Der unglaubliche Hulk [2008]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 31. März 2009
Genre: Science Fiction / Action / Drama

Originaltitel: The Incredible Hulk
Laufzeit: 112 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2008
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Louis Leterrier
Musik: Craig Armstrong
Darsteller: Edward Norton, Liv Tyler, Tim Roth, William Hurt, Tim Blake Nelson, Ty Burrell, Christina Cabot, Peter Mensah, Lou Ferrigno, Paul Soles, Débora Nascimento


Kurzinhalt:
Seit einem katastrophalen Selbstversuch vor fünf Jahren versteckt sich der Wissenschaftler Bruce Banner (Edward Norton) in Brasilien. Wenn sein Puls über 200 steigt, verwandelt er sich seit dem Versuch in ein übergroßes, muskelbepacktes, grünes und latent gewalttätiges Wesen – den Hulk.
Das Militär sieht darin weniger eine Gefahr, wie eine Möglichkeit, weswegen General Ross (William Hurt), unter dessen Leitung Banner damals auch gearbeitet hatte, den Flüchtling unter allen Umständen in Gewahrsam nehmen will. Auch im Exil wird Banner aufgespürt und muss fortan wieder fliehen – nur wohin?
Seine Forschung an einem Antiserum blieb bislang erfolglos, und auch ein mysteriöser Helfer, Mr. Blue (Tim Blake Nelson), kann ihm nur behilflich sein, wenn er die Unterlagen des auslösenden Versuchs einsehen kann. Doch die sind verschwunden und allenfalls seine damalige Kollegin und Freundin Betty (Liv Tyler) könnte ihm weiterhelfen. Währenddessen unterzieht sich der Elite-Soldat Emil Blonsky (Tim Roth) unter Ross Aufsicht einer Behandlung, um dem Hulk besser gewachsen zu sein – doch nicht nur er unterschätzt die Nebenwirkungen ...


Kritik:
Obgleich der ersten Leinwandadaption Hulk [2003] der große Erfolg verwehrt blieb, wurde schon kurze Zeit danach über eine Fortsetzung gemunkelt. Lange Zeit sah es so aus, als würde diese gar nicht erst ins Kino, sondern lediglich im Heimvideomarkt veröffentlicht. Doch als das Comicstudio Marvel letztlich die Zügel in die Hand nahm und mit Edward Norton ein großer Name für das Projekt gewonnen werden konnte, entschied man sich, nicht nur eine Fortsetzung, sondern im Stile von Batman Begins [2005] einen Neuanfang zu wagen.
So soll Der unglaubliche Hulk zwar für sich selbst stehen, besitzt aber dennoch Anleihen an den ersten Film, darunter beispielsweise, dass Bruce Banner in Brasilien seit fünf Jahren auf der Flucht sei – in Hulk bleibt er am Ende in Brasilien zurück. Doch schon im Vorspann, der die Vorgeschichte der Figuren beleuchtet, wird klar, dass sich viele Elemente vom ersten Film unterscheiden. Ob man sich als Zuseher nach so kurzer Zeit schon auf einen Neubeginn einlässt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Doch als vor der Veröffentlichung bekannt wurde, dass knapp vierzig Minuten aus dem endgültigen Film herausgenommen wurden, um ihn stärker auf ein actionorientiertes Publikum zuzuschneiden, machte sich auch unter interessierten Zusehern Ernüchterung breit. Dass die Auseinandersetzung zwischen Norton und dem Studio auch noch an die Öffentlichkeit getragen wurde, verstärkte den schlechten Eindruck noch. Zumal Edward Norton nicht einmal als Autor gelistet wird, aber selbst laut Regisseur Louis Leterrier jeden Abend die Dialogzeilen und Szenen des kommenden Tages umgeschrieben hatte.
Insofern ist Der unglaubliche Hulk wieder nicht derjenige Film, den die Macher dem Publikum eigentlich präsentieren wollten und manche gelöschte Szene wäre besser im Film geblieben. Doch wer sich darauf einlässt, wird feststellen, dass es dem Regisseur allemal gelingt, der Figur ein paar neue Aspekte abzugewinnen, die sie für die Zuschauer interessant machen.

Das mag daran liegen, dass sich das Drehbuch von Zak Penn mehr darauf konzentriert, wie sehr Banner unter der Situation mit dem Hulk leidet, als die Figur des Hulk selbst bemitleidenswert in den Vordergrund zu stellen. Angesichts der Tatsache, dass er diese Kräfte nicht unter Kontrolle hat und mit welcher Vehemenz er vom Militär verfolgt wird, fällt es nicht schwer, mit Banner mitzufühlen, auch wenn man sich bezüglich der Sympathien für den Hulk nicht immer sicher ist. Diese werden wirklich erst beim Finale mit dem Kontrahenten "Abomination" geweckt und wirken daher auch nicht so fehl am Platz, wie beispielsweise im fünf Jahre alten Film.
Das Skript wartet mit vielen Anspielungen für Fans auf und auch die Gastauftritte fehlen nicht. Dass am Ende aber keine richtige Auflösung geboten wird, ist tragisch. So bleibt das Ende des Bösewichts ebenso ungewiss wie das von Dr. Sterns, der in einer Fortsetzung ebenso als Gegenspieler auftauchen könnte. Am unverständlichsten ist allerdings, was die Produzenten denn mit Hulk beabsichtigen. So wie es bezüglich eines Superhelden-Teams angekündigt wird, scheint es, als soll Hulk eher als Bösewicht erhalten bleiben. Auch die Schlusseinstellung bleibt hier interpretationsfähig.

Dass Der unglaubliche Hulk allerdings funktioniert, liegt zum großen Teil an den Darstellern, die allesamt motiviert und überzeugt bei ihren Figuren stehen. Als verletzlichen und ebenso gebundenen Bruce Banner verblüfft Edward Norton ebenso, wie Liv Tyler ihren Charakter mit Leben erfüllt. Ohne die unverständlichen Schwankungen, die man noch bei Jennifer Connelly in Hulk bestaunen durfte, fühlt man als Zuschauer wie sie auch die Unsicherheit, wenn es um die persönliche Einstellung gegenüber dem grünen Ungetüm geht. Als (zweifelsohne klischeehafter) Bösewicht lässt Tim Roth ebenso wenig offen, wie William Hurt, die beide ihre Sache gut machen, aber nicht preisverdächtig agieren.
Unterstützt wird die Arbeit der Darsteller von durchweg sehr guten Spezialeffekten, mit denen die Macher den Hulk zum Leben erwecken. Dabei wirkt der muskulöse Brocken weniger wie ein Gummiball, als wie ein Kraftpaket, dem man nicht im Weg stehen wollte. Die Interaktion ist dabei gut gelungen und wenn man die Muskelpartien sich unter der dunkelgrünen und plastischen Haut bewegen sieht, mag man beinahe vergessen, wie dies noch vor einigen Jahren ausgesehen hat.
Handwerklich gibt sich der Franzose Louis Leterrier keine Blöße und präsentiert sein US-Debüt in schicken, wohl zusammengestellten Bildern, in deren Choreografie sichtlich viel Arbeit geflossen ist. Auch die Action ist entsprechend inszeniert und überzeugt auch trotz einiger Zeitlupen, die aber nie unpassend wirken. Abgerundet wird die erstklassige und originelle Umsetzung durch einen bewegenden, packenden, eingängigen und rhythmischen Score von Komponist Craig Armstrong, der vom Studio sogar wie eine Rarität in einer zwei-Disc-Edition veröffentlicht wurde.

All das macht Der unglaubliche Hulk zu einem deutlich besseren und vor allem kurzweiligeren Film als Hulk, auch wenn er an einem künstlichen Bösewicht im Finale leidet. Doch wer sich darauf einlässt bekommt erstklassig gemachte Comic-Action-Kost serviert, die auch ruhige Momente findet und einen sehr sympathischen unfreiwilligen Helden präsentiert. Ob man aus dem Grünling mehr hätte machen können, bleibt abzuwarten – wenn denn eine Fortsetzung kommt, was immer noch in den Sternen steht.


Fazit:
Fünf Jahre nach Ang Lees Hulk präsentiert der neue Einstand des wutmanagementerprobten Muskelprotzes weniger esoterisch und artistisch, dafür weltlicher, actionlastiger und leichter zugänglich. Tadellos und einfallsreich gefilmt, sehr gut gespielt und mit verständlichen und glaubhaften Figuren bevölkert, überzeugt an der Story vor allem der Aspekt, dass Bruce Banner unter seinen Fähigkeiten ebenso zu leiden hat, wie die Menschen um ihn herum.
Dass die Geschichte um den knapp drei Meter großen Koloss funktioniert liegt auch an den sehr guten Spezialeffekten, die bezüglich der natürlichen Mimik nicht vollends überzeugen, aber dennoch realistisch wirken. So eignet sich Der unglaubliche Hulk für diejenigen, die die Welt der 1962 zum ersten Mal erschienenen Comicfigur entdecken wollen, besser als der erste Film. Doch scheint es, als wäre der beinahe unverwundbare Hulk allenfalls zu guten Geschichten berufen – außergewöhnlich oder unglaublich ist sie nämlich nach wie vor nicht.