Der mit dem Wolf tanzt [1990]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 1. Januar 2017
Genre: Drama / WesternOriginaltitel: Dances with Wolves
Laufzeit: 236 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 1990
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Kevin Costner
Musik: John Barry
Darsteller: Kevin Costner, Mary McDonnell, Graham Greene, Rodney A. Grant, Floyd 'Red Crow' Westerman, Tantoo Cardinal, Robert Pastorelli, Charles Rocket, Maury Chaykin, Jimmy Herman, Nathan Lee Chasing His Horse
Kurzinhalt:
Mit einem missglückten Selbstmordversuch während einer Schlacht, verhilft Lieutenant John Dunbar (Kevin Costner) der United States Army im Sezessionskrieg zu einem wichtigen Sieg. Auf eigenen Wunsch lässt er sich danach auf einen weit entfernten Posten im Westen versetzen. Dort angekommen, ist das Fort verlassen und wird von John wiederaufgebaut. In der Einsamkeit findet der Soldat zu sich. Es vergehen Wochen, ehe er dem ersten Indianer begegnet. Als er die schwerverletzte Indianerin Steht mit einer Faust (Mary McDonnell) findet und in ihr Dorf bringt, erkennt der Medizinmann Strampelnder Vogel (Graham Greene) die Möglichkeiten, die sich ergeben würden, wenn man sich mit dem Weißen Mann verständigen könnte. Denn mehr werden kommen. So nähert sich Dunbar dem Stamm der Sioux und muss erkennen, dass ihre Lebensweise mehr der seinen entspricht, als das Soldatenleben, das er hinter sich lässt ...
Kritik:
Mit einer Laufzeit von beinahe vier Stunden in der von Regisseur Kevin Costner beabsichtigten Fassung, ist Der mit dem Wolf tanzt keine einzige Minute zu lang. Das Westernepos schildert den Werdegang des Army-Lieutenants John J. Dunbar, der sich 1864 an einen der entlegensten Orte der USA versetzen lässt und im "Westen" seinen Platz dort findet, wo er ihn nie vermutet hat. Getragen von einer meisterhaften Musik und grandiosen Bildern, ist das so berauschend wie lehrreich.
Was für ein Kraftakt es für Hauptdarsteller Costner gewesen sein muss, seinen Regieeinstand mit einem solch schwierigen Thema umzusetzen, mag man sich kaum vorstellen. Umso leichter fällt es, den Berichten zu glauben, dass es schwerfiel, ein Studio für das Projekt zu finden. Abgesehen vom schwierigen Thema, geht der Filmemacher das Wagnis ein, die Gespräche der Sioux, die beinahe ein Viertel aller Dialoge des Films ausmachen, vollständig im "Original" zu behalten und zu untertiteln. Dabei dauert es sehr lange, ehe der Western überhaupt den ersten Indianer zeigt.
Nachdem er als Held gefeiert wird, lässt sich Dunbar in das entlegene Fort Sedgewick versetzen. Dort angekommen muss er feststellen, dass die übrigen Soldaten verschwunden sind. Er entschließt sich, dennoch zu bleiben und verbringt Wochen in Einsamkeit, in denen er das Fort wiederaufbaut und die Abgeschiedenheit schätzen lernt. In langen Einstellungen fängt Der mit dem Wolf tanzt das unberührte Land ein, in dem jedes Zeichen menschlicher Siedlung wie ein Fremdkörper wirkt. Nach den Grauen des Bürgerkrieges zu Beginn, stellen diese Bilder einen friedvollen Kontrast dar, der größer kaum sein könnte. Das ändert sich auch nicht, als Dunbar eines Tages auf den Sioux-Indianer Strampelnder Vogel trifft. Trotz der sprachlichen und kulturellen Unterschiede, überwiegt die Neugier, den jeweils fremden kennenzulernen.
Das Plädoyer, das Der mit dem Wolf tanzt für Verständnis und Toleranz vorträgt, wird umso kraftvoller, wenn wir sehen, wie die Indianer miteinander umgehen. Wie ihre alltäglichen Gespräche von dem handeln, mit dem sich ein jeder identifizieren kann und wie Strampelnder Vogel in seiner Weitsicht den Kontakt mit Dunbar sucht, um mit den Weißen, die zweifellos kommen werden, Abkommen schließen zu können. Anstatt dem jeweils anderen seine Überzeugungen aufzuzwängen, oder abwertend zu urteilen, akzeptiert Dunbar die Bräuche der Sioux und muss auf seiner Reise erkennen, dass er sich mit ihrer Art zu leben, im Einklang mit der Natur, mehr identifizieren kann, als mit dem, was er bereits erlebt hat.
Das Skript von Michael Blake, der die Geschichte auf Anraten Costners und des Produzenten in ein Buch verwandelte, um das Interesse der Studios zu erhöhen, zeigt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Kulturen auf, ohne zu urteilen. Sieht man, wie die Sioux Dunbar bei sich akzeptieren und wie er bei den Soldaten später verspottet und als Verräter abgestempelt wird, dann stellt das die gern gesehenen Rollenbilder auf den Kopf. Anstatt viele Schlussfolgerungen ausformuliert zu präsentieren, so auch zu Beginn, wenn Dunbar seine Abkommandierung erhält oder Timmons kennenlernt, stellt Der mit dem Wolf tanzt die Figuren vor, die von ihren Erlebnissen an dieser "neuen Grenze" geprägt sind und lässt es dem Publikum, Erkenntnisse zu gewinnen. Dass der Film zugleich Zeit für viele humorvolle Momente findet, die nie unpassend oder aufgesetzt scheinen, macht die Geschichte leichter zugänglich.
In der Rolle des John Dunbar gibt Kevin Costner durch seine zurückhaltende Darbietung eine der besten seiner Karriere. Eine wirkliche Offenbarung ist jedoch Graham Greene als Strampelnder Vogel. Ihm gelingt es, die vielen Schichten seiner Figur so dezent zu präsentieren, dass die letzten Momente mit ihm eine ungeheure Wucht entwickeln. Als Steht mit einer Faust ist Mary McDonnell schlichtweg umwerfend. Die übrige Besetzung, insbesondere der Sioux, steht dem in nichts nach. Sie alle erwecken ein Kapitel zum Leben, das einen so tragischen Verlauf genommen hat, dass man es sich nicht vorstellen mag, welche Möglichkeiten darin gelegen hätten, wären die unterschiedlichen Kulturen gemeinsam in die Zukunft gegangen. Kevin Costners Der mit dem Wolf tanzt setzt den Sioux ebenso ein Denkmal wie denjenigen, die offen gegenüber den Fremden waren. Wie wichtig das ist, sehen wir heute mehr denn je.
Fazit:
Die ruhige, besonnene Inszenierung ist hier ebenso Teil der Geschichte, wie ein wichtiges Element der Reise von John J. Dunbar, der nur in der Abgeschiedenheit des Westens erkennen kann, wer er eigentlich ist. Von Kevin Costner behutsam und mit einem Gespür für alle Figuren grandios erzählt, ist Der mit dem Wolf tanzt ein monumentales Westernepos mit einer berührenden Geschichte um Toleranz und Freundschaft. Wie nahe das geht, sieht man, wenn John all das genommen wird, was ihn an sein altes Leben erinnert. Wie viel er gewinnt, wird in einer Gemeinschaft greifbar, die ebenso friedliebend ist, wie bereit, zu verteidigen, was und wer zu ihnen gehört. Es ist diese Balance, die der Film zu vermitteln scheint und dabei in beinahe meditativen Bildern einlädt, seinen eigenen Weg zu suchen. Das ist inspirierend und ermutigend zugleich. Ein Meisterwerk.