Der König der Löwen [2019]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 11. Juli 2019
Genre: Animation / Unterhaltung

Originaltitel: The Lion King
Laufzeit: 118 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Jon Favreau
Musik: Hans Zimmer
Stimmen: Donald Glover (Leonard Hohm / Pat Lawson), JD McCrary (Davit Nikalayan), Chiwetel Ejiofor (Torsten Michaelis), Beyoncé Knowles-Carter (Magdalena Turba), Shahadi Wright Joseph (Anisa Celik), Seth Rogen (Daniel Zillmann), Billy Eichner (Marius Clarén), John Kani (Friedhelm Ptok / Lawrence Sihlabeni), John Oliver (Axel Malzacher), James Earl Jones (Matti Klemm), Alfre Woodard


Kurzinhalt:

Obwohl er noch gar nicht weiß, welche Verantwortung dies bedeutet, möchte der Löwenjunge Simba (JD McCrary / Davit Nikalayan und Donald Glover / Leonard Hohm) wie sein Vater Mufasa (James Earl Jones / Matti Klemm) König werden. Sein Königreich, das „Geweihte Land“, umfasst alles, was das Licht der Sonne berührt. Doch dies schürt nur weiteren Hass in Mufasas Bruder Scar (Chiwetel Ejiofor / Torsten Michaelis), der sich für den legitimen Herrscher hält. Mit Hilfe der Hyänen will er Mufasa stürzen und ersinnt einen Plan, dem auch Simba zum Opfer fällt. So wächst der junge Löwe in einem fernen Land bei Erdmännchen Timon (Billy Eichner / Marius Clarén) und Warzenschwein Pumbaa (Seth Rogen / Daniel Zillmann) auf. Erst eine zufällige Begegnung mit seiner Jugendfreundin Nala (Beyoncé Knowles-Carter / Magdalena Turba), die ihm von der verheerenden Herrschaft Scars berichtet, ruft ihm in Erinnerung, was seine wahre Bestimmung ist …


Kritik:
25 Jahre ist es her, dass zum ersten Mal die (gezeichnete) Sonne über der schier unendlichen Weite der afrikanischen Savanne aufgegangen ist, untermalt von einer Melodie, die, wenn einmal gehört, man unverwechselbar mit diesen Bildern verbindet – „Nants’ Ingonyama“. Disneys Trickfilm Der König der Löwen hat viele Kindheitserinnerungen geprägt und ist der jüngste Animationsklassiker, der als „Realverfilmung“ umgesetzt wird. Regisseur Jon Favreau bleibt der Vorlage nicht nur inhaltlich treu, sondern wiederholt teilweise ganze Einstellungen. Dabei verhelfen seine Erweiterungen und die Präsentation dem Film zu einem ganz eigenen Charakter.

Bei der Geschichte selbst gibt es keine Überraschungen und wer den Zeichentrickfilm kennt, wird nicht nur die Lieder mitsingen, sondern sogar einzelne Dialoge mitsprechen können. Der Film erzählt vom Löwenjungen Simba, dessen Vater, König Mufasa, von allen Tieren respektiert wird und der über das „Geweihte Land“ vom Königsfelsen aus regiert. Simba wird ihm einst als König nachfolgen, was Mufasas Bruder Scar, der den Thron für sich selbst beansprucht, verhindern will. So ersinnt dieser mit Hilfe der Hyänen, die seit ewigen Zeiten mit den Löwen im Krieg liegen und aus dem Land verstoßen sind, einen Plan, die Macht an sich zu reißen.
Dies gelingt – wie genau, sei hier nicht verraten – und Simba muss fliehen. Im Exil trifft er auf Erdmännchen Timon und Warzenschwein Pumbaa, bei denen er heranwächst.

Bis es soweit ist, vergeht bei der Neufassung von Der König der Löwen allerdings erstaunlich viel Zeit. Beinahe die Hälfte der Laufzeit verbringt der Filmemacher in Simbas Kindheit. Wie in der Vorlage überspringen die Macher im Anschluss eben den Abschnitt, in welchem er heranwächst. Hierzu gibt es im Film sogar einen selbstironischen Kommentar. Der Schnitt vom ganz kleinen Jungtier zum ausgewachsenen Löwen ist entsprechend groß, was es schwer macht, sich mit diesem Charakter im letzten Drittel zu identifizieren. Die Gegenüber der Vorlage um beinahe eine halbe Stunde längere Laufzeit schlägt sich jedoch nicht nur zu Beginn nieder. Insgesamt scheint das Erzähltempo weniger flott als beim Trickfilm. Davon profitiert insbesondere das Finale, das packender aufgebaut ist.

Worauf auch die Filmvorschau kaum vorbereiten kann, ist die technische Präsentation der vertrauten Story. Dass es den Machern beim unvergleichlichen Auftakt gelingt, unzählige Tiere zum Königsfelsen pilgern zu lassen, um der Geburt des Thronfolgers ihre Ehre zu erweisen, wäre bereits erstaunlich genug. Doch Der König der Löwen hält dasselbe Niveau bis zum Schluss aufrecht, so dass man es nicht besser formulieren kann, als dass Regisseur Favreau den Zeichentrickklassiker als Realfilm mit echten Tieren umsetzt. Löwen, Hyänen, Giraffen, Erdmännchen … einen Trickeffekt sieht man bei keinem von ihnen. Es ist ein visuell ähnlich einschneidendes Erlebnis wie Steven Spielbergs „Wiederauferstehung“ der Dinosaurier in Jurassic Park [1993]. Hinzu kommt die musikalische Untermalung, welche mit der bekannten, prägenden Musik von Hans Zimmer aufwartet. Diese Geschichte nicht mehr in Zeichentrickmanier, sondern als vermeintlichen Realfilm zu sehen, verleiht ihr ein spürbar größeres Gewicht. Der Sonnenaufgang über der afrikanischen Savanne, die sternenklaren Nächte und auch der unberührte Urwald, in den Simba flieht und wo er aufwächst, prägen die Stimmung nachhaltig.

Im englischsprachigen Original verkörpert erneut James Earl Jones König Mufasa und verleiht ihm allein durch die Tonlage ein fantastisches Charisma. Bemerkenswert ist ebenfalls Chiwetel Ejiofor, der als Scar die Verschlagenheit des Intriganten toll zur Geltung bringt. Als junger Simba ist auch JD McCrary gelungen. So sehr, dass Donald Glover als erwachsener Thronfolger etwas enttäuscht. Doch das sind Kleinigkeiten angesichts all dessen, was die Macher auf die Leinwand bringen. Wie bereits in der Vorlage wird das Heranwachsen Simbas übersprungen, was die Entwicklung seiner Figur einschränkt. Hier hätte man mehr bieten können. Dafür profitieren die Charakterentwicklungen von dem langsameren Aufbau zu Beginn.

Ich muss gestehen, dass das Zeichentrickoriginal von Der König der Löwen für mich weder Arielle, die Meerjungfrau [1989] oder gar Die Schöne und das Biest [1991] das Wasser reichen kann und auch weit vom Charme von Das Dschungelbuch [1967] entfernt ist, oder der emotionalen Zugkraft der Geschichte in Pocahontas [1995]. Insofern sehe ich die Tatsache, dass Jon Favreau sogar die Einstellungen der Vorlage übernommen hat, eher als Eingeständnis dessen, dass er was gelungen war beibehalten hat, um die Schwächen zu verbessern, denn als Ideenlosigkeit. Man muss sich allerdings vor Augen führen, dass sich die Tiere hier auch wie Tiere verhalten und bewegen. Das heißt, ausufernde Gefühlsregungen, überschwängliche Mimik oder theatralische Gesten, auch beim Humor oder dem Gesang, würden mit dem realistischen Aussehen keinen Sinn ergeben und fallen insofern weg. Vermutlich aus diesem Grund ist Scars Song „Seid bereit“ (leider) auch nur in einer stark verkürzten Fassung zu sehen – der Rest sähe dem Löwen und den Hyänen schlicht nicht ähnlich. Auch die Emotionen der Tiere spiegeln sich hier weniger in ihrer Mimik, als in ihrer Körpersprache und den Stimmdarstellern wider. Doch das ist kein Kritikpunkt, sondern eher eine Erklärung dafür, weswegen manche dem Film Emotionslosigkeit unterstellen.
Wer sich darauf einlässt, hier eine Geschichte von „wirklichen Tieren“ zu sehen, wer sie dabei beobachtet, die Nuancen in ihren Bewegungen erkennt, für den bleibt auch die emotionale Zugkraft erhalten. Sei es darin, dass sich bei „Kann es wirklich Liebe sein“ ein Kloß im Hals bildet oder sich ein hervorragender Moment verbirgt, wenn Pavian Rafiki Simba an dessen Bestimmung erinnert. Die Eröffnung mit „Der ewige Kreis“ sorgt ohnehin immer noch für Gänsehaut. Und was Realverfilmungen von Disney-Zeichentrickklassikern angeht, kann es nicht besser werden.


Fazit:
Mit dem tollen Verweis an Die Schöne und das Biest und einigen Sprüchen von Timon und Pumbaa beweisen die Macher Selbstironie, ohne dem Charme des Films zu schaden. Die Bilder sind schlicht gigantisch, das Aussehen, Verhalten und die Bewegungen der Tiere ohne Übertreibung phänomenal. Durch die längere Laufzeit erhält aber auch die Story mehr Raum, sich zu entfalten, wovon viele Stellen im Film profitieren. Dabei gelingt Regisseur Jon Favreau das Kunststück, einen Klassiker nicht nur für das heutige, junge Publikum zu erzählen. Auch diejenigen, die mit der Zeichentrickvorlage aufgewachsen sind, können dessen Geschichte neu entdecken – sofern man sie mit real erscheinenden Tieren erzählt, und keine comicartig gezeichnete Komödie erwartet.
Wer kann, sollte diesen modernen Klassiker auf der größten und besten Leinwand sehen, denn die Wirkung der Präsentation ist nur schwer in Worte zu fassen. Die vertraute Geschichte von Der König der Löwen mit scheinbar wirklichen Tieren zum Leben erweckt zu sehen, ist ein anderes Filmerlebnis. Nicht notwendigerweise besser, aber sicherlich nicht schlechter als die Vorlage. Ein fantasievoller, auf kaum vorstellbare, eindrucksvolle Weise detailreich zum Leben erweckter Film für die ganze Familie.