Elemental [2023]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. September 2023
Genre: Animationsfilm

Originaltitel: Elemental
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ohne Altersbegrenzung

Regie: Peter Sohn
Musik: Thomas Newman
Stimmen: Leah Lewis (Emilia Schüle), Mamoudou Athie (Jannis Niewöhner), Ronnie del Carmen (Michael Iwannek), Shila Ommi (Britta Steffenhagen), Mason Wertheimer (Cyril Baudier), Wendi McLendon-Covey (Eva Maria Bayerwaltes), Catherine O’Hara (Cathlen Gawlich), Matthew Yang King (Tobias Nath), Joe Pera (Thomas Wenke), Wilma Bonet (Katrin Zimmermann), Ronobir Lahiri (Hans Hohlbein)


Kurzinhalt:

Seit sie sich erinnern kann, will Ember (Leah Lewis / Emilia Schüle) den Laden ihres Vaters Brandolf (Ronnie del Carmen / Michael Iwannek) übernehmen, den er zusammen mit ihrer Mutter Glute (Shila Ommi / Britta Steffenhagen) vor Element City aufgebaut hat, nachdem sie ihre Heimat verlassen mussten. In Element City leben Angehörige aller Elemente zusammen, Feuer – wie Ember und ihre Familie –, Wasser, Erde und Luft. Doch das Zusammenleben ist nicht immer einfach und Ausgrenzung Ember nicht fremd. Als es auf Grund ihres hitzigen Temperaments zu einem Wasserrohrbruch kommt, wird der städtische Mitarbeiter Wade (Mamoudou Athie / Jannis Niewöhner) in den Keller gespült. Seit jeher hatte ihr Vater Ember eingebläut, dass sie sich von Wasserwesen fernhalten soll, und all ihre Vorurteile scheinen sich zu bestätigen, als Wade ihr mitteilt, er müsse seinen Vorgesetzten melden, dass der Laden ohne Genehmigung errichtet wurde. Ihre einzige Möglichkeit, eine Schließung zu vermeiden, ist, dass Ember mit Wade den Ursprung des Wassers in den Rohren herausfindet. Bei ihrer gemeinsamen Suche kommen Ember nicht nur Zweifel an der Aussage ihres Vaters, dass Wasser und Feuer nicht zusammensein können, sondern auch daran, was sie sich für ihre Zukunft überhaupt wünscht …


Kritik:
Pixars Elemental ist ein Film großer Ambitionen einerseits und verpasster Möglichkeiten andererseits. Technisch eindrucksvoll und insbesondere in den letzten Momenten mit viel Herz präsentiert, klingt die eigentliche Geschichte so vertraut wie sie überraschungsarm erzählt wird. Dass zusätzlich zu einer Reise der Figuren hin zu ihren ganz eigenen Träumen und Wünschen auch noch eine Liebesgeschichte eingewoben wird, macht dies in Anbetracht des Umstands, dass kein Aspekt vollends ausgearbeitet ist, nur überfrachteter, aber nicht gehaltvoller.

Hintergrund der Erzählung ist eine Welt, die von den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft bevölkert wird. Die Angehörigen eines jeden Elements verkörpern deren Eigenschaften. Angehörige des Feuers sind meist hitzige Gemüter, solche des Wasser nah an eben jenem gebaut, während Angehörige der Luft aus Wolken bestehen und der Erde grün und bewachsen am ehesten Bäumen ähneln. Sie alle wohnen zwar friedlich miteinander in Element City, bleiben aber jeweils für sich. Insbesondere das Feuer soll außerhalb der Stadtgrenzen bleiben, da es auf Grund seiner Eigenschaft die Existenz der anderen gefährdet. Diese Ausgrenzung hat die junge Ember von klein auf erfahren. Ihre Eltern Brandolf und Glute haben ihre ursprüngliche Heimat schweren Herzens verlassen und sich vor den Toren von Element City ein neues Leben aufgebaut. Um den Laden von Embers Vater hat sich eine Gemeinschaft anderer Feuerelemente gebildet und seit sie klein ist, träumt Ember davon, den Laden eines Tages zu übernehmen. Laut ihrem Vater darf sie dies jedoch erst, wenn sie ihr Temperament unter Kontrolle hat, was ihr in vielen Situationen merklich schwerfällt. Als sie eines Tages entsprechend in Wallung gerät, platzen im Keller Wasserrohre, durch die der städtische Wasserkontrolleur Wade in Embers Leben geschwemmt wird. Da der Laden ohne Genehmigung errichtet wurde, will Wade dies melden, was dazu führt, dass das Lebenswerk von Embers Vater Gefahr läuft, geschlossen zu werden. Die einzige Chance von Ember und Wade ist es, herauszufinden, woher das Wasser in den Rohren kam, um eine mögliche Gefahr für die Siedlung der Feuerelemente abzuwenden.

Dass sich die grundverschiedenen Ember und Wade dabei näher kommen, ist keine Überraschung und auch kein Kritikpunkt. Aber nicht nur wirkt die Art und Weise, wie dies geschieht, arg erzwungen, ihr gemeinsamer Auftrag, den Laden von Embers Vater vor der Schließung zu bewahren, ist nicht mehr als ein Aufhänger der Story, die sich alle 20 Minuten ein neues Ziel sucht. Elemental erscheint inhaltlich episodenhaft, anstatt eine große Geschichte zu präsentieren und im Hintergrund die durchaus faszinierende Welt vorzustellen. Die ist kunterbunt und überaus fantasievoll zum Leben erweckt, aber weder werden die Elemente Erde und Luft wirklich vorgestellt, noch ergibt das Zusammenleben der Elemente insgesamt Sinn. Man will sich gar nicht ausmalen, aus welchen Elementen die Holzscheite bestehen, die Ember und ihr Vater als glühende Kohlen ihrer Kundschaft anbieten. So toll das Design, man hat – im Gegensatz zur Gedankenwelt bei Alles steht Kopf [2015] – nicht den Eindruck, als würde man in eine künstlerisch einnehmende, in sich geschlossene Welt eintreten, deren Zusammenwirken man auch wortlos versteht. Die Umsetzung des Konzept von Filmemacher Peter Sohn ist überzeugender, als das Konzept an sich.

Dass dieser in der Geschichte die Erfahrungen seiner Eltern als Einwanderer in die USA verarbeitet, den Rassismus und die Ausgrenzung, der sich Ember und ihre Familie ebenso gegenübersehen, wie ihr Vater mit eigenen Vorurteilen gegenüber Wade als Angehörigem des Elements Wasser auftritt, ist ein Aspekt, der besser gelungen ist, als die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen den beiden Figuren, die verschiedener kaum sein könnten. Das liegt zu gleichen Teilen daran, dass Ember überwiegend schroff und unnahbar explosiv dargestellt wird, was es nicht leicht macht, sich auf sie einzulassen, während Wade so gut wie gar nicht definiert wird. Zwar stellt Elemental seine Familie vor, die hauptsächlich dazu dient, eine Reihe absehbarer Gags zu präsentieren, über seinen Werdegang, seine Träume und Wünsche erfährt man jedoch nichts. Das ist insofern geradezu ironisch, da er Ember ermutigt, auf ihre wahren Wünsche und Gefühle zu hören. Sie fühlt sich einerseits dadurch unter Druck gesetzt, dass sie den Erwartungen ihres Vaters entsprechen will, wie auch durch die Tatsache, wie viel ihre Eltern aufgegeben haben, um ihr dieses Leben zu ermöglichen.

Worauf ihre Entwicklung hinausläuft, ist lange absehbar, wobei der Erzählstrang um den Laden ihres Vaters lange Zeit in den Hintergrund gerät, um bei einem eilig aufgebauten Finale nochmals wichtig zu werden. Anstatt sich die Zeit zu nehmen, diese Welt und die Figuren mit Leben und Charme zu füllen, bleibt Elemental erstaunlich oberflächlich. Das führt dazu, dass weder Embers persönliche Entscheidungen, noch das Schicksal ihrer Eltern tatsächlich mitreißen. Von Wades Liebesgeständnis ganz zu schweigen. Welches Potential in der Idee steckt, verdeutlichen Momente wie Wades und Embers gemeinsamer Tauchgang oder ihre erste, tatsächliche Berührung. Diese Momente vermittelt eine Emotionalität, die der restlichen Erzählung spürbar fehlt. Die ist zwar bis hin zu den Popsongs im Hintergrund und der eindrucksvollen Optik bis in die letzten Winkel durchdesignt, lässt jedoch Herzlichkeit ebenso sehr vermissen, wie den Mut, die Figuren Schwäche zeigen zu lassen. Das Ergebnis ist so toll anzusehen, wie es inhaltlich gut gemeint ist. In Anbetracht dessen, wodurch sich Pixars Werke bislang ausgezeichnet haben, ist es nur auch ein wenig enttäuschend.


Fazit:
Filmemacher Peter Sohn präsentiert diese fantasievoll zum Leben erweckte Welt, als wäre sie ein Schmelztiegel der unterschiedlichen Elemente, die trotz ihres Zusammenlebens und ihrer Individualität für sich bleiben. Doch aus unerklärlichen Gründen scheint einzig das Feuer über eine eigene Kultur, eine Heimat außerhalb Element City und sogar eine eigene Sprache zu verfügen. Anstatt die Geschichte als Ausgangspunkt zu nehmen, dass auch Ember, wenigstens bei Wade als Wasserwesen, über ihren Horizont hinausblickt, scheint Elemental an der Welt an sich gar nicht wirklich interessiert. Sie ist vielmehr Hintergrund und Möglichkeit, die bekannten Themen der Selbstverwirklichung, des Lebens des eigenen Traums statt der Erwartungen der Eltern und des sich Bewusstwerdens des kulturellen Erbes vorzustellen. Das ist schon deshalb bedauerlich, da die interessanteren Aspekte der Geschichte so nicht erzählt werden, während die Story selbst vollkommen absehbar bleibt. Das Design ist fantastisch und offenbart beim genauen Hinsehen viele Details, die unterstreichen, mit welcher Kreativität die Verantwortlichen zu Werke gingen. So anerkennenswert das für sich genommen ist, es ändert nichts daran, dass einen Embers Reise kaum mitnimmt, geschweige denn berührt. Das mag einem ganz jungen Publikum nicht auffallen, das die Optik in sich aufnimmt, schade es ist es trotzdem.