Einsam zweisam [2019]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. November 2019
Genre: Drama / Komödie / Liebesfilm

Originaltitel: Deux moi
Laufzeit: 110 min.
Produktionsland: Frankreich / Belgien
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Cédric Klapisch
Musik: Loïc Dury, Christophe Minck
Besetzung: François Civil, Ana Girardot, Camille Cottin, François Berléand, Simon Abkarian, Eye Haidara, Rebecca Marder, Pierre Niney


Kurzinhalt:

Mélanie Brunet (Ana Girardot) und Rémy Pelletier (François Civil) sind beide Mitte 20 und leben in Paris – Wohnung an Wohnung in zwei nebeneinander stehenden Häusern. Und beide sind allein. So sehr, dass sie sich einsam fühlen. Ihre Leben haben sich noch nie gekreuzt, obwohl sie oftmals mit der selben U–Bahn fahren, sich beide beim Lebensmittelhändler Mansour (Simon Abkarian) um die Ecke die teuersten Speisen andrehen lassen und beide bei Psychologen in Behandlung sind, so dass sie die andere Person nie überhaupt wahrgenommen hätten. Doch je länger die Zeit fortschreitet und je stärker das Gefühl der Einsamkeit wird, das sei verbindet, umso mehr Gemeinsamkeiten würden sie zusammenbringen. Wenn sie, Dating-Apps und Sozialen Netzwerken zum Trotz, die sie beide aus Verzweiflung ausprobieren, auf einander aufmerksam würden …


Kritik:
Filmemacher Cédric Klapisch erzählt in Einsam zweisam vom Großstadtleben zweier Mittzwanziger, die an demselben Punkt in ihrem Leben angekommen sind. Gleichwohl es verschiedene Gründe hat, äußern sie sich bei beiden auf dieselbe Weise. Doch statt einen Weg aufzuzeigen, wie beide zusammenfinden könnten, beschäftigt sich das Drama mit der Ursachenforschung. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Einblicke in die Tücken moderner Paarbildung sind dabei alle altbekannt und auch wenig originell.

Im Zentrum der Geschichte stehen die wissenschaftliche Labormitarbeiterin Mélanie und der Lagerist Rémy. Sie wohnen Wand an Wand, aber in zwei verschiedenen Gebäuden. Oft fahren sie sogar mit denselben öffentlichen Verkehrsmitteln und gehen die Strecke unmittelbar hintereinander, aber stets so, dass sie sich nicht begegnen. Klapisch spielt mit der Erwartungshaltung des Publikums, dass sich beide doch begegnen müssen, wenn sie in demselben Spezialitätengeschäft einkaufen, wenn der Rauch von Mélanies Zigarette zu Rémy auf den Balkon herübergeweht wird, oder wenn sie die Musik der bzw. des anderen durch die Lüftung hören.
Während Mélanie mit einer wichtigen Präsentation beauftragt wird, von deren Überzeugungskraft nicht nur Fördergelder, sondern womöglich sogar Arbeitsplätze abhängen, sieht sich Rémy beruflich einem Umbruch gegenüber. Ein Großteil der Belegschaft fällt einer Modernisierungsmaßnahme zum Opfer, doch er bekommt einen anderen Posten angeboten. Nach einer Panikattacke in der U–Bahn sucht Rémy einen Psychologen auf, obwohl er sich von dem Termin nicht allzu viel verspricht und den älteren Herrn auch ebenso ratlos wieder verlässt. Mélanie ist ebenfalls in psychologischer Behandlung.

Wenn Mélanies Freundinnen ihr raten, sich mit einer Dating-App nach einem neuen Mann in ihrem Leben umzusehen, hat es beinahe den Anschein, als wolle Regisseur Cédric Klapisch von der verzweifelten Suche nach Nähe in einer Großstadt erzählen, in der schon zu Beginn die Menschen dicht an dicht im öffentlichen Nahverkehr stehen. Tatsächlich ist die Sozialkritik durchaus zu sehen, wenn Mélanie durch das Angebot an frei verfügbaren Männern scrollt, während ihre Freundinnen gleichzeitig Essen bestellen und nach Zutaten und Geschmacksrichtungen fragen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Prinzip von Werbung bzw. Angebot und Nachfrage selbst in die intimsten Sozialstrukturen der Menschen vorgedrungen ist. Doch Einsam zweisam behandelt diesen Aspekt nur beiläufig und auch nicht in dem Maße kritisch, wie andere Dramen.

Stattdessen beschäftigt sich der Film damit, weshalb Rémy und Mélanie so sind, wie sie sind. In langen Rückblenden wird gezeigt, wie Mélanie sich in ihren vorigen Freund verliebte, mit dem sie drei Jahre lang zusammen war und von dem sie inzwischen ein Jahr getrennt ist. Auch wird das Trauma aus ihrer Kindheit behandelt, das sich in dieser Trennung widerspiegelt. Währenddessen zeigt Einsam zweisam bei Rémys ländlichem Familienbesuch zu Weihnachten, dass dort kein Verständnis für seine depressive Phase herrscht. Dass auch deren Ursache in einem Trauma seiner Jugend liegt, überrascht an sich nur durch die Art der traumatischen Erfahrung, als durch die bloße Tatsache – immerhin sind seine Geschichte und die Mélanies nicht nur auf Grund ihrer unmittelbaren Wohnsituation spiegelbildlich. Dagegen wäre auch nichts einzuwenden, wenn das Drama in irgendeiner Art und Weise über das hinauswachsen würde, was andere Filme zuvor bereits gezeigt haben. Doch die Erzählung selbst scheint, von der parallelen Darbietung der Geschichte dieser beiden jungen Menschen abgesehen, die nebeneinander wohnen und deren Leben sich doch nie auf eine Weise berühren, dass sie es bemerken würden, überraschend ziellos.

Die Nebenhandlung um eine kleine Katze, die Rémy bei sich aufnimmt, endet mit einer weit absehbaren Wendung, die am Ende des Films jedoch nirgendwo hinführt. Und wollte Cédric Klapisch in den letzten Einstellungen tatsächlich eine Aussage treffen, dann vielleicht die, dass sich alles fügt, wie der Zufall es beabsichtigt. Das wäre eine legitime Botschaft, wenn die Figuren zuvor nicht mit so wenig persönlichem Einsatz ihr eigenes Glück suchen und aufgeben würden, bevor sie überhaupt richtig gestartet sind. So wie Rémy die ganze Zeit über, weiß auch der Film selbst nicht so recht, was er sein möchte. Diese Unentschlossenheit auf zwei Stunden ausgedehnt, ist am Ende weniger, als erhofft.


Fazit:
Viele Nebenfiguren, die keine wirkliche Rolle spielen oder nicht einmal einen Namen bekommen, unterstreichen ebenso wie die eingangs unpassend elektronische Synthesizer-Musik, die im Laufe des Films durch harmonischere Klänge ausgetauscht wird, die Orientierungslosigkeit der Geschichte. Regisseur Cédric Klapisch schildert nebeneinander zwei parallel geführte Leben. Die sind von den tragenden Akteuren auch charmant verkörpert. Sowohl die nie ganz nahbare aber immer sich nach Nähe sehnende Ana Girardot als auch der geradezu aufdringlich schüchterne François Civil machen ihre Sache hier gut. Doch wie ihre Geschichte am Ende aufgelöst wird, wirkt unfertig und auch den Figuren, denen man ihr Glück gönnen würde, nicht angemessen.
Sagt Rémy beim Besuch auf dem Land über die Vorzüge der Anonymität in der Großstadt, „In Paris ist die Luft weniger rein, dafür kann ich frei atmen“, dann lässt das Drehbuch eine Bedeutsamkeit erkennen, die sich in der Geschichte oder der Entwicklung der Figuren nicht wiederfindet. So gibt Einsam zweisam den bereits bekannten Aussagen keine neuen Impulse und ist ohne wirkliche Zugkraft erzählt. Schade.