiden sich die Geister, auch wenn ihre Rolle als Linguistikexpertin sehr vielversprechend ist. In einer Zeit, in der der Universalübersetzer noch nicht richtig funktioniert, ist es ratsam, jemanden an Bord zu haben, der sich in kürzester Zeit neue Sprachen aneigenen kann und vor allem den Computer darauf zu programmieren vermag, damit er in Zukunft die neue Sprache versteht. Doch an ihrer nörgelnden Ängstlichkeit der ersten Episoden werden viele Zuschauer keine richtige Freude haben. Zu zerbrechlich, zu zurückgezogen erscheint die junge Frau, als dass sie je für eine solche Mission hätte ausgesucht werden dürfen; doch – das sei nicht vergessen – sie wollte ansich zuerst gar nicht mit. Vielmehr noch, sie entspricht in etwa dem Typ Mensch, der zum ersten Mal lange Zeit im Weltraum verbringt, vielen Situationen nicht gewachsen ist und sich erst ihre Sicherheit und Erfahrung erarbeiten muss. In der Tat schafft sie dies sogar und reift innerhalb des ersten Jahres zu einer der sympathischsten Figuren heran. Damit wird sie zur idealen Identifikationsperson für viele Zuschauer.
Nicht ganz so vielversprechend sieht es bei Anthony Montgomery als Fähnrich Mayweather aus, der das Steuer der Enterprise bedient. Er wirkt zwar grundsätzlich intelligent und auch irgendwie sympathisch, doch aus seinem Charakter wird in den ersten 26 Folgen leider nicht viel mehr, als ein Dauerstatist. Ein paar kleine Szenen darf er zwar spielen, aber er bleibt mit Abstand der unscheinbarste der Brückencrew – sollte man sich entscheiden (wie bei bisher allen neuen Trek-Serien), einen Charakter zu ersetzen oder zu streichen, wäre es vermutlich er.
Dominic Keating als Taktikoffizier Reed ist vielleicht zu Beginn nicht sehr sympathisch – obwohl sein englischer Akzent in der Original-Fasszung die Situationen immer wieder auflockert –, aber er entwickelt sich relativ schnell und gut, schließt Freundschaften und sorgt für die einen oder anderen Witze. Er besitzt Potential, das die Autoren hoffentlich in Zukunft nutzen.
Der Sympathiecharakter schlechthin ist allerdings Connor Trinneer als Schiffsingenieur Charles Tucker. Mit vielen witzigen Sprüchen, kuriosen Situationen und seiner unverblümten Redeweise ist er der Mann, den die Autoren für witzige Folgen einspannen, allerdings kann er durchaus auch ernst sein, was man gegen Ende der ersten Staffel öfters zu sehen bekommt.

Was den Machern gelang, ist eine gute Mischung: Ein kritischer, manchmal auch stark emotionaler Captain, der sicherlich in seine Rolle hineinwächst und durch sie geformt wird, eine attraktive aber suspekte Vulkanierin, deren wahren Motive lange Zeit nicht erkennbar sind, ein witziger Doktor, eine schüchterne Kommunikationsoffizierin, ein junger, impulsiver Pilot, ein etwas hitzköpfiger und nicht gerade zimperlicher Waffenspezialist und ein Ingenieur, der jede noch so ernste Situation aufzulockern vermag – da fehlen nur noch die passenden Bösewichte, und die gibt es zuhauf.
Auch wenn es den Langzeitfans irgendwie nicht immer gefällt, die Vulkanier sind nicht die allbeschützenden Freunde, die man aus der ersten Serie kennt. Vielmehr sind sie ein intolerantes, imperialistisches Volk, das seine Ziele mit allen Mitteln erreichen möchte. Worüber sich viele Fans dabei aufregen, ist allerdings unverständlich, immerhin soll die Sternenflotte erst in 130 Jahren so sein, wie man sie von Kirks Zeiten her kennt – sollen sich die Kulturen in dieser Zeit nicht verändern? Die Macher bewiesen mit dem Entschluss viel Mut und entwickeln allein im ersten Jahr die Hintergrundgeschichte mit den Suliban und den Vulkaniern in Richtungen, die man so nicht erwartet hätte.
Die Suliban sind die ersten neuen Gegner der Enterprise, und die Tatsache, dass ihr Name an die Taliban erinnert, ist kein Zufall. Laut den beiden Erfindern der Serie, Berman und Braga, war das beabsichtigt – und sogar vielschichtiger, als man denkt. Bereits im Pilotfilm wird deutlich, dass nicht alle Suliban bösartig oder feindlich eingestellt sind, im Gegenteil. Sie sind den Menschen nicht voraus, sondern liegen auf gleicher Stufe. Doch es gibt eine militärische Organisation der Suliban, der Cabal, in den junge Männer und Frauen rekrutiert werden, die die Befehle aus der Zukunft ausführen sollen. Für ihre Missionen werden sie gen-technisch verändert, sie bekommen durch Operationen die Möglichkeit, in der Nacht zu sehen, an Decken und Wänden zu laufen, oder gar, sich wie ein Chamäleon unsichtbar zu machen. Ihre Geschichte und ihre Kultur werden dabei in der ersten Staffel noch eingehender beleuchtet – hoffentlich behalten die Macher das bei.

Nicht wirklich gut und nicht wirklich böse sind die Andorianer, die "Blaulinge" mit den Antennenfühlern, die bereits aus Raumschiff Enterprise bekannt sind. Mit ihnen bekommt es die Crew der Enterprise ebenfalls in späteren Episoden zu tun und erlebt dabei einige Überraschungen.
Neben einigen neu eingeführten Spezies gibt es natürlich auch noch die Klingonen, die sich zwar noch nicht im Krieg mit den Menschen befinden, ihnen aber trotzdem nicht freundlich gesonnen sind. Hier wird sich im Laufe der Serie wohl noch einiges entwickeln, damit letztendlich die aus TOS bekannte Situation entsteht.
Gastauftritte haben auch noch andere aus den bisherigen Serien bekannte Außerirdische – welche, sei hier nicht verraten, aber die Autoren mussten sich mitunter einiger Tricks bedienen, um die Kontinuität mit den anderen Serien zu wahren. Es ist ihnen alles in allem aber gut gelungen.

Handwerklich gibt es an Broken Bow, so der doppeldeutige und treffendere Originaltitel des Pilotfilms, nichts auszusetzen. Die Kamera ist übersichtlich und in einigen Szenen wirklich innovativ, ebenso der Schnitt. Vor allem ist die Inszenierung sehr "sauber", Schnitzer findet man glücklicherweise keine. Gerade bei den anderen Science Fiction-Serien ist das leider meist nicht der Fall.
Beinahe auf Kinoniveau sind die Spezialeffekte, die deutlich über dem Durchschnitt liegen und viele kleine Details besitzen. Insbesondere das Finale kann hier überzeugen, der Aufwand ist offensichtlich und hat sich auch gelohnt – die Effekte für Aufbruch ins Unbekannte wurden sogar mit einem Emmy, der höchsten amerikanischen Fernsehauszeichnung, prämiert.

Ein wahrer Hingucker ist zweifelsohne das Schiff selbst, die Enterprise NX-01. Sie ist die erste ihrer Art (an dem NX erkennbar), aber weitere Schiffe der Baureihe befinden sich bereits in den Docks und sollen demnächst starten, wenn die Mission von Captain Archer erfolgreich ist.
Das Schiffdesign, gerade in Bezug auf die Brückenarmaturen, ist funktioneller als es bei einem anderen Schiff in Star Trek bisher der Fall war. Vom bloßen Aussehen her könnte man sich vorstellen, dass diese Konsolen und Kontrollen auch in Wirklichkeit funktionieren. Überflüssige Lichter oder Tastenfelder sucht man vergebens – und eben dieser plastische Eindruck vermittelt eine Umgebung, die dem Zuschauer viel vertrauter vorkommt, als die sterilen Räume der Enterprise A, D, E oder der Voyager. Diese Funktionalität, auf die die Set-Designer geachtet haben, spiegelt sich auch im restlichen Schiff wieder; die Gänge und Räume sind länglicher und röhrenförmiger, als es in den späteren Epochen der Sternenflotte der Fall sein wird. In vielerlei Hinsicht erinnert das Aussehen der Konsolen an die erste Star Trek-Serie; hier und dort sind Hebel zu sehen; es müssen richtige Knöpfe gedrückt werden; an vielen Wänden finden sich Kommunikationskonsolen, über die man Personen überall im Schiff rufen kann; T'Pol besitzt ein ähnliches Sensorgerät, wie es bei Mr Spock der Fall war; der Transporter wird über drei synchron-laufende Hebel ein- und ausgeschaltet. Man könnte endlos fortfahren.
Auch die Uniformen und Farben erinnern mit ihrem – allererdings eher dunkel gehaltenen – Retro-Look an die Trek-Serie von 1968; der Zuschauer bekommt wirklich das Gefühl, sich an Bord eines Schiffes zu befinden. Dies liegt zum einen daran, dass das Aussehen der Inneräume etwas an ein U-Boot erinnert – Vieles wirkt eingeengt, beklemmend, als hätten die Konstrukteure so viel wie möglich auf möglichst kleinem Raum unterbringen müssen – zum anderen macht das futuristische Aussehen trotzdem einen natürlichen Eindruck. Hierfür hauptverantwortlich ist die Beleuchtung. In den Gängen und Räumen sind zahlreiche Lichter an der Decke angebracht, die das Geschehen in ein natürliches Licht hüllen. Es wird dabei nicht, wie es bei Raumschiff Enterprise - Das nächste Jahrhundert [1987-1994] der Fall war, jede kleinste Ecke ausgeleuchtet und nirgends wäre ein Schatten zu sehen, das Aussehen wirkt stattdessen allgemein realer, greifbarer – weniger steril. Und eben aus diesem Grund baut man als Zuschauer viel schneller eine Beziehung zu dem Schiff auf, als es in den anderen Serien geschah. Schon nach wenigen Folgen akzeptiert man die Enterprise als einen eigenständigen Charakter, den es in den folgenden Episoden zu entdecken gilt. Und das ermöglichen die Macher in vielen Episoden.

Besondere Erwähnung verdient die Musik von Dennis McCarthy und natürlich der ungewöhnliche Titelsong von Russell Watson. Als eingeschworener Star Trek-Fan seit über 10 Jahren staunte ich nicht schlecht, als das Lied Where My Heart Will Take Me durch die Fernsehlautsprecher schepperte. Ich hatte mit einer Hymne von Jerry Goldsmith gerechnet, aber ein solches Lied, so schien es mir, passte nicht zu Star Trek. Es klang etwas zu süß, zu schnulzig-poppig ... doch nachdem die ersten Kassetten aus der Videothek ausgeliehen waren, empfand ich die Musik überhaupt nicht mehr als störend, ganz im Gegenteil. Nachdem einmal klar war, in welche Richtung die Serie sich entwickeln würde, welche Aussage sie haben würde, passte das Lied (und insbesondere sein Text) sozusagen wie die Faust auf's Auge.
Dass es den Produzenten gelang, die Stimmung und den Tenor der restlichen Serie, bereits vorweg in einem Lied zu finden, ist erstaunlich. All diejenigen, die sich zu Beginn am Titelsong stören, sollten die erste Staffel lieber anschauen und sich danach nochmals zum Thema äußern. Ich bin mir sicher, dass die meisten es dann anders sehen werden. In meinen Augen ist das Lied die beste Einstimmung für Enterprise, die man bekommen kann. Sie fängt das Flair des Aufbruchs, des Unbekannten und auch der neuen Herausforderung, nun auf eigenen Füßen zu stehen, perfekt ein – und ist ein Ohrwurm dazu.
Dennis McCarthy schrieb die Musik für unzählige Star Trek-Episoden von Raumschiff Enterprise - Das nächste Jahrhundert und Star Trek: Deep Space Nine [1993-1999], für Broken Bow gelang ihm ein abwechslungsreicher, teils sehr rhythmischer Score, der neben interessanten schnellen Actionpassagen auch ruhige Minuten findet. McCarthy wechselt sich mit einigen Komponisten bei der Serie ab, die zum Teil außergewöhnlich gute Arbeit leisten.
Im Booklet zur CD von Aufbruch ins Unbekannte schildert McCarthy, dass dies die schwerste Arbeit war, die er je übernahm; nicht auf Grund der Tatsache, dass es sich erneut um eine Star Trek-Serie handelte, sondern weil die Aufnahmen zum zweiten Teil des Pilotfilms am 11. und 12. September 2001 stattfanden. Trotz der schrecklichen Ereignisse mussten sich die Macher auf ihre Arbeit konzentrieren, um einen pünktlichen Abgabetermin einzuhalten – Broken Bow feierte am 26. September 2001 TV-Premiere. Womöglich ist auch das für den Zuschauerrückgang verantwortlich: In einer solchen Zeit wollte das breite Publikum wohl nicht unbedingt eine Science-Fiction-Serie mit gewissem Anspruch und der Kernaussage, offen für neue Kulturen zu sein, sehen. Leider.

Die deutsche Synchronisation ist ein leidiges Thema. Auch wenn Star Trek bislang nicht überragend synchronisiert war, war es zumindest nicht völlig schlecht und die Sprecher beherrschten ihr Handwerk. Dass Scott Bakula seine gewohnte Synchronstimme aus Zurück in die Vergangenheit [1989-1993] besitzt, wird die einheimischen Fans sicherlich freuen. Aber im Vergleich zum Original wirkt der Sprecher viel zu weich, zu quakend und mit viel zu wenig Entschlossenheit in seiner Stimme. Hier hätte man andere Wege gehen sollen.
Doktor Phlox klingt dagegen viel zu rauh, zu langsam, von seinem Optimismus und seiner lebhaften Art ist in der deutschen Fassung nichts geblieben.
Tucker ergeht es ähnlich, seine Stimme klingt völlig ausdruckslos, seine spitzen Kommentare verhallen wie das Echo in einer Gummizelle.
T'Pol ist zweifelsohne eine der größten Enttäuschungen in der Synchronfassung. Arrogant, ausdruckslos, ohne einen Funken Lust an der Arbeit – ansich gehört die Stimme zum Talent eines Schauspielers; in Enterprise bleibt bei Jolene Blalock davon nicht viel übrig, nachdem das deutsche Synchronstudio Hand angelegt hat.
Hoshi Sato piepst im Deutschen unmotiviert vor sich hin, Emotionen sucht man vergeblich.
Auch Reed und Mayweather teilen das Schicksal der ausdruckslosen, langsam gesprochenen Motivationslosigkeit.
Als Zuschauer sehnt man sich (auch wenn man kein Englisch versteht) nach einer Originalfassung mit Untertiteln, und das zurecht. Von Engagement oder Elan ist bei der Übersetzung nichts zu hören. Nicht nur, dass die Stimmen nicht zu den Gesichtern passen, die Sprecher scheinen auch keine Lust gehabt zu haben.
Dass Gaststars wie James Cromwell ihre bekannten Star Trek-Sprecher haben, ist indes eine Wohltat und soll nicht verschwiegen werden.

Enterprise wurde von der ersten Episode an in 16:9 gedreht (auch wenn das High Definitition-Format anfangs Probleme beim Dreh machte), was der Serie und dem Bild deutlich zugute kommt.
Vorbei sind die Zeiten, in denen die Kulissen plastikartig wirken und man das Gefühl nicht loswird, eine Fernsehproduktion zu sehen. Vom Aufwand, der Inszenierung und auch der Qualität von Bild und Ton her, könnten viele Episoden ohne Änderung im Kino laufen.
Unwissenden erscheint das Bild womöglich oben und unten beschnitten, dass ein 16:9-Format aber bedeutend augenschonender und natürlicher ist (immerhin sieht das menschliche Auge fast doppelt so breit wie hoch) und man auf einem 16:9 Fernseher ein schärferes und ausgenutzteres Bild vorfindet, scheinen diejenigen Nörgler allerdings zu vergessen. Pan&Scan bei Gesprächen gehört nun der Vergangenheit an und die Macher verstehen es auch, das neue Bildformat auszureizen.
Immerhin hat Sat.1 angekündigt, die Serie im Original-Bildverhältnis auszustrahlen.

Star Trek setzte schon seit jeher neue Maßstäbe bei der Tontechnik, Enterprise ist dahingehend keine Ausnahme. Mit zahlreiche Nuancen und Facetten wirkt der Ton detailreich und doch nicht überfrachtet. Aufmerksame Lauscher hören sogar einige Geräusche aus der Originalserie, insbesondere auf der Brücke, heraus. Den Technikern kann man nur gratulieren, sie haben ein harmonisches Klangbild erschaffen, das sich perfekt dem Geschehen anpasst, ohne aufdringlich zu sein. Selbst die vielen elektronischen Geräusche für die Schiffskonsolen wirken vertraut (aus den bisherigen Trek-Serien) und doch neuartig.

Die erste Staffel von Enterprise bietet dem wohlgesonnenen Zuschauer grundlegend gute Unterhaltung, auch wenn nicht alle Folgen überzeugen können. Insbesondere die Mythologie-Folgen um die Suliban mit John Fleck als Silik, und auch die Vulkanierstory mit Botschafter Soval (Gary Graham) als Dreh- und Angelpunkt bieten erstklassige und auch intelligente Science Fiction-Stories mit zum Teil sehr guten Actionszenen und tollen Effekten.
Matt Winston wird als Daniels in Erinnerung bleiben und auch Vaughn Armstrong hat als Admiral Forrest einige sehr gute Szenen. Dass Jeffrey Combs, bekannt aus Star Trek: Deep Space Nine als Vorta Weyoun und auch als Ferengi Brunt, in Enterprise als Andorianer eine häufige Gastrolle hat, ist wieder ein Schmankerl für Fans.
Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt, auch wenn sich die Macher in der ersten Staffel der inzwischen fünften Star Trek-Serie keine durch und durch schlechte Episode leisten. Es ist vielmehr, dass zu viele Episoden gut bis durchschnittlich sind, immer wieder gefolgt von einigen ausgezeichneten Folgen. Dieses Mittelmaß, in dem Enterprise zuweilen versinkt, kostet letztendlich auch die Zuschauer. Dafür wird man als Fan allerdings damit belohnt, der Entstehung von Star Trek beizuwohnen, mitzuerleben, wie die Sternenflotte entstand, und eine Crew bei ihren ersten Schritten ins Weltall zu begleiten. Selbstverständlich ist es nicht Star Trek, wie man es kennt, das soll es gar nicht sein! Vielmehr wollen die Macher Wege zeigen, wie aus unserer heutigen Zeit das bekannte Star Trek-Universum entstehen könnte – und das ist ansich schon das Einschalten wert.

Aufgrund der niedrigen Einschaltquoten (auch während des ausgezeichneten Finales der ersten Staffel) gibt es die Befürchtungen der Fans, dass die Serie wohl nicht so lange überleben wird, wie drei Vorgänger (die je sieben Jahre im TV liefen), dabei besitzt Enterprise von allen bisherigen Serien die vielversprechendste Ausgangslage und glänzt mit sehr guten Darstellern, einer interessanten und spannenden Hintergrundgeschichte, und einigen hervorragenden Episoden. Im Vergleich mit den anderen Serien, die jede einen holprigen Start mit einer etwas verkrampften Crew hatte (auch die legendäre – nachwievor unerreichte – Das nächste Jahrhundert -Crew war nicht immer so eingespielt und sympathisch, sondern entwickelte sich erst nach der zweiten Staffel zum Publikumsmagneten), ist die erste Staffel von Enterprise sicherlich die beste im Star Trek-Genre, und auch der Pilotfilm ist bislang der gelungenste aller Serien.

Fans und neue Zuschauer sollten der Serie eine Chance geben, sie besitzt mehr Tiefe, als vieles, was im TV läuft und auch die Charaktere werden in den ersten 26 Folgen genügend vorangetrieben, allen voran T'Pol und Archer.
Diejenigen, die so laut rufen, Enterprise wäre kein Star Trek mehr, sollten sich lieber überlegen, wieso Star Trek sich nicht erst zu dem entwickeln sollte, was man aus den anderen Serien kennt. Aufbruch ins Unbekannte legt gerade den Grundstein für ein einzigartiges und Hoffnung weckendes Universum, dem seit über 30 Jahren viele Millionen Fans auf der Welt angehören wollen. Star Trek stand schon immer für Toleranz und Akzeptanz; dass so viele Fans eben von diesen beiden Eigenschaften keinen Gebrauch machen, und der anderen Herangehensweise an das Thema nicht einmal eine Chance geben, ist einmal mehr ein trauriger Beweis dafür, dass das Wort Fan eben doch von "fanatisch" abzuleiten ist.


Fazit:
Es gibt keinen Anlass, Enterprise in Schutz zu nehmen: Es ist einfach die derzeit beste Science Fiction-Serie im TV. Erwachsener, reifer und anspruchsvoller als alle anderen Konkurrenten, besticht die Serie vor allem handwerklich.
Mit guten Darstellern, ausgezeichneten Spezialeffekten und einer sehr interessanten Hintergrundgeschichte laden die Macher den Zuschauer in ein Universum ein, das noch nicht das bekannte Star Trek ist, aber im Laufe der Serie dazu werden wird. Der Urvater des Franchise, Gene Roddenberry, würde das wohl ebenfalls so sehen.
Es gibt viele Leute, die behaupten, eine neue Star Trek-Serie müsse mehr Anspruch besitzen und müsse philosophischere Fragen aufwerfen, als Enterprise es tut. Dabei sollte Star Trek vor allem eines sein: Unterhaltung. Und gerade hier punktet die fünfte Serie mehr (im Pilotfilm und in der ersten Staffel), als ihre letzten drei Vorgänger, auch wenn es natürlich schwer ist, an die Qualität des grandiosen Nächsten Jahrhunderts (ab Staffel drei) heranzukommen.