Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil 1 [2014]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. März 2015
Genre: Science Fiction / Unterhaltung / Action

Originaltitel: The Hunger Games: Mockingjay - Part 1
Laufzeit: 123 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2014
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Francis Lawrence
Musik: James Newton Howard
Darsteller: Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Liam Hemsworth, Woody Harrelson, Donald Sutherland, Philip Seymour Hoffman, Julianne Moore, Willow Shields, Sam Claflin, Elizabeth Banks, Mahershala Ali, Jena Malone, Jeffrey Wright, Paula Malcomson, Stanley Tucci, Natalie Dormer


Kurzinhalt:

Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) befindet sich in Distrikt 13 in Sicherheit. Auf Anraten von Plutarch Heavensbee (Philip Seymour Hoffman) will Präsidentin Alma Coin (Julianne Moore) des Distrikts sie als Aushängeschild des "Spotttölpels" für die Revolution gegen das Kapitol gewinnen. Durch Katniss' Berühmtheit hoffen sie, die Distrikte gegen die Unterdrücker vereinen zu können. Katniss knüpft ihre Beteiligung an die Bedingung, dass Peeta (Josh Hutcherson) aus den Händen des Kapitols befreit wird. Das klingt einfacher als gedacht, denn Präsident Snow (Donald Sutherland) vom Kapitol geht währenddessen mit aller Härte gegen alle vor, die den Spotttölpel unterstützen ...


Kritik:
Mit Mockingjay präsentiert Regisseur Francis Lawrence den dritten Teil der Jugendbuchreihe Die Tribute von Panem. Dass der Abschluss wie heute üblich auf zwei Teile ausgedehnt wird, ist nichts weniger als der Profitgier des Studios geschuldet und so wundert es nicht, dass Teil 1 des Finales durch und durch alle Merkmale eines Lückenfüllers mit sich bringt. Wie wenig Mühe sich alle Beteiligten dabei geben, das zu kaschieren, ist die eigentliche und einzige Überraschung.

Am Ende von Die Tribute von Panem – Catching Fire [2013] wurde Katniss Everdeen aus der Arena der Hungerspiele gerettet. Ihr wurde mitgeteilt, dass dies Teil eines lange vorbereiteten Plans der Rebellen im zerstört geglaubten Distrikt 13 war, die eine Revolution gegen das Kapitol planen. Weite Teile von Mockingjay spielen im unterirdisch angelegten Distrikt 13, dessen Oberfläche die Filmemacher trotz mehrerer Starts und Landungen eines Hovercrafts nie zeigen.
Kenner der vorigen Filme werden sich erinnern, dass jeder Distrikt einer speziellen Tätigkeit für das Kapitol nachkommt, beispielsweise Bergbau oder Försterei. Was Distrikt 13 ausmachte, erfährt man nicht, die zahlreichen Bewohner laufen zwar ständig durch das Bild, was sie aber tun, darüber schweigt sich der Film aus. Es ist nicht, als würde diese Gesellschaft existieren und der Film mit Katniss einen Blick darauf werfen, sondern vielmehr, als würden Statisten angewiesen, auf Kommando vor der Kamera herumzulaufen.

Die berühmte Katniss soll das Gesicht der Revolution für die Menschen in den anderen Distrikten, ihre Gallionsfigur werden. Wer diesen Kurswechsel am Ende des zweiten Films abrupt fand, muss sich darauf einstellen, dass die Geschichte in der Art und Weise weitererzählt wird. Die Weitsicht, Gerüchte über das Überleben von Distrikt 13 im ersten Teil einzustreuen, besaßen die Autoren leider nicht. Wie schon bei den Hungerspielen, weigert sich Katniss auch hier, ihre Rolle anzunehmen, wobei sie ihre Einstellung glücklicherweise rasch ändert.

Die Hoffnung, dass Mockingjay: Teil 1 den Aufstand der Distrikte gegenüber dem Kapitol zeigt, währt nicht lange. Stattdessen reist Katniss in die zerstörten Gebiete, fürchtet um den vom Kapitol gefangengenommenen Peeta (ob sie ihn oder Gale liebt, weiß sie immer noch nicht) und muss sich verstecken, statt kämpfen.
Die Kampfstärke des Kapitols, von der immer wieder geredet wird, zeigt Regisseur Lawrence ebenfalls nicht. Man bekommt zwar Ruinen zu sehen, die "Flotte" besteht jedoch hier nur aus zwei Kampfbombern. Überhaupt vermittelt der Film den Eindruck, als bestünde das ganze Kapitol nur aus drei Personen: Präsident Snow, Showmaster Flickerman, der den gehirngewaschenen Peeta inszeniert, und einem gesichtslosen Soldaten in einem weißen Kampfanzug, der beliebig oft kopiert werden kann. Nach wie vor macht das Panem-Universum einen unvollständigen Eindruck und denkt man darüber nach, ergibt das meiste schlicht keinen Sinn.

Dies beginnt bereits damit, welchen Vorteil das Kapitol daraus ziehen soll, einen Distrikt vollständig dem Erdboden gleichzumachen, immerhin bleiben dann die von ihm geförderten Ressourcen aus.
Man denke an die Szene, in der die Rebellen eine Mitteilung in das Kapitol senden, obwohl dort der Strom nach einem Anschlag ausgefallen ist. Wie sollte also jemand die Übertragung sehen können?
In einer anderen Szene werden Waldarbeiter von "Friedenswächtern" des Kapitols zur Arbeit geführt. Auf Kommando lassen die aufständischen Arbeiter Schaufeln und Äxten fallen, preschen nach vorn und klettern Bäume hoch, während die Soldaten das Feuer eröffnen. Wieso sie sich nicht einfach umdrehen und mit den Spitzhacken auf die Soldaten einschlagen, verstehe wer will.
Mockingjay ist voll von Momenten, die sich gut in einer Filmvorschau vermarkten lassen, um das Interesse beim Publikum zu wecken, gleichzeitig aber inhaltlich absurd oder unnötig sind. Die Gewalt wird nicht gezeigt, selbst Katniss' Besuch eines Lazaretts kommt ohne wirklich verwundete Statisten aus, stattdessen zeigen die Filmemacher blutige Laken. Auch ergeben die Reaktionen mitunter keinen Sinn: So jubelt Distrikt 13 nach einem Werbespot mit Katniss für die Revolution, obwohl im Hintergrund kurz zuvor hunderte Menschen getötet wurden. Nach Jubelschreien sollte einem da nicht zumute sein.

Dass der Film seine Zuschauer außerdem um die wenigen Actionmomente bringt, ist der eigentliche Skandal. So sieht man im einzigen brandgefährlichen Moment, in dem Katniss als Markenzeichen ihren Bogen abfeuern darf, einen schwankenden Turm, doch dann folgt die Kamera den Beteiligten, der Einsturz ist nur zu hören und das Ausmaß wird später gezeigt. Auch wird ein Luftbombardement nur durch dumpfes Grollen und rieselnden Staub der Decke angedeutet, keine einzige (!) Einstellung zeigt das wirkliche Geschehen von oben.

Es ist, als wollten die Macher die eigentliche Revolution ausschließlich auf den kommenden zweiten Teil verschieben. Schon ganz am Anfang wird schnell klar, dass von dem Bewegungsimpuls, der Aufbruchsstimmung des Endes des zweiten Teils, nichts übrig geblieben ist. Mit der Verlagerung des Hauptaspekts von den Spielen zur Revolution stellt der Film ohnehin einen inhaltlichen Neustart im Vergleich zu den Vorgängern dar. Doch statt des Umschwungs präsentiert Mockingjay das Vorgeplänkel mit Katniss, die Werbevideos für den Aufstand in anderen Distrikten filmt. Das klingt stark nach Etikettenschwindel, aber so ist dies bei Füllmaterial meistens.


Fazit:
In Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil 1 geben sich zahlreiche bekannte Darsteller die Klinke in die Hand. Keiner von ihnen ist über die Maßen gefordert oder engagiert. Jennifer Lawrence ist als die im Liebesgefühlschaos versunkene, mit ihrem Schicksal immer noch hadernde Katniss sichtlich unterfordert und Katniss selbst erstaunlich uncharismatisch. Weshalb der sofort in Hysterie ausbrechenden jungen Frau jemand in die Schlacht folgen sollte, macht der Film nicht deutlich. Nicht in einem Moment findet sie eine innere Stärke. Nicht einmal, als ihr die wichtigsten Männer in ihrem Leben genommen werden.
Handwerklich nicht überraschend und mit sichtbaren Spezialeffekten umgesetzt, verlängert Mockingjay ganz offensichtlich die Wartezeit auf die bereits im ersten Film der Hungerspiele befürchtete Revolution um zwei Stunden. Das auf so langatmige Art und Weise, dass es bedeutend länger erscheint. Es bleibt das Gefühl, dass die Geschichte, die einem versprochen wurde, hier gar nicht erzählt wird und auch der Cliffhanger am Ende ist so fade, dass einem die Auflösung beinahe schon egal ist.