Die Höllenfahrt der Poseidon [1972]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 20. März 2008
Genre: Drama / UnterhaltungOriginaltitel: The Poseidon Adventure
Laufzeit: 110 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1972
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Ronald Neame
Musik: John Williams, Joel Hirschhorn, Al Kasha
Darsteller: Gene Hackman, Ernest Borgnine, Red Buttons, Carol Lynley, Roddy McDowall, Stella Stevens, Shelley Winters, Jack Albertson, Pamela Sue Martin, Arthur O'Connell, Eric Shea, Leslie Nielsen
Kurzinhalt:
Auf ihrem Weg nach Europa vergnügt sich die Besatzung der S.S. Poseidon am Neujahrsabend unter Deck, als durch ein Seebeben ausgelöst eine riesige Flutwelle das Schiff erreicht. Der Naturgewalt ist das Schiff nicht gewachsen und kentert.
Im Ballsaal eingeschlossen entschließt sich der rebellische Priester Frank Scott (Gene Hackman), so viele Überlebende wie möglich aus dem Schiffsrumpf zu befreien. Doch der Großteil der Menschen folgt ihm nicht, so macht er sich mit den neun Seelen auf den Weg in den Maschinenraum, der nun noch über Wasser liegt. Doch während sich Scott im Schiff weiter vor arbeitet zweifelt der Polizist Rogo (Ernest Borgnine) seine Vorgehensweise an und auch die beiden Furcht erfüllten Kinder Susan (Pamela Sue Martin) und Robin Shelby (Eric Shea) bereiten dem Priester sorgen.
Dass Wasser bahnt sich unaufhaltsam seinen Weg durch die weiter unten gelegenen Teile des Schiffes, während die Gruppe Überlebender mit aller Kraft weiter kämpft. Doch Explosionen im Schiff, die die einzelnen Bereiche erschüttern, sowie unpassierbare Wege und Zwischenfälle dezimieren die Gruppe und lassen die Hoffnung auf eine rechtzeitige Rettung schwinden ...
Kritik:
Katastrophenfilme sind seit jeher eine Größe im Kino gewesen – man könnte dabei beinahe sagen, dass sie die klassischen Monsterfilme in den 1960er und 70er Jahren abgelöst haben, um die Zuschauer mit einer realistischeren Geschichte das Fürchten zu lehren. Dabei lassen sich selbst Katastrophenfilme in Unterkategorien einteilen: Am bekanntesten sind zweifelsohne Erdbebenfilme (Erdbeben [1974]), gefolgt von den unzähligen Varianten bei Flugzeugkatastrophen (Airport [1970]). Auch die Schiffskatastrophen gehören zu festen Größen, die bekannteste und tragischste ist dabei sicherlich Der Untergang der Titanic [1953] und die bekannte Neuinterpretation des Themas Titanic [1997]. Seinerzeit ein Meilenstein des Genres war Die Höllenfahrt der Poseidon, im Deutschen auch unter dem Titel Poseidon Inferno bekannt. Basierend auf dem eher weniger beachteten Roman von Paul Gallico aus dem Jahr 1969, spielte die mit geschätzten fünf Millionen Dollar teure Produktion über 80 Millionen allein in den USA wieder ein – für den Verleih waren es später nochmals 40.
So verwundert es nicht, dass wenig später mit Jagd auf die Poseidon [1979] ein inoffizieller Nachfolger mit stark abgewandelter Story produziert wurde, der inhaltlich aber nicht konkurrieren konnte. Dieses Jahr folgt nicht eine TV-Umsetzung des Stoffes und für das kommende ist bereits ein Remake im großen Hollywood-Stil angekündigt. Dass man den immerhin 30 Jahre alten Klassiker aber noch lange nicht einmotten muss beweisen die gelungene Dramaturgie, die ordentlichen Spezialeffekte und die geradlinige aber nicht zu kitschige Story, die durchaus einige Überraschungen bereithält, ohne dabei Genreklischees auszuwalzen.
Verantwortlich für die Buchadaption waren die beiden Autoren Wendell Mayes und Stirling Silliphant, beide im Filmgeschäft keine unbekannten Figuren; Silliphant war unter anderem für das Skript zu In der Hitze der Nacht [1967] verantwortlich und schrieb später an Flammendes Inferno [1974] mit, während Mayes unter anderem an Anatomie eines Mordes [1959] und Duell im Atlantik [1957] mitschrieb.
Für Die Höllenfahrt der Poseidon folgten sie dabei dem bereits etablierten und später noch verstärkt zum Einsatz kommenden Schema, in dem zuerst eine Gruppe von Leuten vorgestellt wird, die vor der Katastrophe ihre ganz normalen Probleme zu bewältigen haben. Sobald das Unglück geschehen ist, macht sich diese eine Gruppe dann auf, der unsicheren Rettung entgegen zu eilen – und das meist genau entgegen der Richtung, in der der Großteil der Überlebenden läuft. Während die Crewmitglieder hier jedoch ihren mühsamen Aufstieg in die Unterdecks beginnen und dabei vor allem mit den ständigen Explosionen im Schiffsinnern und der Tatsache zu kämpfen haben, dass das gesamte Innenleben des Luxusdampfers urplötzlich auf den Kopf gestellt ist, haben sich die Autoren nicht nur einige interessante Dialoge einfallen lassen, die die verschiedenen Figuren sehr gut charakterisieren, sie gingen auch recht unkonventionell damit um, wer denn das Tageslicht letztendlich noch erblicken wird, und wer nicht. Dies ist dabei bei weitem nicht in dem Maße vorhersehbar, wie es in anderen Filmen der Art zu beobachten ist. Die Sequenz, in der der Priester von Mrs. Rosen unter Wasser befreit werden muss, war im Skript dabei genau umgekehrt gedacht, bis Gene Hackman anmerkte, dass sein Charakter niemals von einer der Überlebenden verlangt hätte, dass sie oder er zuerst den Tauchgang unternehmen würde – die Szene wurde umgeschrieben und auch anschließend nach Hackmans Vorstellung gedreht.
So zieht der Film seine Spannung hauptsächlich aus dem sich anbahnenden Konflikt zweier Figuren – Pater Scott und Polizist Rogo – und der Tatsache, dass die Überlebenden ständig auf der Flucht vor dem stetig steigenden Wasser sind. Dass Die Höllenfahrt der Poseidon dabei einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Genre hatte sieht man schon daran, dass unzählige Filme Szenen entweder direkt übernommen (heutzutage wird dies ja als Hommage bezeichnet) haben, oder aber stark ähnelnde Sequenzen eingebaut haben. Die beiden bekanntesten sind dabei sicherlich Daylight [1996] und Deep Blue Sea [1999], bei denen die Referenzen vermutlich beabsichtigt waren.
So überzeugt die Vorlage dank der recht natürlichen Dialoge, der unterschiedlichen Charaktere und der interessanten Settings, die den Zuschauer durch Bereiche im Schiff führen, die man in der Lage nicht nicht gesehen hat. Das Finale hätte zwar etwas mehr abgegrenzt werden können und auch etwas packender ausfallen dürfen, alles in allem stimmt jedoch die Dramaturgie, was man vielen Filmen jener Zeit nicht zugute halten kann.
Was Katastrophenfilme seit jeher anziehen ist ein Starensemble, das man kaum gemeinsam für einen Film vor die Kamera zu hoffen glaubte; in diesem Fall mimt Gene Hackman den sympathischen, rebellischen Priester und führt die Gruppe Überlebender auch solide durch die Szenerie. Charismatisch wie gewohnt und für seine damals immerhin 42 Jahre sehr agil gibt sich der Star aus French Connection - Brennpunkt Brooklyn [1971] für diese Art Film sehr emotional und bringt sowohl die Stärken, als auch die Schwächen seiner Figur gut zum Ausdruck. Er trägt den Film solide und ermöglicht den übrigen Darstellern, sich ebenfalls zu entfalten.
Allen voran Ernest Borgnine, der immerhin dreizehn Jahre älter als sein Schauspielkollege Hackman ist. Als ruppiger Polizist scheint er in seinem Moment und bringt die witzigen Szenen zu Beginn, sowie die ernsten Momente im Laufe des Films zur Geltung. Im Vergleich zum kultigen Das Schwarze Loch [1979] zeigt er sich hier deutlich natürlicher und beweist, dass er wirklich spielen kann, wenn er denn eine dementsprechende Vorlage geliefert bekommt.
Red Buttons, der für seine Rolle in Sayonara [1957] mit dem Oscar als bester Nebendarsteller ausgezeichnet wurde, mimt seine Rolle routiniert und mit einigen wirklich tief gehenden Szenen, die seiner Figur trotz der geringen Zeit auf der Leinwand einiges an Tiefe verleihen. Carol Lynley bleibt zwar schauspielerisch sehr flach, was vor allem auf die Vorlage zurück zu führen ist, die sie in dieselbe Schublade steckt, wie kleinere Frauenrollen in Katastrophenfilmen leider häufig zu sehen sind, doch ärgerlich ist ihre Darbietung bei weitem nicht, dafür aber zu oberflächlich und eindimensional.
Roddy McDowall, bekannt geworden durch seine Darbietung in den Planet der Affen [1968]-Filmen, hat hier nur eine kleine Rolle zu füllen und fällt auch darin nicht weiter auf – der Darsteller verstarb im Herbst 1998 an Lungenkrebs.
Stella Stevens verkörpert hier eine überaus feurige und temperamentvolle Rolle, die ihr auch gut steht und in der sie voll zur Geltung kommt – ebenso wie Shelley Winters. Die Oscarpreisträgerin, die ihre Trophäe für Das Tagebuch der Anne Frank [1959] dem Anne-Frank-Museum spendete, wohnte zu Beginn ihrer Zeit in Hollywood mit Marilyn Monroe zusammen und gibt hier eine überzeugende, einfühlsame und sympathische Vorstellung, in der sie auch Mut zur Selbstironie beweist. Für die Rolle nahm sie beinahe 20 Kilogramm zu und trainierte mit einem Coach des Olympischen Schwimmteams, um ihre Szenen realistischer umsetzen zu können. Ihr Filmgatte Jack Albertson verstarb leider zehn Jahre nach den Dreharbeiten, feierte aber schon vor der Poseidon seinen größten Erfolg mit dem in Deutschland nie veröffentlichten Charakterdrama The Subject Was Roses [1968], für das er sogar den Oscar erhielt.
Eine solide Darbietung liefern außerdem Arthur O'Connell und die beiden Kinddarsteller Pamela Sue Martin und Eric Shea, die alle ihren Rollen gerecht werden, aber bis auf O'Connell keine bewegenden Leistungen erbringen müssen. Gelungen ist dabei auch der Kurzauftritt von Leslie Nielsen, bei dem es angesichts seiner folgenden Karriere als Ulknudel kaum vorstellbar ist, dass er wie hier oder in Nuts - Durchgedreht [1987] auch einmal ernste Rollen verkörperte – die ihm zudem deutlich besser standen.
Das Ensemble besteht aus zahlreichen Preisträgern und Legenden der Leinwand aus der Blütezeit des Films in den 50er und 60er Jahren, die beinahe alle zum Zug kommen und zum passenden Ambiente beitragen.
Bei der Inszenierung fällt vor allem der ruhige, überlegte Stil auf, der die Szenerie in düstere, eindrucksvoll und bisweilen schon klaustrophobisch-erdrückende Bilder kleidet. Für Kameramann Harold E. Stine war es die letzte Beteiligung an einem Hollywoodfilm, er verstarb wenige Jahre später. Cutter Harold F. Kress war wenig später an Flammendes Inferno dabei und konnte dafür auch den Oscar mit nach Hause nehmen. Für seine Arbeit hier war er zusammen mit dem Kameramann auch nominiert – zurecht. Die surreal anmutenden Sets werden gekonnt eingefangen und sind allzeit überzeugend realistisch ausgeleuchtet.
Zudem verfrachtet Regisseur Ronald Neame die Zuschauer direkt an die Seite der Figuren, lässt sie über wackelige Brücken gehen, durch Flammen und Wassermassen waten und fängt auch das Kentern des Schiffsinnern überzeugend ein.
Handwerklich gibt es hier nichts bemängeln, dass die Spezialeffekte großteils per Modell realisiert wurden ist zwar meist offensichtlich, doch diese Einstellungen sind trotz allem sehr gut geraten die spezielle Auszeichnung der Academy bei den Oscars zurecht verdient.
Für die Musik wurde John Williams mit einer Nominierung geehrt, der jedoch nicht alleinig an dem Score mitgearbeitet hat, was im Endeffekt womöglich den etwas bunten Mix der verschiedenen Stilrichtungen erklärt. So gibt es neben disharmonischen Piano-Solos und beunruhigenden Streicherstücken auch einige kraftvoll eingespielte Themen, die aber ansich alle zu den jeweiligen Szenen passen, dabei aber doch stark an die übrigen Scores aus den 1970er Jahren erinnern.
Den Wiedererkennungswert von Williams nicht einmal nominierter Musik zu Erdbeben besitzt sein Soundtrack zu Die Höllenfahrt der Poseidon jedoch nicht. Mit dem Oscar ausgezeichnet wurde hingegen der Song zum Film von Al Kasha und Joel Hirschhorn mit dem Titel "The Morning After".
Dass die Dreharbeiten für die Darsteller überaus anstrengend waren, zumal sie die meisten Stunts selbst übernahmen, steht außer Frage – dass aber auch hinter der Kamera mit dem Studio immer wieder gerungen wurde, sieht man dem Endergebnis glücklicherweise nicht an. So wurde der Film in chronologischer Reihenfolge gedreht, was die Erscheinung des Sets und der Darsteller realistischer erschienen ließ, aber die Kosten in die Höhe trieb. Zudem wurde ein Teil des Sets auf einer hydraulischen Plattform gebaut, die sich bis zu 45° kippen ließ, so dass nicht alle Schwankungen über Kameratricks umgesetzt werden mussten. In einer Szene wurde das Set sogar so gebaut, dass es langsam unter Wasser gelassen werden konnte und der Abstieg des Sets in den Tank zu jeder Zeit gestoppt werden konnte – doch der Mechanismus funktionierte nicht, sodass letztlich auch die Kameracrew unter der Wasseroberfläche lag, wobei die Kamera aber nur für trockene Drehs ausgelegt war. Die Filmrolle wurde eiligst ins Entwicklungslabor gebracht und wies glücklicherweise keine Beschädigungen auf.
Eine Endsequenz mit Rettungsboten um das gekenterte Schiff war zwar geplant, konnte auf Grund des ausgelaufenen Budgets jedoch nicht umgesetzt werden – die Szene mit dem Helikopter wurde auf dem Studiogelände gedreht, wobei der Kamerawinkel so gewählt wurde, dass keine Gebäude zu sehen waren.
Gedreht wurde unter anderem auf der Queen Mary (beispielsweise die Eröffnungsszene oder auch die kurze Sequenz im Maschinenraum), auf der auch Paul Gallicos Roman basiert. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Schiff von einer riesigen Welle im Nordatlantik ergriffen – Berechnungen ergaben später, dass das Schiff, wäre es noch um wenige Zentimeter mehr gekippt, unweigerlich gekentert wäre. Solch riesige Wellen kommen dabei bedeutend häufiger vor, als damals angenommen wurde.
Ärgerlich für Interessenten aus Europa ist hingegen, dass der Film auf DVD nur in einer etwas veralteten Auflage erhältlich ist, während vor einigen Jahren in den USA eine Neuauflage veröffentlicht wurde. Diese beinhaltet zwar ebenfalls nur den Ton in einer Monospur, dafür das Bild in einer THX-zertifizierten Überarbeitung. Ob dahingehend eine Neuveröffentlichung in Deutschland geplant ist, ist nicht bekannt.
Blickt man aus heutiger Sicht auf zahlreiche Desaster-Filme der 1970er und 80er Jahre zurück, kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Das bezogen sowohl auf die technische Umsetzung, als auch in inhaltlicher Sicht. Die Höllenfahrt der Poseidon ist dahingehend eine angenehme Ausnahme und begründete in gewisser Weise das Genre, trat dabei sogar eine ganze Welle neuer Filme los.
Mit aufwändigen Sets, guten Darstellern und einem überzeugenden, auf die Figuren ausgelegten Skript gelingt den Machern hier ein technischer Meilenstein des Genres, spannend und gut umgesetzt, dabei nie klischeehaft oder langweilig.
Fazit:
Katastrophenfilme aus der Hochzeit des Genres zu bewerten ist grundsätzlich schwer. Nicht nur, dass die Macher mit den damals beschränkten Möglichkeiten hinsichtlich Budget und machbare Technik auskommen mussten, sie mussten sich auch zahlreichen Konventionen beugen, wenn es um die Story geht, die in den meisten Fällen schlichtweg austauschbar ist.
Bei Die Höllenfahrt der Poseidon ist dies erfreulicherweise nicht der Fall. Zwar ist recht schnell klar, in welche Richtung die Story geht, was sich die Autoren aber als nächstes haben einfallen lassen, ist meist schwer zu erraten. Außerdem überzeugen die unterschiedlichen und gut beleuchteten Figuren sowie die natürlichen Dialoge. Dank der außergewöhnlich engagierten Darsteller, routiniert angeführt von einem sehr guten Gene Hackman, und der sichtlich aufwändigen Umsetzung des Stoffes gelang Regisseur Ronald Neame mit seinem Katastrophendrama ein erstklassiger Vertreter des Genres, der auch 30 Jahre nach seiner Entstehung immer noch mitreißt und begeistern kann.