Die Ahnen der Saurier - Im Reich der Urzeitmonster [2005]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 25. Februar 2006
Genre: Dokumentation / AnimationOriginaltitel: Walking with Monsters - Life before Dinosaurs
Laufzeit: 94 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA / Deutschland
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: Tim Haines
Musik: Ben Bartlett
Erzähler: Kenneth Branagh (Englische Originalfassung), Otto Clemens (Deutsche Fassung)
Kurzinhalt:
Das Leben auf der Erde entwickelt sich seit Hunderten von Millionen von Jahren; ihre größten Bewohner, die Dinosaurier, gehören zu den bekanntesten Geschöpfen der Urzeit, dabei bevölkerten ihre Ahnen die Meere bereits vor mehr als 500 Millionen Jahren. Seien es die Arthopoden oder die Amphibien, es beginnt ein immer währender Kampf der Evolution ums Überleben, ein stetiger Entwicklungsprozess, der Tiere hervorbringt wie Proterogyrinus oder Arthropleura, Edaphosaurus, Seymouria, Eupakeria, Gorgonopsid und Scutosaurus.
Je stärker sich die Erde um sie herum verändert, umso näher rückt das Ende ihrer Herrschaft, während sich die Dinosaurier immer mehr durchsetzen. Dabei sind auch die Ursprünge ihrer Nachfolger, der Säugetiere, bereits in ihren Ahnen, den Urzeitmonstern, vorhanden.
Kritik:
Kaum jemand hätte es für möglich gehalten, dass Tim Haines mit seiner ungewöhnlichen Populär-Dokumentation Dinosaurier – Im Reich der Giganten [1999] ein solch großer, internationaler Erfolg vergönnt sein würde. Zahlreiche Fortsetzungen zog die mit atemberaubenden Animationen gespickte, fiktionale Beobachtung der Lebensgewohnheiten von Dinosauriern nach sich, wobei Haines selbst eine Trilogie vorschwebte, die er mit Die Erben der Saurier - Im Reich der Urzeit [2001] als Produzent fortsetzte und nun mit Die Ahnen der Saurier selbst zum Abschluss bringt. Damit erzählt er die Geschichte des Lebens von den frühen Anfängen über ihre größten Erfolge bis hin zur Herrschaft der Säugetiere.
Was bereits nach den ersten Minuten ins Auge fällt ist Haines' Verzicht auf die plakative Umsetzung, für die Im Reich der Urzeit zurecht Kritik einstecken musste. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Tiere in Zeitlupe vor der Kamera agieren, die Dokumentation einen effektvollen "Einblick" in die Struktur der Urtiere gewährte und das Geschehen mit einem unverkennbar amerikanischen Flair umgesetzt wurde. Die Ahnen der Saurier gibt sich dahingehend äußerst europäisch – und das ist ein riesiger Schritt nach vorne.
Die Zeitspanne, die der Autor und Regisseur hier abdeckt, umspannt mit 300 Millionen Jahren einen unvorstellbar großen Zeitraum; eigentlich hätte man daraus eine Miniserie bestehend aus zehn oder zwölf Teilen drehen können, doch wollten die Macher in den eineinhalb Stunden so viele Informationen vermitteln, dass abgesehen von den besuchten Szenarien und Tieren sehr Vieles stillschweigend vernachlässigt wird, was Haines beispielsweise in Im Reich der Giganten behandelte. So wirkt die Evolution trotz der Zeitangaben stets auf der Überholspur, vollzieht sich vor den Augen der Zuseher in einem Tempo, das man sich kaum vorstellen kann, und geht auf die individuellen Verhaltensweisen der Tiere nur sehr selten ein.
Das mag jedoch schon daran liegen, dass aus jener Zeitepoche nur wenige Informationen bekannt sind und sich diese meist auf wissenschaftliche Theorien und Vermutungen stützen. Wurde auf den spekulativen Anteil der Dokumentation aber in den beiden vorangegangenen Instanzen immer wieder hingewiesen, erklären die Macher in Im Reich der Urzeitmonster stets Fakten und vermitteln dadurch einen Wahrheitsgehalt, der eigentlich nicht zutrifft. Beim Abschluss der Evolutionssaga handelt es sich vielleicht um ein noch spekulativeres Werk, als es bei den anderen Produktionen der Fall war.
Dass einem das als Zuschauer erst im Nachhinein auf- und selbst dann nicht so schwer ins Gewicht fällt, liegt an der sehr vernünftig klingenden Erzählkette, an der sich die Macher orientieren. So werden immer wieder Wesen auf ihrem Höhepunkt besucht, ihr Zusammenspiel mit einigen anderen Arten kurz aufgezeigt und anschließend ihre vermutliche Weiterentwicklung erläutert. Bisweilen erscheint es zwar, als wollte Haines seinen Protagonisten eine Persönlichkeit vermitteln, eine Beziehung wie beispielsweise bei Die Geschichte von Big Al [2000] baut man zu den vorgestellten Wesen allerdings nicht auf.
Inhaltlich weist Die Ahnen der Saurier darum für interessierte Zuschauer zwar viele Lücken auf, und mutet sich trotz des fiktiven Charakters sehr viel Authentizität zu, bietet aber dennoch schnell erzählte und nie langweilige Unterhaltung mit wissenschaftlichem Hintergrund, und offenbart – immer in Bezug auf die heutige Flora und Fauna – auch die eine oder andere "aktuelle" Information.
Dreh- und Angelpunkt der Urzeit-Reihe war seit jeher die optische Umsetzung der außergewöhnlichen Dokumentationen, die auch diesmal nicht enttäuscht. Einmal mehr bekommt der Zuschauer Tiere gezeigt, die man in dieser Form noch nie gesehen hat. Tricktechnisch bewegen sich die Macher zwar nicht allzeit auf Hollywood-Niveau, stellen aber sämtliche Discovery Channel-Produktionen wie Die Letzten Jahre der Dinosaurier [2003], Im Reich der Säbelzahntiger - Die Welt nach den Dinosauriern [2003] und nicht zu vergessen Dinosaurier erobern die Welt [2001] in den Schatten.
Sowohl das Aussehen der Urzeitwesen, als auch die Bewegungen wirken so natürlich wie realistisch und erscheinen dank der Interaktion mit der Umgebung tatsächlich gefilmt. Doch haben sich hier unverständlicherweise bisweilen kleine Fehler eingeschlichen: während feingliedrige Wesen mit jedem ihrer Beine einen Abdruck im Sand hinterlassen, ist das bei größeren Amphibien bisweilen nicht der Fall – sie wirbeln zwar buchstäblich Staub auf, einen Fußabdruck gibt es aber nicht. Ob dies an der mangelnden Sorgfalt der Effektekünstler lag, oder aber schlicht am Zeitmangel, sei dahingestellt, zumal es nur aufmerksamen Zuschauern auffallen wird.
Handwerklich gibt es darüber hinaus nichts zu beanstanden, die ruhigere Inszenierung mit teilweise malerischen Aufnahmen steht der Dokumentation sehr gut, und auch die Zooms in die Körper der Tiere wirken nicht aufdringlich oder effekthascherisch, sondern lediglich informativ und veranschaulichen sehr gut, worauf des dem Regisseur bei jener Szene ankam.
Kamera und Schnitt harmonieren gekonnt, schaffen dank einiger augenzwinkernder Einfälle wie Tiere, die sich an der Kamera anstoßen, eine sehr reale Atmosphäre und versetzen den Zuseher damit in eine tatsächliche Dokumentation, die nicht zuletzt dank Nachtsichtaufnahmen und Einstellungen in Brutnestern überzeugend wirkt.
Mit seiner musikalischen Untermalung zu Dinosaurier – Im Reich der Giganten gelang Komponist Ben Bartlett ein fulminanter Einstand, der ihm zahlreiche Preise einbrachte; schon deshalb ist es unverständlich, weswegen sich seine Tätigkeiten nach wie vor auf wenige Fernsehproduktionen beschränken.
Auch für Im Reich der Urzeitmonster findet er stets den richtigen Ton, doch schwankt der Score zwischen sehr harmonischen und orchestral anmutenden Themen einerseits und elektronischen Synthesizermelodien andererseits. Hier wäre mit einem richtigen Orchester eine zeitlosere Musik möglich gewesen, wobei man zudem ein durchgängiges Thema der Dokumentation vermisst.
Nichtsdestotrotz trägt Bartletts Soundtrack gekonnt zur Seriosität der Produktion bei, zieht in den notwendigen Momenten das Tempo an und vermittelt zum rechten Zeitpunkt eine unheilvolle Atmosphäre.
Über vier Millionen Euro verschlang die Gemeinschaftsproduktion der BBC, des Discovery Channels und ProSiebens – Geld, das jeder einzelnen Szene anzusehen ist, bedenkt man, dass die Effektkünstler nicht nur die urzeitlichen Tiere, sondern auch Flora und Fauna erschaffen mussten. Gelungen ist es ihnen spätestens dann, wenn man als Zuschauer den Übergang zwischen Realität und Fiktion nicht mehr wahrnehmen kann – und das ist bei Die Ahnen der Saurier die meiste Zeit über der Fall.
Aber auch wenn das fiktive Dokudrama sehr stark betont, wie sich die Menschen unmissverständlich aus jenen urzeitlichen Erdbewohnern entwickelt haben, inhaltlich bleibt Tim Haines Drehbuch zum größten Teil Spekulation, wenngleich wissenschaftlich begründete. Glaubt man dies der Erzählung auch ohne weiteres, fehlt trotz allem jener Bezug zu den Protagonisten, wie es sowohl bei den Dinosauriern, als auch bei deren Erben der Fall war. Davon einmal abgesehen, erwartet einen exzellent gemachte Populärunterhaltung mit wissenschaftlichem Touch.
Fazit:
Im Grunde genommen ist eine Dokumentation etwas "nicht fiktives"; Die Ahnen der Saurier in diese Kategorie zu zählen wäre ebenso falsch, wie bei den beiden vorangegangenen Beiträgen der Evolutionssaga. Was den Macher hier allerdings gelingt, ist einmal mehr die perfekte Illusion einer Wahrheit, die zum größten Teil auf wissenschaftlichen Vermutungen und Erkenntnissen beruht.
Als Zuseher sollte man also nicht zweifelsfrei glauben, was einem bei Im Reich der Urzeitmonster gezeigt wird. Es ist aber überaus erfreulich zu sehen, dass es dem geistigen Vater der Reihe, Tim Haines, gelingt, zur professionellen Erzählung von Im Reich der Giganten zurück zu kehren und die unpassenden Eigenarten der übrigen Beiträge abzulegen – und auch der altbekannte deutschsprachige Erzähler, Otto Clemens, ist eine Wohltat für die Ohren.
Was man dem Trilogie-Abschluss trotz der erstklassigen Unterhaltung allerdings zum Vorwurf machen muss, ist die Tatsache, dass eine bedeutend größere Epoche in viel weniger Zeit erzählt, anhand von Stichpunkten die Evolution des Lebens erläutert und den Zuschauern unvorstellbar Vieles vorenthalten wird. So hat man trotz der atemberaubenden Bilder und der realistischen Urtiere nie das Gefühl, eine Dokumentation im wörtlichen Sinne zu sehen, sondern vielmehr eine erstklassig gemachte, fiktive Erzählung mit einem dokumentarischen Charme. Und genau das unterscheidet den Abschluss vom Beginn der Saga.