DogMan [2023]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 31. September 2023
Genre: DramaOriginaltitel: DogMan
Laufzeit: 113 min.
Produktionsland: Frankreich / USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Luc Besson
Musik: Éric Serra
Besetzung: Caleb Landry, Jojo T. Gibbs, Christopher Denham, Grace Palma, Marisa Berenson, Lincoln Powell, Clemens Schick, Alexander Settineri, Michael Garza
Kurzinhalt:
Als der Lieferwagen von Douglas Munrow (Caleb Landry Jones) bei einer Polizeikontrolle angehalten wird, wissen die Beamten nicht, wie sie den Mann am Steuer einordnen sollen. Gekleidet, als käme er von einer Drag-Show, ist Douglas gelähmt und hat auf der Ladefläche mehr als ein Dutzend Hunde im Gepäck. Er ist verletzt, weshalb er auf die Wache gebracht und die Psychiaterin Dr. Evelyn Decker (Jojo T. Gibbs) hinzugezogen wird. Er erzählt Douglas bereitwillig, was er getan hat, bevor ihn die Polizei aufgriff. Er beginnt in einer traumatischen Kindheit, in der ihn sein Vater (Clemens Schick) misshandelte und ihn in den Hundezwinger hinaus verbannte. Hunde waren ihm stets zugetan und wäre es nicht um sie, säße er nun nicht hier. Doch Douglas ist nicht nur ein Opfer und seine Geschichte eine mit wenigen Höhen und umso abgründigeren Tiefen …
Kritik:
Luc Bessons DogMan ist hinsichtlich der Umsetzung und Atmosphäre dichter an Léon: Der Profi (Director’s Cut) [1994] als an seinen actionorientierten Thrillern. Es ist ein Film, der mehr beobachtet, als erläutert, mit dem Unterschied, dass die Titel gebende Figur im Zentrum nicht schweigsam ist, sondern bereitwillig über ihr Leben erzählt. Weshalb sie das tut, dass dies gewissermaßen eine letzte Beichte in der Hoffnung auf Absolution ist, muss sich das Publikum erschließen. Das erwartet ein immens stark gespieltes Drama der Zwischentöne.
Es beginnt damit, dass eine Polizeisperre auf den am Steuer eines Lieferwagens befindlichen, verletzten Douglas Munrow aufmerksam wird, der, stark geschminkt, Frauenkleider trägt und auf der Ladefläche mehr als ein Dutzend Hunde transportiert. In Gewahrsam genommen, wird die Psychiaterin Dr. Evelyn Decker durch die Polizei hinzugezogen. Sie soll herausbekommen, was geschehen und was für eine Person Douglas ist. In ihren Gesprächen erzählt Douglas Evelyn davon, dass er als Kind in einer von dem gewalttätigen Vater dominierten Familie aufgewachsen ist, der Hunde für Kämpfe gezüchtet und diese hat aushungern lassen. Weil Douglas den Hunden heimlich zu essen gab, wurde er in den Zwinger verbannt und wuchs bei den Hunden auf. Sein Vater ist auch der Grund, weshalb Douglas’ Beine gelähmt sind und er im Rollstuhl sitzt. Seit seiner traumatischen Kindheit hat es ihn zu Hunden gezogen, von denen er sagt, ihre einzige Schwäche sei es, Menschen zu vertrauen. Mit ihrer Hilfe sorgt er auf unkonventionelle Weise für seinen Unterhalt und bietet sogar Schutz vor Gangstern an, was ihn letztlich in eben jenen Verhörraum führt.
Das klingt, als wäre die Geschichte von DogMan vieles gleichzeitig und dem ist auch so. Sie schildert die Entwicklung von Douglas, wie er sich zum ersten Mal verliebte, diese Gefühle jedoch nicht erwidert wurden. Wie er sich an seinem Bruder rächt, der gemeinsame Sache mit seinem Vater machte. Und wie Douglas ein wenig wie ein im Hintergrund operierender, gesetzloser Rächer agiert, um denen zu helfen, die sich nicht selbst helfen können. Man würde erwarten, das Drehbuch von Filmemacher Besson würde sich auf einen Aspekt konzentrieren, aber tatsächlich sind sie nicht mehr als Facetten der Persönlichkeit dieser Figur. Dazu zählt auch, dass Douglas bei einer Dragshow in entsprechenden Rollen meist europäische Liedklassiker singt, was ihm nicht nur die Anerkennung einbringt, die ansonsten meist ausbleibt, sondern ihn in unterschiedliche Rollen schlüpfen lässt, da er sein eigenes Spiegelbild ansonsten nicht erkennen mag. Dass er sich Evelyn öffnet, scheint ungewöhnlich, bis er am Ende selbst dafür eine Erklärung liefert, die wiederum zu der Offenheit zurückführt, mit der sie ihm anfangs begegnet. Dass sie als alleinerziehende Mutter, die mit ihrer eigenen in einem Apartment wohnt und von ihrem gewalttätigen Ehemann geschieden ist, nicht wirklich etwas zu tun bekommt, ist bedauerlich. Das Drehbuch bindet sie nur wenig ein und auch die erzählerische Rahmenhandlung der Gespräche in Douglas’ Zelle, die in dem Sinn zu immer weiteren Rückblenden führen, wird gleich am Anfang durchbrochen, wenn eine Passage aus seiner Kindheit gezeigt wird, ohne dass dies während eines Gesprächs mit Evelyn erfolgen würde.
Zentraler Ankerpunkt der Geschichte ist Douglas und seine Entwicklung vom Opfer zu Beginn zum Täter im späteren Verlauf. Dabei wertet DogMan nicht, entkoppelt seine Pein als Kind von seinen späteren Taten und überlässt es dem Publikum, zu ergründen, ob man Douglas dafür verurteilen sollte. Inhaltlich ist das weit weniger anspruchsvoll, als man vermuten würde und auch auf Grund der Tatsache, dass sich Douglas für ein Dasein als Gesetzloser hinter einer Maske entscheidet, er für seine Taten seine Hunde heranzieht, denen er William Shakespeare vorliest und die jedes Wort, sogar jede Geste und jeden Blick von ihm verstehen, besitzt die Story einen merklichen B-Film-Charme. Doch das ist nicht negativ gemeint, denn die Charakterisierung im Zentrum ist so überragend wie ergreifend zum Leben erweckt. In der Rolle des jungen Douglas vermittelt Lincoln Powell packend, wie es Douglas in einem terrorisierenden Umfeld ergangen ist, während Caleb Landry Jones’ Auftritt das Publikum mit einer unvorhergesehenen Wucht erfasst. Er bringt die wenigen Momenten der Zufriedenheit und des Glücks ebenso zum Ausdruck, wie seine Verzweiflung und eine geradezu animalische Wut auf die Welt selbst. Jeder Moment hieran ist eines Oscars würdig. Das mag ein wenig an Heath Ledgers Darstellung des Jokers in The Dark Knight [2008] erinnern, wirkt aber nichtsdestoweniger nach und macht DogMan schon deshalb sehenswert.
Fazit:
Nach dem ersten Drittel entwickelt sich die Story in andere Richtungen, als man es erwarten würde und tatsächlich könnte der Film davon profitieren, würde er sich stärker auf Douglas’ Taten als gesetzloser Rächer für das Gute konzentrieren. Jedoch gelingt es Filmemacher Luc Besson damit, ein umfassenderes Bild einer Persönlichkeit zu zeichnen, die sich nicht an die Regeln der Gesellschaft der Menschen gebunden fühlt, da sie nicht Teil von deren Gemeinschaft ist. Douglas hat sich eine eigene Gesellschaft, eine Familie, aufgebaut, mit den einzigen Wesen an seiner Seite, die ihn nie enttäuscht haben. Seine Hunde sind die heimlichen Stars, Caleb Landry Jones hingegen zeigt eine Tour de Force, die sich förmlich einbrennt. DogMan erzählt eine Geschichte mit einem Opfer im Zentrum, aber keinem Helden. Selbst wenn seine Taten nicht ausdrücklich verurteilt werden, ist er doch verantwortlich für Verbrechen, die er mitunter selbst provoziert. Hieraus eine Botschaft abzuleiten, ist schwierig, aber auch gar nicht notwendig. Es ist ein durchaus packender Film, wie der Hauptcharakter in der Erzählung fehlerbehaftet, werden doch nicht alle Aspekte ausgearbeitet oder weiterverfolgt. Doch das heißt nicht, dass man sich nicht mitreißen lassen könnte, und wenn die Hunde in Aktion zu sehen sind, empfindet man teilweise eine gewisse Genugtuung. Es ist die eigene Reaktion auf Douglas’ Geschichte – so wie er auch eine Reaktion darauf ist. In die kann man sich trotz der abstrakten Ausgangsidee doch mehr hineinversetzen, als es auf den ersten Blick scheint.